Eine drogenpolitische Gegenüberstellung restriktiver und fortschrittlicher Länder
Die Lage in Nordkorea
Nordkorea oder „Die Demokratische Volksrepublik Korea“ ist ein diktatorisch-kommunistisch regierter Staat in Ostasien. Das Land mit 25.549.604 Einwohnern gilt als weltweit restriktivstes System der Gegenwart. Es ist berühmt für schwere Menschenrechtsverletzungen, Raketensysteme und ein Kernwaffenprogramm. Alles in allem kein Land, dem man eine Cannabisstudie oder Ähnliches zutraut, und es gibt auch keine.
Das Gerücht
Vor etwa 4 Jahren wurde vom Radio Free Asia, und diversen Zeitschriften aus unterschiedlichen Ländern schon früher das Gerücht in die Welt gesetzt, Cannabis wäre in Nordkorea legal. Außerdem würde es dort zu Spottpreisen an Touristen verkauft. In Deutschland streute dieses Gerücht, welches wahrscheinlich auf verschiedenen Missverständnissen beruhte, unter anderem das Vice Magazin. Die Wahrheit ist, dass dort oft Nutzhanf gepflückt und auf dem Markt als billiger Tabakersatz verkauft wird, erzählt Troy Collins, welcher Geschäftsführer von „Young Pioneer Tours“ ist.
Er hält sich regelmäßig im Land auf, und muss natürlich auch Touristen über die Gegebenheiten dort aufklären. Natürlich enthält dieser Hanf kein oder nur geringfügig THC, denn er stammt wahrscheinlich von Nutzhanffeldern. Der wild wachsende Hanf dort dürfte nämlich einen THC-Gehalt besitzen. Auch der Journalist Keegan Hamilton bestätigt, es gäbe zwar Menschen, die sich trauen, dort privat anzubauen, doch alles andere seien Gerüchte. Außerdem ist ein Gemisch aus Tabak und getrockneten Kräutern dort sehr beliebt und verbreitet. Es wird in der Pfeife geraucht und nennt sich „Ip Dambae“.
Es ist von Aussehen und Geruch eventuell mit Cannabis zu verwechseln, wenn man sich schlecht auskennt. Diese Gerüchte basierten zum Großteil auf Berichten Reisender, da es sonst kaum möglich ist, aus diesem „abgeriegelten“ Land Informationen zu bekommen. Südkorea hingegen hat Cannabis für medizinische Zwecke in „nicht psychoaktiven Dosen“ legalisiert, und sich dabei am deutschen Modell orientiert – und das ist kein Gerücht.
Das Gesetz
In Nordkorea wird Cannabis laut der Auskunft einiger Journalisten wie Heroin und Kokain eingestuft und bestraft. Sie gelten dort als „kontrollierte Substanzen“ und sind selbstredend, wie alle Drogen, illegal. Nordkorea ist ein Land, in dem auch Todesstrafen nicht unüblich sind. Die Death Penalty Worldwide – Datenbank der Cornell University in New York bestätigt jedenfalls, dass in diesem Land regelmäßig Hinrichtungen stattfinden, und dass Drogenbesitz, -handel und -konsum manchmal mit dem Tode bestraft werden. Das haben wir ja in dieser Artikelreihe schon gelernt. Singapur, die Philippinen oder Thailand halten den Tod ja ebenfalls für ein adäquates Mittel, jemandem vom Rausch abzuhalten.
Nichts Genaues weiß man nicht, doch auch die Cornell University stellt Vermutungen in diese Richtung an. Der schwedische Botschafter Torkel Stiernlöf, welcher Ansprechpartner und Vermittler in Notfällen für amerikanische Touristen ist, erzählt, dass mit straffälligen Ausländern rigoros umgegangen würde, primär mit Amerikanern. Dies wird umso plausibler, wenn man hinterfragt, warum ein Schwede der Ansprechpartner für Amerikaner in Not ist. Die USA unterhalten keine diplomatischen Beziehungen zu Nordkorea. Und wenn man sich die Geschichte von Otto Warmbier zu Gemüte führt, kann man ihnen das auch nicht verübeln.
Otto Warmbier war ein US-amerikanischer Student, welcher im Jahr 2015 über den Jahreswechsel Urlaub in Nordkorea machte, und später in Hongkong ein Auslandssemester absolvieren wollte. Er wurde beschuldigt, ein Propagandabanner in seinem Hotel gestohlen zu haben, was die Menschen, die ihn kannten, einschließlich der Reiseleiterin, für sehr unwahrscheinlich hielten. Er wurde in einem Schauprozess zu einem hanebüchenen Geständnis gezwungen, und zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt. Ein Jahr später wurde er, im Koma liegend, aus humanitären Gründen in die USA überstellt, wo er infolge seiner Hirnverletzung nach wenigen Tagen verstarb. Was auch immer diesem jungen Mann passiert ist – es passierte ihm, weil Nordkorea gern öffentliche Exempel statuiert. Die Frage, ob man in Nordkorea Gras kaufen oder kiffen darf oder sollte, erübrigt sich sicher an dieser Stelle.
Industrielle Nutzung
Paradoxerweise ist Nordkorea ein Land, welches Unmengen Nutzhanf produziert. Die Koreaner nutzen Hanf nachweislich schon seit mindestens 3000 v. Ch., denn es gibt unter anderem einen Fund eines in eine Nadel eingefädelten Hanfgarns. Offenbar war es im alten Korea schon ein wichtiger Rohstoff. Laut Robert Connell Clarke, der sicher jedem ein Begriff ist, gibt es sogar Zahlen zu diesem Fakt. Im Jahr 2004 soll Nordkorea ca. 27.500 Hektar zum industriellen Anbau von Hanf genutzt, und damit 12.800 Tonnen Hanf produziert haben. Es wäre damit der drittgrößte Produzent von Hanf weltweit – gleich nach China und Spanien.
Es scheint auch eine essenzielle Einnahmequelle der Bevölkerung zu sein, denn als 2008 plötzlich die Hanfsäckle der Bauern in P’yongan beschlagnahmt, und die legale Menge auf 3 Säcke pro Bauern gesenkt wurde, entstand großer Unmut in der Bevölkerung. Das ist für dieses Land schon viel, und als „Auflehnen“ zu verstehen. Lassen wir nun die armen Nordkoreaner allein, und wenden uns einem Land zu, dass uns gerne mehr über seine Politik erzählt.
Die Lage in Uruguay
Uruguay oder Republica Oriental del Uruguay (Republik östlich von Uruguay) ist ein Staat in Südamerika, und das kleinste spanischsprachige Land Südamerikas. 3.360.148 Einwohner leben in dem Land, das als Erstes weltweit Cannabis komplett legalisiert hat. Der Wahlspruch Uruguays lautet: Freiheit oder Tod, und sie haben sich für Freiheit entschieden.
Die Regierung
Im Dezember 2013 hat Präsident Jose Mujica Uruguay zum ersten Land der Moderne gemacht, in welchem Cannabis komplett legal ist. Generell hatte Uruguay den Besitz von Drogen nie kriminalisiert. Die Regierung führte im Jahr 1974 lediglich ein Gesetz ein, welches den privaten Besitz vom kommerziellen Besitz unterscheidet und ihr so ermöglichte, den Handel zu bestrafen. 2012 wurden die ersten Pläne zum staatlichen, kommerziellen Verkauf von Cannabis aufgestellt.
Der Grund? Uruguays Regierung hat die Legalisierung auf den Weg gebracht, um den illegalen Drogenhandel zu unterbinden, und die Bevölkerung vor gesundheitlichen Schäden zu schützen bzw. diese einzudämmen. Und tatsächlich ist der Ertrag aus Drogenschmuggel, die Gewalt und die sozialen Probleme signifikant zurückgegangen. Uruguay hat heute sogar eine der niedrigsten Mordraten Südamerikas. Die Zahlen gehen seit 2013 zurück. Nobelpreisträger Marion Vargas Llosa z. B. (Nobelpreis für Literatur 2010) lobte die Entscheidung der Regierung als couragiert. Die Regierung hat sich ebenfalls vorgenommen, Oberhäupter anderer Länder davon zu überzeugen, es ihnen gleichzutun.
Das Gesetz
Die Uruguayer waren schlau, denn sie nutzen zur Regulierung ihres Cannabis einfach das bestehende System zur Regulierung von Alkohol, Tabak und Pharmazie. In Uruguay ist es inzwischen möglich, Cannabis in der Apotheke zu kaufen, es zu Hause privat anzubauen oder es in Growingclubs mit anderen gemeinsam zu ziehen. Die Möglichkeit des Eigenanbaus besteht seit 2014. Man darf im privaten Haushalt bis zu 6 Pflanzen besitzen, im Growers Club bis zu 99 Pflanzen im Jahr. In diesen Growers Clubs muss man sich zur Kontrolle registrieren, was von Oktober 2014 bis August 2015 auch 2743 Grower taten. Die Anzahl der Mitglieder ist auf 15–45 festgelegt. Jeder von ihnen darf im Jahr 480 g Cannabis von dort mitnehmen.
Jeder registrierte Bürger darf also im Monat, genau wie bei allen anderen Erwerbsformen 40 Gramm besitzen und konsumieren. Cannabis als Nichtpatient in der Apotheke kaufen zu können, ist ein neueres Privileg, denn ganze vier Jahre stellten sich die Apotheken (AQFU) quer. Die Apotheker hatten Angst, da sie den Dealern nun das Geschäft streitig machten, dass es zu Racheakten kommen würde. Diese blieben allerdings aus, und so verkaufte eine Apotheke am ersten Tag des Verkaufs, genauer gesagt in den ersten sechs Stunden, 1250 Packungen Cannabis. Die Warteschlange war zeitweise zweireihig. Allerdings machten einige Apotheker den Schritt wieder zurück, da ihnen die Banken drohten, die Konten zu schließen. Die Banken in Uruguay sind oft Kreditnehmer amerikanischer Banken, und diese haben strengere Gesetze, was mit BTM verdientes Geld angeht. Aus Angst stellten einige Apotheken den Verkauf zum Freizeitgebrauch wieder ein.
Man kann sich vorstellen, wie viel verkauft wurde, wenn man hört, dass der Grammpreis in Uruguay bei einem Dollar liegt, Tendenz sinkend. Die Regierung will so den illegalen Markt unattraktiv machen, was bis jetzt zwar nicht zu hundert Prozent, aber dennoch sehr gut funktioniert. Ebenfalls verfolgt sie den Ansatz, so die Jugendlichen vom schlechten und verunreinigten Straßengras fernzuhalten, dem „presando paraguayo“, was so viel heißt wie „Gepresstes aus Paraguay“. Wird das Gras nicht selbst angebaut, sondern gekauft, müssen auf den Packungen, welche undurchsichtig sein müssen, Gesundheitswarnungen aufgedruckt sein. Ähnlich wie bei Zigaretten, nur dass man dort wahrscheinlich keine verbrutzelte Lunge, sondern eher einen zerzausten Typen im Couchlock sieht (Edit: I don´t know, aber der Gedanke ist köstlich).
Der Konsum in der Öffentlichkeit ist verboten, und auch vom gleichzeitigen Führen eines Kraftfahrzeugs, sollte man lieber Abstand nehmen. Eine traurige Nachricht gibts allerdings – Cannabis darf nicht mehr als 15 % THC enthalten, was aber sicher kein Problem ist, wenn man schon immer „nur“ 15 % gewöhnt ist. Dafür profitieren Bürger und Staat, die Bürger von den unabhängigen Qualitätskontrollen, der Staat von den Steuern. Und von der Reinvestition der Steuergelder profitieren im besten Fall wieder die Bürger.
Medizinisches Cannabis
Auch Cannabispatienten müssen sich registrieren, genau wie alle anderen Konsumenten. Dies geschieht über ein Postamt, welches die Registrierung an die Regulierungs- und Kontrollbehörde IRCAA weiterleitet. In den Gefängnissen wird Cannabis sogar zur Paco-Therapie genutzt. Paco ist in Uruguay seit Anfang des 21. Jahrhunderts eine weitverbreitete, rauchbare Droge auf der Basis von Kokain. Für Patienten außerhalb der Gefängnisse gelten dieselben Mengenbeschränkungen wie für Freizeitkonsumenten, und auch die Altersgrenze ist dieselbe. Medizinisches Cannabis erst ab 18 Jahren zu erlauben, war eine der weniger fortschrittlichen Entscheidungen, denn wer schon mal ein Video eines Kindes, dessen Epilepsie mit CBD behandelt wurde, gesehen hat, der weiß, wie sehr diese kleinen Geschöpfe von Cannabis profitieren. Bei der angesprochenen Epilepsie geht es primär um CBD, welches in Uruguay überraschender Weise unheimlich rar und teuer ist.
Es gibt nur eine einzige Fertigarznei, Epifractan, und diese kostet saftige 200 Dollar. Cannabis hingegen kostet, wie schon erwähnt, unter einem Dollar, und ist in vier Sorten erhältlich. Und ein weiteres Problem erschwert den Patienten den Zugang, und zwar der Umstand, dass es in ganz Uruguay nur 16 Apotheken gibt, die Cannabis verkaufen. In 8 von 19 Departments gibt es keinen Zugang. Auch der Anbau ist verhältnismäßig selten, denn er erfordert Geduld, Know-how und vor allem Zeit. Ältere Menschen besitzen vielleicht eher Letzteres nicht, während junge Menschen eventuell Probleme mit der ersten Herausforderung haben. Aber dies gereicht ihnen zum Nachteil, denn Uruguay produziert nicht einmal annähernd den Bedarf des eigenen Landes.
Es gibt zwei offizielle, lizenzierte, kommerzielle Hersteller, welche im Jahr zusammen nur 4 Tonnen produzieren dürfen, im Jahr 2017 nur eine Tonne schafften, und das in einem Land, das 30 Tonnen benötigt. Bekommt Uruguay dieses Problem in den Griff, gedenkt es auch zu exportieren. Es wird sich zeigen, wie lange wir darauf noch warten müssen. Es sind jedenfalls weitere Lizenzen anberaumt, um den Bedarf zu decken. Das Problem hat ein solches Ausmaß (sowohl das Problem mit der Infrastruktur, als auch der nicht gedeckte Bedarf, und der Geldmangel der armen Menschen), dass immer noch ein Drittel der Konsumenten raucht. Manche bauen ihr Cannabis auch illegal an. Entweder sie sind nicht registriert, oder sie bauen deutlich mehr als sechs Pflanzen an, und verkaufen den Überschuss auf dem Schwarzmarkt. Herr Callazo, Mitglied von „Monitor Cannabis“, einem Wissenschaftsverbund an der Universidad de la Republica (Montevideo), und Soziologe berichtet, welche die Cannabisgegner vor der Legalisierung hatten. Sie befürchteten eine dauerstoned Gesellschaft, ein dadurch nicht mehr vorhandenes soziales Zusammenleben und Gewaltexzesse.
All das blieb natürlich aus, und stimmte einen großen Teil der Gegner milde, welche vor der Legalisierung relativ deutlich in der Überzahl gewesen waren. 60 % der Bevölkerung waren eingangs gegen die Legalisierung gewesen, nun ist eine knappe Mehrheit dafür. Es ist wirklich selten, dass ein Staat sein Volk zu einer Verbesserung zwingt. Wir in Deutschland können davon momentan nur träumen. Abschließend wünscht sich Callozo von der Regierung vor allem eins: Mehr Stellen für Lehrer an Schulen, welche über die gesundheitlichen Folgen von Cannabiskonsum aufklären, und vor Exzessen warnen. Dies leisten aber seit der Legalisierung nachweislich immer mehr Eltern, da Cannabis kein Tabuthema mehr ist.