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Eine drogenpolitische Gegenüberstellung restriktiver und fortschrittlicher Länder, Teil 1
Da in diesem Jahr Cannabis auf UN-Ebene reklassifiziert werden soll, kommt dem ein oder anderen vielleicht in den Sinn, dass wir diese Entscheidung nicht alleine fällen. Viele andere Staaten, mit teilweise gänzlich unterschiedlichen Einstellungen zu Drogen oder Cannabis als Medizin, sitzen ebenfalls im CND (Commission on Narcotic Drugs) und haben Abstimmungsrecht.
Da kann einem schon etwas mulmig zumute werden, wenn man an die Türkei, China oder die Philippinen und ihre Art der Kriminalitätsbekämpfung denkt. Manch einer hat auch noch gar nicht über den Tellerrand geschaut, um sich einmal mit der internationalen Drogenpolitik zu befassen. Spätestens jetzt, wo nicht nur die Gesetze im Urlaubsland, sondern die Einstellung vieler anderer Länder zu Cannabis als Medizin eine Auswirkung auf unsere eigenen Möglichkeiten hat, sollten wir dies aber einmal tun. Growcola (online Cannabis Magazin) hat einen Cannabis-Forschungsindex erhoben, der zeigt, wie viele Studien zu Cannabis in diesen Ländern jeweils gemacht wurden (Stand 21.4.2020). Er ist der Erste seiner Art, unterscheidet aber nicht zwischen staatlich und privat geförderter Studie. Auch macht er keine Angabe über die Höhe der zur Verfügung gestellten Fördergelder.
Die Informationen über die Anzahl der Studien der jeweiligen Länder wurde Clinical Trials gov. (eine weltweite Datenbank für private und staatliche Humanstudien) entnommen. Ins gesamt hat Growcola 508 klinische Studien aufgetan, welche sich um Cannabis oder Cannabis enthaltende Medikamente drehten. Dieses Wissen werden wir mit der Drogenpolitik der Länder verknüpfen, um herauszuarbeiten, ob die Einstellung zu Cannabis als Medizin direkt mit dem Wissensstand verknüpft ist. Keine Ahnung, keine Medizin? Sollte es so einfach sein? In den nächsten Wochen gibt es einmal wöchentlich einen Vergleich zwischen einem liberalen und einem restriktiven Land. Teilweise sind die Grenzen fließend, wobei sich jedoch, verlinkt mit der Studienlage, der Staatsform und der Wirtschaft des Landes, deutliche Trends erkennen lassen.
Die Lage in Israel
Israel hat 8.714.000 Einwohner und es auf ganze 21 Cannabisstudien gebracht. Dies bringt Israel Platz 4 auf der Weltrangliste der Cannabisstudien ein. Und auch sonst ist dieses Land, für seine strenge religiöse Haltung, was medizinisches Cannabis betrifft, äußerst fortschrittlich. In Israel ist medizinisches Cannabis nämlich schon seit 1999 legal. Auch die Entdeckung und Isolation des THC Moleküls in den 1960er-Jahren haben wir einem Israeli, nämlich Raphael Mechoulam, zu verdanken. Seit dieser Entdeckung hat sich eine große Medizinindustrie bezüglich Cannabis entwickelt, und Israel steht seit Jahren mit an der Spitze der Cannabisforschung. Außerdem ist laut Statistik Cannabis die am häufigsten verwendete Droge – 27 % der 15 – 65-Jährigen gaben an, im letzten Jahr Cannabis konsumiert zu haben.
Rein traditionell wurde Cannabis in Israel seit Jahrhunderten, wenn nicht seit Jahrtausenden verwendet. Allerdings geht eine solche Legalisierung auch im Morgenland nicht ohne Turbulenzen über die Bühne, und so war es in den ersten Jahren beinahe unmöglich, an eine Cannabismedizin zu kommen; nur wenige profitierten von der Legalität. 2007 wurde dann endlich ein offizielles medizinisches Cannabisprogramm eingeführt, was eine kostenlose Behandlung der Patienten durch lizenzierte, gemeinnützige Einrichtungen ermöglichte. Seitdem kann der Patient mit einer Genehmigung der Regierung sein Medikament direkt beim Lieferanten bestellen. Dazu stellt ein spezialisierter Arzt den Antrag im Namen des Patienten, worauf dieser von einem Oberarzt geprüft und genehmigt oder abgelehnt wird (der Antrag, nicht der Arzt). Im selben Jahr vergab Israel auch die erste Lizenz für den Anbau von medizinischem Cannabis.
Doch schauen wir uns doch erst einmal an, was man darf und wie Dinge bestraft werden, die man nicht darf. Uns alle interessiert sicher, ob man dort dem Freizeitkonsum frönen darf und da kommt gleich die erste große Enttäuschung. In Israel ist der Freizeitkonsum verboten, und die Strafen sind unmissverständlich. Es sind nicht nur Handel und Anbau, sondern auch Konsum und Besitz bei hohen Strafen verboten. Zwar wurde für Einheimische der Besitz 2019 zum Glück teilweise entkriminalisiert, doch für Touristen, welche ihr ja im Zweifelsfall wärt, gilt diese Regelung NICHT! Es ist Einheimischen seit 2019 zwar nicht erlaubt, im eigenen Haushalt kleine Mengen zu besitzen und zu konsumieren, aber es ist auch nicht mehr strafbar, und somit entkriminalisiert.
Sollte derjenige allerdings mit derselben Menge in der Öffentlichkeit erwischt werden, als geringe Menge zählt alles bis 15 g, drohen ihm beim ersten Mal 275 $ Strafe, beim zweiten Mal wird die Buße verdoppelt, und beim dritten Mal wird der Vorfall strafrechtlich behandelt. Allerdings kann stattdessen auch einfach der Führer- oder Waffenschein entzogen werden, was zweifellos eine äußerst empfindliche Strafe ist. An sich ist der Besitz aller Teile der Pflanze verboten, es sei denn, man hat sie von einem Arzt oder Apotheker erhalten. Nur das Öl aus Hanfsamen ist frei verkäuflich. Die Strafen sind hart, sie betragen 20 Jahre für Handel, Ein- oder Ausfuhr, bei erschwerenden Umständen sogar 25. Auf den bloßen Besitz stehen ebenfalls 20 Jahre, oder eine Geldbuße von umgerechnet 1,5 Millionen Dollar. Auch Verkauf und Lieferung drogenbezogener Utensilien, zum Beispiel für den Cannabisanbau, gelten als eine schwere Straftat und werden strafrechtlich verfolgt. Im Zuge dessen kann auch das gesamte in den vergangenen 8 Jahren angehäufte Vermögen konfisziert werden.
Dazu soll allerdings gesagt sein, dass es auch in Israel starke regionale Unterschiede hinsichtlich der Rechtsprechung gibt. Ist das Kiffen in Tel Aviv beispielsweise sehr verbreitet und wird selten geahndet, so kann dasselbe Vergehen in Galiläa oder Südisrael zu sehr konsequenten Strafen führen. Der Anbau und selbst der Kauf von Samen sind ebenfalls eine Straftat, überraschenderweise ist CBD seit 2016 in Israel legal, allerdings nur, wenn dieses von einem Apotheker abgegeben wurde. Die CBD-Industrie dort boomt so sehr, dass inzwischen mehre israelische Unternehmen ihr CBD weltweit exportieren. Auch der Industriehanf hat seit der Legalisierung des Anbaus und Exportes 2019 enorm an Bedeutung für die israelische Wirtschaft gewonnen. Kaum zu glauben, aber inzwischen unterhalten sie die weltweit größte Produktion, welche auf 8 Unternehmen verteilt ist.
Es gibt in Israel viele Parteien, die die vollständige Legalisierung befürworten, so zum Beispiel Hadash, Meretz oder die rechte Zehut; aber auch sehr viele Gegner sind zu verzeichnen, so etwa religiöse Parteien und die rechte Union. Alles in allem ist Israel ein Land, in dem man schon sehr lange sein Cannabis als Medizin erhalten kann, und das stetig Fortschritte im Hinblick auf Cannabiswirtschaft, -legalisierung, -forschung und -strafrecht macht. Um uns anzusehen, wie es auch sein kann, blicken wir 800 km über den Teich nach Singapur…
Die Lage in Singapur
Singapur ist ein Inselstaat, welcher aus einer Hauptinsel, drei größeren und 58 kleineren Inseln, mit ins gesamt 5.639.000 Einwohnern besteht. Singapur hat so einiges vorzuweisen, aber nicht eine einzige cannabisbezogene Studie. Die Gesetzeslage bezüglich Cannabis kann man ebenso kurz halten wie die Studien… VERBOTEN! Schon im Flugzeug findet man, während man von endlosen Sandstränden und einem entspannten Smoke Inn träumt, Hinweise auf die in Singapur noch existente Todesstrafe. Nächstes Mal doch lieber nach Spanien? Schauen wir uns dieses Paradies erst mal näher an.
In Singapur sind Herstellung, Einfuhr, Handel und Konsum verboten. Auf den Besitz größerer Mengen Cannabis (200 g Hash oder 500 g Gras) steht die Todesstrafe. Es wird automatisch von Handel ausgegangen, was dadurch problematisch werden kann, dass die Beweispflicht in Singapur, im Gegensatz zu den meisten Ländern, bei dem Beschuldigten liegt. Auf den Konsum von Cannabis steht das Auspeitschen, bis zu 3 Jahre Lager, bis zu 10 Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe 20.000 Singapur Dollar. Da man sich das Ausmaß dieser Maßnahmen bezogen auf die Bevölkerungsgröße schlecht vorstellen kann, hier ein Vergleich: Singapur hat 25 Mal weniger Einwohner als Deutschland, und hängt jährlich 50 – 80 Menschen wegen Drogen.
Der nach den Daten des Weltdrogenreports geschätzte jährliche Konsum Singapurs liegt bei ca. 20 kg, während Berlin, welches ein Drittel weniger Einwohner hat, jährlich ca. 11,6 Tonnen harzt. Seit etwas über einem Jahr geht allerdings eine seltsame Entwicklung vor sich. Es wurde für 20 Millionen Dollar ein nationales Programm zur Herstellung von synthetischen Cannabinoiden für Medizin aus dem Boden gestampft. Es wird im Zusammenhang mit diesem Projekt immer wieder konkret auf die Möglichkeiten im Labor verwiesen. Dem Kampf gegen natürliches Cannabis fallen immer noch Menschen zum Opfer, während derselbe Wirkstoff synthetisiert Geld in die Staatskassen spülen soll. Es ist zum Verzweifeln. Kanada ist übrigens seit der Legalisierung so umsichtig, seine Bürger vor der Einreise nach Singapur zu warnen, und zwar, weil es in Singapur erlaubt ist, bei Einreise einen Drogentest zu machen.
Sollte dieser positiv sein, kommt es zur Verhaftung und Anklage, auch wenn das Cannabis nicht in Singapur konsumiert worden ist. Das gilt natürlich für jeden Konsumenten, und nicht nur für die Kanadier. Angesichts dieses Albtraums relativiert sich in manchem Kopf vielleicht auch die Lage in Deutschland etwas. Es fühlt sich zwar an wie ein Kampf gegen Windmühlen, aber auch wenn sich deutsche Eichhörnchen mühsam ernähren, sie tun es! In der nächsten Woche werden wir uns den Arabischen Emiraten und dem United Kingdom zuwenden, denn schlimmer geht immer.