Die in Europa einzigartige Gesetzeslage, wonach Hanfstecklinge legal sind, solange man sie nicht in die Blüte schickt, hat dem Eigenanbau in Österreich zu einem ungeahnten Boom verholfen. Rund 300.000 Hanf-Stecklinge wandern mittlerweile monatlich offiziell als Zierpflanzen oder Raumluftverbesserer über die Tresen von einer mittlerweile dreistelligen Anzahl von Hanf-Shops.
Dem Trend zum Eigenanbau mit all seinen positiven Nebeneffekten wie etwa dem verringerten Straßenhandel und vor allem der in Europa überdurchschnittlichen Qualität – Eigenanbau ist die beste Qualitätskontrolle – hinkt allerdings die Politik hinterher. Nach wie vor werden österreichische HanffreundInnen durch die aus wissenschaftlicher Sicht falsche Inklusion von Cannabis im Suchtmittelgesetz (SMG) wegen des einzigen opferlosen „Verbrechens“ im österreichischen Strafrecht mit Strafe bedroht, sobald sie nur einen Joint in der Hand halten. Das doppelbödige Drogengesetz, in dem zwar der Konsum, aber nicht der Erwerb straflos bleiben, führt dazu, dass jährlich über 25.000 Cannabiskonsumenten wegen Kleinstmengen im Grammbereich einen teuren Canossagang durch die Mühlen des Gesundheitsapparats antreten müssen.
Nach Schätzungen des Wiener Hanf-Instituts auf Basis der offiziellen Polizei-Statistiken wendet der Staat unglaubliche 600 Millionen Euro oder umgerechnet fast 800 Euro für jedes Gramm beschlagnahmter Rauchware auf. Die Hanf-Freundinnen müssen deswegen sicher nicht vor einer leeren Bong sitzen: Von einem geschätzten Jahresverbrauch von rund 250 Tonnen landen jedes Jahr durchschnittlich gerade einmal 1,5 Tonnen oder 0,6 Prozent in die Asservatenkammer der Polizei.
2. Bürgerinitiative verspricht Rekordbeteiligung
In der Politik wird die Problematik auf breiter Front ignoriert. Eine erste Bürgerinitiative im Jahr 2014, bei der über 33.000 ÖsterreicherInnen für die Herausnahme von Cannabis aus dem SMG unterschrieben, erlitt im Parlament ein Begräbnis 3. Klasse. Doch die wachsende Zahl von Aktivisten lässt sich davon nicht bremsen. Eine noch in der Offline-Phase befindliche 2. parlamentarische Bürgerinitiative für den Cannabis-Eigenanbau durch Patienten konnte bisher schon über 25.000 Stimmen sammeln.
Initiator und Erstunterzeichner Patrick Krammer von der österreichischen Cannabis-Patientenvertretung ARGE Canna ist aufgrund des hohen Zuspruchs hoffnungsfroh, dass diese Bürgerinitiative die erfolgreichste jemals in der Geschichte dieses Instruments der direkten Demokratie wird: „Genau 7 von 20.000 Kontakten unserer Aktivisten beim Unterschriften sammeln waren noch der Meinung, dass Cannabis als Medizin nicht legalisiert werden soll. Das entspricht einer Zustimmungsquote von 99,96 Prozent.“
Terrormethoden gegen Cannabis-PatientInnen
Doch die Politik und die Strafverfolgungsbehörden führen den Krieg gegen das unschädlichste Genussmittel, das zugleich auch seit Jahrtausenden vielfältigste Heilpflanze ist, unbeirrt auf ihrem Holzweg weiter. Österreichs prominentester Cannabis-Patient, Wilhelm Wallner, kann davon ein trauriges Lied singen. Der seit einem Arbeitsunfall permanent unter Schmerzen auf einem Niveau von 9 auf einer 10er-Skala leidende Gründer des Cannabis Social Club Salzburg (CSCS) kann – auch durch etliche ärztliche Fachgutachten bestätigt – nur durch den Konsum vom medizinischen Cannabis seine Schmerzen lindern.
„Mir haben die Ärzte von Morphium bis zu den schwer abhängig machenden synthetischen Opiaten alles gegeben und nichts hat geholfen. Bis mir dann ein Freund einen Joint gegeben hat und ich das erste Mal seit Jahren wieder einmal durchschlafen konnte“, schildert der joviale Flachgauer seinen Weg zum Hanf.
Im Rahmen des CSCS versucht Wallner seither mittlerweile fast 200 schwer kranke Menschen – die älteste Hilfesuchende ist 92 Jahre alt – mit der Heilpflanze ihrer Wahl zu versorgen.
Seine Bemühungen werden ihm vom Staat, der mit der Legalisierung von Cannabis jährlich eine Milliarde Euro einsparen könnte, jedoch übel genommen. Bisher insgesamt 9 Hausdurchsuchungen, bei denen Clublokal und Privatwohnung verwüstet, Bargeld, Computer und Telefone beschlagnahmt wurden, konnten den Willen des Pioniers für Hanf als Heilpflanze nicht brechen. Trotz aller medizinischen Atteste will ihn der Staatsapparat vor den Kadi zerren.
Vorreiter Deutschland
„Es kostet sicher einen hohen sechsstelligen Betrag, wenn 40 Polizeiinspektionen in ganz Österreich noch dazu mit illegalen Methoden 170 Kranke verhören, um herauszufinden, ob sie von Herrn Wallner Cannabis-Präparate aus natürlichen Blüten erhalten haben. Wir sehen das als eindeutigen Einschüchterungsversuch, weil er sicher der aktivste aller Cannabis-Proponenten in Österreich ist“, kritisiert der Präsident des Hanf-Instituts, Toni Straka, die Rambo-Methoden gegen kranke Menschen.
Er hofft, dass die kürzliche Legalisierung von natürlichem Cannabis als Medizin in Deutschland wieder zu einer belebteren Diskussion und der endgültigen Abkehr von überkommenen Cannabis-Dogmen führt. „Auf Basis von US-Daten könnte in Österreich Cannabis für rund 200.000 Menschen das Heilmittel erster Wahl sein“, sagte Straka und stellte die Frage: „Will die Republik Österreich wirklich weiterhin Milliarden mit der Verfolgung der Schwächsten unserer Gesellschaft, den Kranken, verschwenden? Wir hoffen, dass endlich Menschlichkeit Einzug in die Drogenpolitik hält.“