Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) beinhaltet einen ganzen Strauß an Vorschriften im Zusammenhang mit Drogen. Wie man sich denken kann, gibt es dabei weniger schwerwiegende, jedoch auch äußerst einschneidende Vorschriften. Je weiter man also im Gesetz blättert, umso höher sind die Rechtsfolgen, getreu dem Motto „Je höher die Hausnummer, desto höher die Strafen“. Ganz am Ende dieser Kette findet sich eine eher unscheinbare Norm, um die es sich nunmehr in diesem Artikel dreht und die es in sich hat. Die Rede ist von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, auch genannt „Bewaffnetes Handeltreiben (oder auch andere Tatalternativen) mit Betäubungsmitteln“.
Man stelle sich folgende Situation vor
Es ist kurz vor 7.00 Uhr morgens, man liegt im Bett. Plötzlich klingelt es an der Tür. Man öffnet sie und vor einem steht die Polizei. Nicht ein Polizist, nicht zwei…..gleich ein ganzer Mannschaftswagen scharrt schon mit den Hufen und möchte in die Wohnung hinein. Der Grund ist simpel: Es liegt ein Durchsuchungsbeschluss vor. Man vermutet Drogen in der Wohnung. „Nun gut“, denkt man sich. „Dann muss ich die Herrschaften jetzt wohl rein lassen“. So geschieht es dann auch. Und wie es der Zufall will, finden sie dummerweise auf dem Tisch 200 g Haschisch. So weit, so gut (bzw. schlecht). Das war es aber leider noch nicht. Direkt daneben liegt nämlich noch das silbern glänzende Butterflymesser, mit dem man sich abends zuvor noch die Butter auf’s Brot geschmiert hat…..soll es ja alles geben.
Doch schon steckt man in der Klemme, nämlich in der des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG. Unter sämtlichen Strafnormen, die die Gesetze hierzulande kennen, ist das ein richtiger Brummer. Sieht man einmal vom minder schweren Fall (dazu später noch mehr) ab, reicht der Strafrahmen von 5 Jahren Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren. Nur mal zum Vergleich: § 212 StGB hat exakt denselben Strafrahmen. Und dabei handelt es sich um Totschlag, ein Mensch wird also getötet. Da wird man sich nun zwangsläufig denken „Das ist ja eine sehr schwere Tat, na so leicht wird man sie schon nicht verwirklichen…..“. Und genau dies ist ein Irrtum! Wie sich im Folgenden zeigen wird, ist man schneller im Bereich dieser Norm, als man sich vorstellen kann…..
Warum diese hohe Strafe?
Zunächst die Antwort auf die Frage, weshalb das Gesetz eine solch drastische Sanktion androht. Wie bereits aufgezeigt, unterscheidet sich die Rechtsfolge nicht von der des Totschlags oder etwa weiterer Verbrechenstatbestände.
Aber warum denkt sich der Gesetzgeber, dass das bloße „Mitsichführen“ einer Schusswaffe oder sonstiger Gegenstände“ im Zusammenhang mit Handeltreiben derart hart bestraft werden muss, um etwa auf einer Stufe mit der Tötung eines Menschen zu stehen?
Nun, zunächst sei erwähnt, dass diese Norm noch vergleichsweise jung ist. Sie existiert erst seit dem 01.12.1994 und wurde durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.1994 eingeführt. Davor wurde man in einem gleich gelagerten Fall wegen unerlaubtem Handeltreiben und unerlaubtem Waffenbesitz verurteilt, im schlimmsten Falle also mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.
Der Hintergedanke des Gesetzgebers für diese immense Strafverschärfung ist folgender gewesen
Schlicht und ergreifend die besondere Gefährlichkeit solcher Taten. Es bestünde immer die Gefahr, dass ein Täter beim Umgang mit Betäubungsmitteln rücksichtslos seine Interessen mithilfe von Schusswaffen oder sonstiger Gegenstände durchsetzt. Der Jurist nennt dies abstrakte Gefährdung. Wer also mit Drogen handelt und dabei etwa Waffen bei sich führt, ist grundsätzlich gefährlicher als der „einfache Dealer“ an der Straßenecke. Auf den ersten Blick leuchtet dies ein. Doch die Rechtsprechung zeigt, dass diese Vorstellung mit der Wirklichkeit nicht immer übereinstimmen mag, wie sich im Weiteren zeigen wird.
Wann ist der Tatbestand erfüllt? Was ist eine Schusswaffe, was ein gefährlicher Gegenstand?
Wie eingangs erwähnt, kann der Tatbestand sehr schnell erfüllt sein. Voraussetzung ist zunächst Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (oder auch die anderen dem Gesetz zu entnehmenden Tathandlungen) in nicht geringer Menge. Damit meint man jede Tätigkeit im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln, die auf Gewinn ausgerichtet ist. Klassischer Fall ist das „Verticken“ von Drogen. Was eine nicht geringe Menge ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Letztlich entscheidend ist die Wirkstoffmenge. Diese errechnet sich durch die Gesamtmenge und den Wirkstoffgehalt der Droge.
Heißt also je mehr Gewicht bzw. je besser der Stoff, desto wahrscheinlicher ist das Überschreiten der Grenze zur nicht geringen Menge. Wo nun diese Grenze liegt, hängt von der Art des Rauschgifts ab.
Hier die bekanntesten Rauschgifte und ihre jeweiligen Grenzen
Marihuana bzw. Cannabis: 7,5 g THC
Amphetamin: 10 g Amphetaminbase
Ecstasy: 30 g MDMA-Base
Kokain: 5 g Kokainhydrochlorid
Für unser obiges Beispiel bedeutet dies, dass bei einer Rauschgiftmenge von 200 g der Stoff schon sehr schlecht sein muss, um noch im Bereich der normalen Menge zu liegen, nämlich etwa bei 3,5 % Wirkstoffgehalt. Solch schlechtes Zeug raucht nun wirklich niemand!
Bei 200 g ist also mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Grenze zur nicht geringen Menge überschritten ist.
Hinzu kommen muss jedoch das Mitsichführen einer Schusswaffe oder eines sonstigen Gegenstandes, der geeignet und bestimmt ist, Personen zu verletzen. Was eine Schusswaffe ist, leuchtet wohl jedem noch ohne Weiteres ein. Gemeint sind damit Pistolen, Revolver und sonstige Geschosse, die wohl nur die allerwenigsten bei sich zu Hause aufbewahren. Klar ist aber, dass Spielzeugpistolen oder Attrappen nicht dazu gehören.
Anders schaut dies schon bei „sonstigen Gegenständen“ aus. Man muss sich nur mal bei sich zu Hause in der Küche umsehen. Dort findet sich eine Vielzahl von Gegenständen, mit denen man Menschen verletzen könnte. Glücklicherweise ist das herkömmliche Küchenmesser nicht dazu bestimmt, Menschen zu verletzen.
Gemeint sind damit vielmehr das berühmte Butterflymesser, Schlagringe, Teleskopschlagstöcke, Totschläger, Elektroschocker, Pfefferspray usw.
All diese Gegenstände liegen auf der Hand. Wer hätte aber gedacht, dass etwa auch der längst vergessen in der Ecke liegende Böller (ein Sprengkörper) von letztem Silvester, das Taschenmesser aus Zeiten bei den Pfadfindern oder die als Zierde gedachte Machete von der letzten Afrika-Expedition unter Umständen dazu gehören könnten? Wahrscheinlich die allerwenigsten. Bereits an dieser Stelle wird klar, dass man sehr schnell in den Bereich der Norm rutschen kann.
Andere Ansicht…..die Rechtsprechung! Der Bundesgerichtshof und mit ihm viele Oberlandesgerichte setzen die Grenzen viel weiter. Demnach reicht das „Bewusst gebrauchsfähige Mitführen der Waffe/des Gegenstandes“. Dies heißt im Klartext: Der Täter muss sich der Schusswaffe oder des Gegenstandes ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen können. Dazu gehört selbstverständlich der Griff in die Hosentasche, aber eben auch durchaus der Spurt in den benachbarten Raum oder das Öffnen des Handschuhfaches im Auto. Wichtig ist dabei das Kriterium der „Griffweite“. Der Täter muss also ohne allzu großes Zutun die Waffe oder den Gegenstand ergreifen können.
Da sind wir wieder bei unseren oben genannten Beispielen wie etwa dem in Vergessenheit geratenen Silvesterböller in der Ecke angelangt. Denn es geht noch weiter. Nach der Rechtsprechung ist eben keine Verwendungsabsicht erforderlich. Es spielt also keine Rolle, ob der Täter die Waffe oder den Gegenstand überhaupt im Ernstfall einsetzen will. Abstrakte Gefährdung, um wieder an den Anfang dieses Artikels zurückzukehren. So der Grundsatz auf Ausnahmen wird sogleich eingegangen.
Bleibt nach all diesen nicht gerade schön klingenden Fakten noch die Frage, wann der Tatbestand denn mal nicht verwirklicht ist. Auch wenn man es nunmehr kaum glauben mag, auch diese Fälle gibt es. Wie soeben ausgeführt, kommt es nicht auf eine Verwendungsabsicht an. Der 1. Strafsenat des BGH hat im Jahre 2010 hier doch eine kleine Differenzierung vorgenommen. Demnach bedarf es bei der Frage, ob der Täter den Gegenstand zur Verletzung anderer Menschen bestimmt hat, einer eingehenderen Begründung durch das Tatgericht, sofern der Täter einen alltagsgegenständlichen Gegenstand mit sich führte. Aus den Umständen des Falles müsste daher auch naheliegend sein, dass der Gegenstand zu anderen Zwecken mit sich geführt wurde. Im durch den Senat zu entscheidenden Fall hatte ein Hausmeister ein Messer dabei gehabt, das zu seiner technischen Ausrüstung gehörte.
Eine weitere Möglichkeit, das Vorliegen von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG aus rechtlichen Gründen zu verneinen, ist gegeben, wenn die Gefahr eines Waffeneinsatzes fernliegt.
Beispielsweise dann, wenn eine große Menge Betäubungsmittel im Keller gelagert wird und die Waffe in der Nähe hierzu liegt. Es handelt sich hierbei jedoch um Einzelfallentscheidungen, die keineswegs allgemeingültig sind. Es kommt wie immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an.
Schließlich kann der Tatbestand auch dann ausscheiden, wenn Waffe und Drogen sich zu Hause in unterschiedlichen Räumen befinden. Da ist man wieder bei dem Begriff der „Griffweite“ angelangt. Die Rechtsprechung hat dies in einem Fall verneint, in dem die Waffe in einem Tresor gelagert war, der sich in einem anderen Raum befand. Da mindestens 30 Sekunden bis zum Öffnen des Tresors erforderlich waren, verneinte man die „Griffweite“. Wie man sieht, hängt es oft an Kleinigkeiten, die eine Tatbestandsverwirklichung ausschließen. Hierin liegt aber zugleich auch die Gefahr, da die Rechtsprechung sehr einzelfallbezogen ist.
Tipps zur Vermeidung
Hier noch ein paar Tipps zur Vermeidung:
1) Natürlich am besten erst gar nicht Handel mit Drogen betreiben!
2) Sofern Punkt 1) unausweichlich sein sollte, ist es wichtig, nicht die Grenze zur nicht-geringen Menge zu überschreiten.
3) Auf keinen Fall Waffen oder Gegenstände, die andere verletzen können, in der Nähe von Drogen aufbewahren! Niemals also ein Messer oder Ähnliches neben dem Rauschgift deponieren.
4) Auch sonst darauf achten, dass nicht irgendwo im näheren Umkreis von Drogen sich die Waffen oder Gegenstände befinden, sei es auch nur der bereits viel zitierte Böller vom letzten Silvesterfest in der Zimmerecke.
Fazit
Der Gesetzgeber hat eine Norm geschaffen, mit der auf einfachstem Wege die Strafen in den Urteilen durch die Decke schießen können. Wie schnell man in den Dunstkreis dieser Norm geraten kann, hat das oben Gesagte aufgezeigt.
Die Tatgerichte haben dabei einen großen Spielraum und die Revisionsgerichte überlassen ihnen diesen (leider) auch noch. Nicht immer kann man sich auf das Glück verlassen, dass die Strafkammer in der Sache einen minder schweren Fall sieht und das Verfahren an ein niedrigeres Gericht abgibt. Zudem drohen dann im Falle der Verhandlung vor dem Schöffengericht ebenfalls bis zu 4 Jahre Haft. Der letzte Ausweg über den minder schweren Fall ist daher kein wirklicher.
Um effektiv einer hohen Strafe aus dem Weg zu gehen, sollte man sich erst gar nicht in die Nähe des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG begeben. Denn auch die aufgezeigten Gegenbeispiele sind lediglich strenge Kasuistik. Man sollte nicht darauf vertrauen, dass es „schon irgendwie gut gehen werde“ und das Tatgericht die Voraussetzungen verneint. Wie sich gezeigt hat, reichen Kleinigkeiten aus, um sehr schnell für viele Jahre hinter Gittern verschwinden zu können. Der kleine, aber feine Unterschied eben…..
Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit RA Thorsten Hönnscheidt, Partner bei Dr. Gau | Rechtsanwälte verfasst.