Während in Deutschland mit Spannung das nächste Jahr erwartet wird und man darauf warten kann, wie sich die Bundesregierung bezüglich des „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (CanG)“ entscheiden wird, macht das Nachbarland Niederlande einen wichtigen Schritt in Richtung vollständige Legalisierung.
Da dort bislang nur eine Duldungspolitik angewandt wurde, die zwar den Verkauf kleiner Mengen Cannabis an Konsumenten erlaubte, jedoch den Einkauf der Coffeeshops dem Schwarzmarkt überließ, hat man auch dort erkannt, dass diese Herangehensweise nicht das Gelbe vom Ei darstellt. Deswegen hat man sich vor einigen Jahren in den Niederlanden auch dazu entschieden, herausfinden zu wollen, was für Veränderungen eintreten, wenn man den gesamten Komplex in legale Bahnen lenkt und die Verfügbarkeit des natürlichen Genussmittels unter staatliche Kontrollen stellt.
So wurden Ende 2020 verschiedene Produzenten ausgelost, die die Genehmigung erhielten, Cannabis für ein Pilotprojekt legal anbauen zu dürfen, um damit zukünftig 80 Coffeeshops beliefern zu können. Nachdem der Start des Projektes mehrfach verschoben wurde, obwohl die Hersteller schon früh bereit für die Auslieferungen waren, hat jetzt in zwei Städten der Verkauf des sogenannten „Staatswiet“ begonnen.
Produktion, Lieferung und Rauchen legal
In Breda und in der Nähe von Tilburg haben die ersten Coffeeshops der Niederlande jetzt erstmals wirklich legales Cannabis zum Verkauf an Konsumenten in ihren Räumlichkeiten vorrätig. In diesen beiden Städten können Cannabiskonsumenten zum ersten Mal legal rauchen, da die Behörden einen Versuch starteten, der die Toleranz betreffend Marihuana auf die volle Legalität ausweiten soll. Bislang befand sich Cannabis in einer rechtlichen Grauzone, die die Regierung mit dem vierjährigen Versuch zu beseitigen versucht.
Seit den 1970er-Jahren verfolgen die Niederländer schließlich nur eine Toleranz-Politik, die den Konsum kleiner Mengen Cannabis zwar als illegal einstuft, aber die Polizei auf die Durchsetzung des eigentlich geltenden Gesetzes nicht ansetzt. Die Herstellung von Cannabis und die Belieferung von Coffeeshops ist jedoch ebenfalls illegal, wird aber nicht geduldet, sodass Produzenten und Coffeeshop-Besitzer bislang stets im Verborgenen agieren mussten.
Da dies zur Beteiligung von kriminellen Banden geführt hat, was ebenfalls zu einem Anstieg der Kleinkriminalität und des asozialen Verhaltens führte, hofft man seitens der Gesetzgebung nun darauf, dass diese Situation zu einem Besseren verändert werden kann, wenn das jetzt gestartete Pilotprojekt erfolgreich ist. Gesundheitsminister Ernst Kuipers sagte daher am Freitag, dass es ein historischer Moment wäre, als er im Café Baron in der südlichen Stadt Breda die erste Schachtel mit legalem Cannabis einscannte.
Sauber, getestet, pestizidfrei
Kriminelle Organisationen hätten den illegalen Markt übernommen, sodass die Coffeeshop-Besitzer vom kriminellen Markt abhängig waren, was aufzuhören hätte, sagte der Bürgermeister von Breda, Paul Depla, gegenüber Agence France-Presse. Daher haben jetzt eine Handvoll Cannabisfarmen die Lizenz zur legalen Produktion erhalten, deren Cannabis genau überwacht wird, bevor es an die Coffeeshops ausgeliefert wird. Vorteile für die Konsumenten entstehen dabei unverzüglich, da ihnen jetzt garantiert werden könne, ein qualitativ hochwertiges Produkt zu erhalten.
Zuvor war es unmöglich in Erfahrung zu bringen, woher das Cannabis kam oder ob es in irgendeiner Art und Weise künstlich aufbereitet wurde. „Das Produkt wird sauber, getestet und pestizidfrei sein“, sagte Ashwin Matai, der Anbaudirektor der Holland High Farm, die ab Februar legal Coffeeshops beliefern werden, bezüglich dieser Tatsache. Dazu würden der Gehalt von THC und CBD gemessen werden, sodass die Konsumenten die tatsächliche Stärke ihrer Joints einschätzen können. Aus der Sicht der öffentlichen Gesundheit hatte man bislang keine Kontrolle über den gesamten Prozess.
Man konnte auch keine Überprüfung einer möglichen Kontamination der Produkte vornehmen, was nun alles möglich wäre, erwähnt Gesundheitsminister Kuipers diesbezüglich. Zusätzlich werden unabhängige Forscher den Prozess des Pilotprojektes im Hinblick auf eine eventuelle Entkriminalisierung im gesamten Land überwachen.
Abschied von der unlogischen Herangehensweise
Auf theguardian.com wird durch ein Zitat des Bürgermeisters von Breda ganz klar, dass der bisher eingeschlagene Weg endlich verändert gehörte. Paul Depla sagt dort, dass er es alle froh machen würde, sich endlich von einer Politik verabschieden zu können, die „heuchlerisch und unlogisch“ gewesen sei. Dies sei für ihn sicher. Doch auf die Frage, ob das Pilotprojekt zu einer Legalisierung anderer Drogen führen könnte, zeigte er sich vorsichtig. „Lassen Sie uns mit der Legalisierung von Cannabis beginnen und dann sehen wir, was passiert, denn ich denke, dass einige Leute auch Angst haben, dass es zu mehr Abhängigkeiten führen wird“, so der Bürgermeister.
Hingewiesen wird auf dem genannten Nachrichtenportal aber auch noch, dass mit Geert Wilders ein unbekannter Faktor in die Entwicklung hineinspielt. Seine „Partij voor de Vrijheid“ hatte bei den Parlamentswahlen im letzten Monat 37 Sitze gewonnen und steht dafür ein, die Toleranzpolitik abzuschaffen und sich für „drogenfreie Niederlande“ einzusetzen. Auch in Holland gibt es damit wohl noch einige Hardliner der alten Schule, die von Wissenschaft und tatsächlichen Lebensrealitäten nicht wirklich etwas wissen wollen …
Mit Linksblick auf Deutschland
Da es hierzulande im CanG betreffend Pilotprojekten zwar Überlegungen gibt – die sogenannt zweite Säule – sich die Regierung aber schwertut, insgesamt zu Potte zu kommen, gibt es aufgrund der Entwicklungen in den Niederlanden eine Resonanz von der Linkspartei. In einer Nachricht an Journalisten sagt Ates Gürpinar, der stellvertretende Parteivorsitzende und Drogenpolitiker der Linkspartei, Folgendes zu dem Start des Verkaufs von legalem Marihuana in Holland: „Die Niederlande strafen Gesundheitsminister Lauterbach Lügen, wenn er die Verschleppung einer zeitgemäßen Cannabis-Legalisierung auf die EU schiebt.
Bei der Legalisierung des Anbaus sind die Niederlande einmal mehr Vorreiter und zeigen, was in Europa möglich ist.“ Damit wäre klar, was bei der Ampel-Regierung fehle. Es wäre nicht die Möglichkeit zu einer zeitnahen wirklichen Cannabis-Legalisierung, es sei der politische Wille. Gerade aus gesundheitspolitischer Sicht wäre die Regulierung und Kontrolle des Anbaus von Cannabis notwendig, um ungesunde Beimischungen vermeiden und sich von der Profitlogik bei Suchtmitteln entfernen zu können. „Die Ampel muss endlich die Weichen stellen für eine wirklich sinnvolle Drogenpolitik“, so Gürpinar.