Lange war es still um das Thema Legalisierung von Hanf in der Schweiz. Bequem fährt man seit Jahren mit einer halbseidenen Bußgeldregelung, die weder Freigabe noch Strafverfolgung bedeutet. Doch nun nimmt die Debatte angesichts neuer Erkenntnisse, Entwicklungen und verstärkter Präsenz in der Öffentlichkeit wieder Fahrt auf.
Die Gesetze für den Besitz, Konsum und Anbau von Cannabis in der Schweiz waren schon seit Langem eher mild im internationalen Vergleich.
Schon in den frühen 90er-Jahren wurde verstanden, dass Prävention und Behandlung der bessere Weg sind, mit Cannabis umzugehen. Der Kriminalisierung von Konsumenten wird dort in größerem Konsens mit Ablehnung begegnet. Wenn ich, der ich lange Jahre in der Schweiz und in Grenznähe verbracht habe, eines über Schweizer verallgemeinern möchte, ist es ihre Fähigkeit, mit humorloser Sachlichkeit und außerordentlich vorurteilsfrei mit logischen Argumenten umzugehen.
Und so empfand ich immer schon, dass in Gesprächen auch mit konservativeren Bürgern das Thema Cannabis beinahe vollständig losgelöst von Klischees seriös und sachlich diskutiert werden konnte. Wenn man mit fundierter Argumentation in den Dialog geht, wird man ungeachtet aller Meinungsdifferenzen stets ernst genommen. Dies ist im Übrigen für mich in vielen Bereichen spürbar, so zum Beispiel in der Jugendarbeit oder der Umgang mit Subkultur. Doch zunächst ein kleiner Überblick über die Entwicklung der Rechtslage in der Schweiz:
Der Besitz von bis zu zehn Gramm Cannabis für den persönlichen Konsum wird mit einem Bußgeld von 100 CHF (entspricht ca. € 96) geahndet. Seit September 2012 wurde der Besitz von bis zu zehn Gramm mit dieser Regelung entkriminalisiert, denn in diesem Fall gilt der Besitzer nicht mehr als vorbestraft. Der Konsum kann ebenfalls – je nach der finanziellen Lage des Konsumenten – mit einem Bußgeld von 100 CHF oder mehr bestraft werden.
Bei wiederholtem Konsum ist mit höherem Bußgeld zu rechnen, dessen Höhe von den Finanzen des Konsumenten und der jeweils konsumierten Menge abhängt. In Fällen von Besitz von unter 10 Gramm oder dem Konsum werden also weder Freiheitsstrafen verhängt noch Zwangsmaßnahmen angeordnet.
Der Anbau ist zwar verboten, jedoch wird der Anbau für den Eigenverbrauch kaum geahndet und bei bis zu 4 Pflanzen oft ein Auge zugedrückt. Zwischen Mitte und Ende der 90er-Jahre war es schweizerischen Landwirten mit Lizenz sogar möglich durch eine Gesetzeslücke THC-reiches Hanf anzubauen, welches in „Duftsäckli“ verpackt seinen Weg zum Konsumenten über die Grow- und Headshops gefunden hatte.
Nachdem der Fachverband Sucht die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage veröffentlicht hatte, wonach zwei Drittel der schweizerischen Bevölkerung eine Freigabe von Cannabis befürworten, ist es nun an der Politik, dieses Signal wahrzunehmen und danach zu handeln. Eine dementsprechende parlamentarische Initiative der Grünen, die im Mai dieses Jahres eingereicht wurde, liegt vor.
Darin wird gefordert, Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz zu streichen. Gleichzeitig soll ein Bundesgesetz Anbau, Handel, Jugendschutz, Prävention und Besteuerung umfassend regulieren. Auch in den Medien ist die Legalisierung wieder gegenwärtig, sei es durch die gesetzlichen Entwicklungen in einigen Staaten der USA und in Südamerika oder durch die kürzlich in den schweizerischen Einzelhandel eingeführte CBD-Zigarette, die aufgrund ihres niedrigen THC-Werts von unter 1 % legal verkauft werden darf.
Schlagzeilen wie „Illegales Cannabis steht vor dem Aus“ in der Thurgauer Zeitung oder „Ein Hanfgesetz kann in 2 bis 3 Jahren stehen“ in der Zeitung 20 Minuten wecken in diesen Tagen den Eindruck, dass der kontrollierten Freigabe außer der Zeit nun nichts mehr im Weg steht und dass die Argumente und aktuellen Erkenntnisse ihren Weg in die Köpfe einer großen Mehrheit von Schweizern gefunden haben.
Und so heißt es in der NZZ vom 23.08.2017 völlig richtig:
„In einer freiheitlichen Gesellschaft gibt es keinen plausiblen Grund, Erwachsenen das Kiffen zu verbieten“.
Selbstverantwortung heißt hier das Stichwort. Und dieses Stichwort bezieht sich auf mündige Erwachsene. Denn entgegen der schwachen Argumentation einiger Legalisierungsgegner, ob in Deutschland oder der Schweiz, widerspricht die kontrollierte Abgabe von Cannabis an volljährige Bürger nicht dem Anspruch an den Jugendschutz. Im Gegenteil, gerade so können Herkunft, Qualität und Reinheit gewährleistet und vor allem das Alter der Kaufwilligen überprüft werden. Dies wird innerhalb des blühenden Schwarzmarktgeschäfts, welches Cannabis derzeit noch immer ist, sicher nicht geschehen. Es lohnt sich auf jeden Fall immer wieder den Blick zu unseren Nachbarn in der Schweiz zu richten. Gerade in Belangen der Rechte mündiger Bürger ist es nicht selten, dass sie uns einen Schritt voraus sind.