Zwei Mal scheiterte das Gesetz, dass die medizinische und die industrielleNutzung von Cannabis legalisieren sollte. Diesen Donnerstag beschloss die Regierung des Maghreb-Königreichs das Gesetzesprojekt „13-21“. „Kif“- und Haschisch-Konsumenten werden jedoch weiter strafrechtlich verfolgt.
Marokko wird Mitglied im erlesenen Club arabischer Staaten, die wie etwa der Libanon, Cannabis zumindest für die medizinische Nutzung legalisieren. Bürger und auch Cannabis-Touristen, die seit Dekaden und der Hippie-Ära ins Rif-Gebirge um Chefchaouen und Ketama „pilgern“, müssen jedoch weiterhin auf der Hut sein. Ein Kommuniqué des Ministerrats, das die spanische Nachrichtenagentur Efe aufgriff, betont „den rekreativen Konsum weiter strafrechtlich zu verfolgen“.
Ein Eckpunkt des Gesetzes „13-21” ist die Schaffung einer staatlichen Cannabis-Agentur, ein Monopol zur Kommerzialisierung der Produktion, seien es Blüten, Extrakte oder Ähnliches. Die Agentur wird über alle Schritte wachen, von der Aussaat über die Wachstumsphase, die Ernte und Weiterverarbeitung bis zum Endverbraucher – und den Export. Ein Eckpunkt ist auch, dass kleinere Cannabis-Bauern fortan legal produzieren werden dürfen. Aber ausschließlich dann, wenn sie sich in landwirtschaftlichen Kooperativen organisieren. Im Gesetz wird auch verankert, dass Cannabis-Bauern, die außerhalb des legalen Rahmens Anbau betreiben, bestraft werden. Wie das im Rif-Gebirge aufgenommen wird, wird sich zeigen. Seit Jahren brodelt es hier, da man sich von der Regierung im Stich gelassen fühlt, was der Auslöser der marokkanischen „Hirak“-Proteste war. Hunderte Aktivisten wurden teils zu sehr langen Haftstrafen verurteilt.
Dem Gesetzesbeschluss stand in Rabat so gut wie keine Opposition entgehen. Einige Mitglieder der moderat-islamistischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) haben Kritik geäußert. Die PJD ist die stärkste Fraktion in der aktuellen Regierung und stellt die Bürgermeister aller großen Städte des Landes. Der heftigste Kritiker war Ex-Premier und PJD-Urgestein Abdelilah Benkiran, der in einem in marokkanischen Medien publizierten offenen Brief mit seinem Austritt aus der Partei drohte, sollte das Gesetz beschlossen werden.
Das Gesetz muss von beiden Kammern des Parlaments in wenigen Monaten der Debatten angenommen werden, wofür die Regierungsmehrheit von Premier Saadeddine Othmani (PJD) ausreichen würde. Doch im Oktober stehen Parlamentswahlen in Marokko an, das von der Covid-19-Pandemie in eine schwere Wirtschaftskrise gestürzt wurde. Vor allem der Tourismus kam gänzlich zum Erliegen. Parallel dazu muss auch der Rahmen über Dekrete geschaffen werden, um Anbauflächen zu klassifizieren. Ein nicht unbeträchtliches Problem für Marokkos Cannabis ist auch der Jahrzehnte lange Einsatz von Kunstdüngern und Pestiziden, die in den Rif-Böden und im Grundwasser angereichert sind.
Gemäß der UN-Drogenbehörde ist Marokko unangefochten weltgrößter Cannabisproduzent für den illegalen Markt. Demnach gibt es etwa 47.000 Hektar Cannabis-Anbaufläche (eine Zahl, die seit einer Dekade nicht offiziell von der UNO aktualisiert wurde). Hauptgrund für das Umdenken in Marokko hin zu legaler Produktion war die Abstufung der Pflanze aus der UN-Drogenliste und die Zuerkennung, dass Cannabis medizinischen Nutzen hat vom 3. Dezember 2020.
Zwar steht auch die Straffreiheit für den Konsum und Besitz kleiner Mengen wieder zur Debatte unter dem Schlagwort „Cannabis-Kultur“, die Marokko seit vielen Jahrzehnten, manche meinen Jahrhunderten – die ersten Hanfsamen sollen arabische Eroberer im 7./8. Jahrhundert ins Rif gebracht haben, prägt. Dass eine solche auch umgesetzt wird, ist dennoch unwahrscheinlich. Der illegale Schwarzmarkt bringt Marokko Schätzungen zu Folge über 100 Mrd. Dirham, knapp 10 Mrd. Euro ein, schreibt die Wochenzeitung Tel Quel sowie: Zwischen 90.000 und 140.000 Familien leben vom Anbau des „Kif”, besagt eine Erhebung des Think-Tanks Prohibition Partners.