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Eine drogenpolitische Gegenüberstellung restriktiver und fortschrittlicher Länder
Die Lage in Kanada
Kanada ist drogenpolitisch und medizinisch ein sehr fortschrittliches Land, was auch mit der guten Studienlage zu tun hat. Kanada weist weltweit, nach den USA, die meisten Studien vor. In Anbetracht dessen, dass Kanada nur 10 % der Einwohner der USA aufweist, hat dieses „kleine Land“ also mächtig Gas gegeben. 46 Studien zu Cannabis sind hier zu finden, und auch sonst ist Kanada traumhaft fortschrittlich. Seit 2001 ist medizinisches Cannabis in Kanada legal, seit 2018 auch der Freizeitkonsum.
Natürlich ist auch CBD legal, und wird reglementiert wie andere Cannabisprodukte mit THC, und nicht, wie man vielleicht annehmen sollte, wie der Nutzhanf aus dem es gewonnen wird. Es ist eben sinnvoll, Medizinprodukte einheitlich zu behandeln, und so braucht man für die Verarbeitung von CBD dieselben Lizenzen wie für THC-haltiges Cannabis. Die Hauptziele des Gesetzes sind der Jugendschutz, zu verhindern, dass illegal Geld mit Cannabis verdient wird und der Schutz der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit durch Zugang zu legalem Cannabis. Und so funktioniert es…
Das Gesetz
In Kanada darf man regulär 30 Gramm Cannabis mit sich führen, und zwar an öffentlichen Orten. Auch das Teilen von bis zu 30 Gramm mit anderen Erwachsenen ist erlaubt. Erwerben kann man Gras oder Öl bei Händlern mit Provinzlizenz. Gibt es einen solchen in einer der Provinzen nicht, so kann man Cannabis online bei einem Händler mit staatlicher Lizenz bestellen. Die Händler müssen die gesamte Menge des vertriebenen Cannabis vom staatlichen Vertriebspartner beziehen. Kanada ist in Provinzen und Territorien unterteilt, in welchen die Behörden regional verantwortlich sind. Sie dürfen innerhalb der überregionalen Gesetze Verschärfungen, aber keine Entschärfungen beschließen.
Es steht den Provinzen also etwa frei, das Mindestalter anzuheben, die Höchstgrenze für den Besitz zu reduzieren, für den Homegrow zusätzliche Beschränkungen zu erlassen oder den Konsum örtlich einzuschränken. Auch entscheiden sie, wie viele Samen in ihrem Territorium pro Person gekauft werden dürfen. Es ist ebenfalls gestattet, bis zu vier Pflanzen zu Hause selbst anzubauen und selbst Produkte jeder Art daraus herzustellen. Die einzige Ausnahme sind Extrakte, welche nicht mit organischen Lösungsmitteln hergestellt werden dürfen. Hier geht es abermals um den Schutz der Gesundheit, und jeder, der schon mal unreines BHO verdampft, oder die Story von Dr. Knarf gelesen hat, weiß, worum es geht.
Der Anbau muss aus einem Samen oder Setzling erfolgen (woraus auch sonst), der Ertrag darf nicht verkauft werden, und natürlich muss der Ort des Anbaus für Kinder unzugänglich sein. Erfolgt der Anbau Outdoor, darf die Fläche keine Grenze zu einer Schule, einem Spielplatz oder einem anderen für Kinder gedachten Ort haben. Wird zum Verkauf angebaut, muss dies vom kanadischen Gesundheitsministerium (Health Canada) lizenziert werden. Sehr sinnvoll und fortschrittlich ist auch, dass die Höchstmenge in Kanada in Relation gesetzt wird – 1 Gramm Cannabis entspricht dort (und eigentlich an allen anderen Orten der Welt) 5 Gramm frischem Cannabis, 70 Gramm Flüssigkeit, 15 Gramm Edibles, einem Samen oder 0,25 Gramm Konzentrat.
Verbote
Es ist in Kanada strikt verboten, Cannabis an unter 18-Jährige abzugeben; dafür gibt es bis zu 14 Jahre Haft. Außerdem ist es verboten Cannabis für Kinder ansprechend zu verpacken sowie der Verkauf über Automaten und Selbstbedienungsdisplays. Auch öffentliche Werbung für Cannabis ist nicht erlaubt (so wie bei uns für Medizin). All diese Verstöße können mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren und mit einer Geldstrafe bis zu 5 Millionen kanadische Dollar geahndet werden.
Medizinisches Cannabis
Patienten haben in Kanada drei Möglichkeiten, medizinisches Cannabis zu erwerben. Entweder sie kaufen direkt beim Händler ein, sie melden sich bei Health Canada, um Eigenbedarf anzubauen, oder sie beauftragen jemand anderen das Cannabis für ihn anzubauen. Im Zuge der Legalisierung des Freizeitkonsums von Cannabis wurden im Jahr 2018 auch andere Cannabisgesetze reformiert. Beispielsweise ist die 30-Tage-Frist für den Neukauf aufgehoben worden. Man hat inzwischen freie Anbieterwahl und kann den Anbieter beliebig wechseln.
Es gibt inzwischen eine größere Auswahl an Anbietern und Produkten, was den Wettbewerb fördert, und somit dem Patienten zuträglich ist. Außerdem können Patienten seit der Legalisierung zusätzlich zu ihrem monatlichen Bedarf, 30 Gramm für den Freizeitkonsum mit sich führen (oder 150 g). Lagern dürfen sie unendlich viel, allerdings muss man auch in Kanada auf Nachfrage eine Bescheinigung vorweisen können. Wie oft nach dieser verlangt wird, ist unbekannt. Die Kanadier sind alles in allem wohl ein sehr glückliches Volk – so glücklich, dass sie sich, falls Deutschland wirklich ab Dezember selbst genug Cannabis für die Patienten produzieren sollte, gleich mal drei von vier Anbaulizenzen gesichert haben. Sollte unser Eigenanbau für Deutschland nicht reichen, sprängen auch dort wieder die Kanadier ein.
Strainprint
Man hätte diese App auch „Progress“ nennen können, denn auf wie vielen Ebenen sie fortschrittlich, innovativ und einfach weitergedacht ist, grenzt an einen Paradigmenwechsel. Strainprint ist eine kanadische App für Cannabispatienten, welche damit ihren Konsum überwachen, ihre Medikation optimieren und gleichzeitig der Studienlage zu Evidenz verhelfen können. In der App sind Strains angelegt, aber eben nicht unter Sortennamen, welche variabel, nicht genormt und nicht aussagekräftig sind. Sie legen chemische Profile an. Dadurch, dass die Patienten ihren Konsum dokumentieren, also welche „Sorte“ sie einnehmen, wie sie konsumieren, ob sie Nebenwirkungen haben, und ob das chemische Profil gegen ihre Beschwerden wirksam war, können chemische Profile mit Wirkspektren verknüpft werden.
Da die App von zehntausenden Patienten genutzt wird, kommt eine unglaubliche Menge an Daten zusammen. Die App funktioniert wie eine Überwachungsstudie, die der Forschung auch anteilig Aufschluss über die Rolle der Terpene und Cannabinoide geben wird. Die Erfinder der App arbeiten mit der Gesundheitsbehörde, Ärzten, Forschern und Politik zusammen, damit dem Patienten, welcher hier tatsächlich im Mittelpunkt steht, bestmöglich geholfen werden kann.
Die Lage auf den Philippinen
Die Philippinen sind ein Land im Westpazifik, welches ca. 7000 Inseln umfasst. 109.703.000 Menschen leben dort. Ein einzelner Mann führt einen Krieg gegen Drogen, der aus einem Mafiahandbuch (sofern es so etwas gibt) stammen könnte. Auf den Philippinen wurde nie eine Studie zu Cannabis durchgeführt, doch selbst wenn, würde Präsident Duterte sie zweifellos verschwinden lassen.
Gesetz
Die Todesstrafe wurde auf den Philippinen eigentlich 1986 mit der Marcos Diktatur abgeschafft, allerdings ist außergerichtliches Töten als eine Form der Drogenpolitik auf den Philippinen üblich. Natürlich nicht offiziell. Offiziell sind Besitz und Konsum von Cannabis auf den Phils einfach illegal, es wird als gefährliche Droge eingestuft, und drakonisch bestraft. Besitzt man über 10 Gramm Hash, oder über 500 g Blüten, wird dies mit Geldstrafen zwischen ca. 9000 und 180.000 €, zusätzlich zu einer Freiheitsstrafe bis zum Tod, bestraft (damit ist die Dauer, nicht die Umstände gemeint).
Bei geringeren Mengen liegen die Freiheitsstrafen zwischen 20 Jahren und einem Tag und lebenslang, zuzüglich einer Geldstrafe von bis zu 9000 €. Der Konsum wird, primär angesichts der restlichen Strafen, relativ fortschrittlich bestraft. Beim ersten positiven Test steht für mindestens ein halbes Jahr eine Rehabilitation in einem staatlichen Zentrum an; beim zweiten Treffer allerdings, ist Knast angesagt, und zwar zwischen 6 und 12 Jahren. Auch der Verkauf und Import sind natürlich bei hohen Strafen verboten – lebenslang plus 9000Euro sind der Standard, zumindest offiziell. Menschen, die sekundär in Verbindung mit einem Drogendelikt stehen, also Dealer schützen, unterstützen, beherbergen usw. werden mit ebenso hohen Strafen belegt.
Höchststrafen für Anbau und Verkauf gibt es natürlich auch, wenn Minderjährige involviert sind, oder das Ganze in der Nähe einer Schule passiert. Auch der Anbau von Cannabis ist verboten, einzige Ausnahmen sind, und das lässt hoffen, der Anbau zu wissenschaftlichen- und Forschungszwecken. Für alle anderen Zwecke gibt es lebenslange Haftstrafen, und das Land wird vom Staat beschlagnahmt. Auch mit CBD und Samen verhält es sich nicht anders.
War on Drugs
Dass es auf den Philippinen ein Drogenproblem gibt, ist unbestritten. Gerade in den Armenvierteln Manilas, der Hauptstadt mit ca. 1.780.148 Einwohnern, ist Crystal Meth weitverbreitet. Auf den Philippinen gibt es ca. 3 – 4 Millionen Drogenabhängige, und ca. 10.000 Dealer; die Bevölkerung hasst diese, was man sich bei dem Anblick nur eines einzigen Menschen auf Crystal Meth gut vorstellen kann. Präsident Duterte versprach bei seiner Wahl, hart dagegen vorzugehen. Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selbst – und genau so kam es.
Der War on Drugs ist ein anhaltender bewaffneter Konflikt zwischen dem philippinischen Staat und zahlreichen Drogenbanden, welcher innerhalb von 3 Jahren ca. 20.000 Opfer forderte. Meist sind Kleindealer, Abhängige und Unbeteiligte aus den Slums in Manila betroffen. Die Drahtzieher, Köpfe und Bosse bleiben größtenteils aus Angst vor Vergeltung unbehelligt. Hier ein Zitat von Rodrigo Duterte, welches traurige Berühmtheit erlangte: „Hitler hat 3 Millionen Juden getötet. Auf den Philippinen gibt es 3 Millionen Drogenabhängige. Die würde ich gern töten.“
Die Todesstrafe ist, wie initial erwähnt, bereits seit 1986 abgeschafft, doch tatsächlich gibt es dort Polizeikommandos, welche im Volksmund „Todesschwadrone” heißen. Sie töten gerüchteweise nach Quote (was der Staat natürlich bestreitet), kommen oft nachts, terrorisieren, verhaften und erschießen Menschen ohne Gerichtsurteil. Sie verbreiten Angst und Schrecken, was einen ernsthaft Meth Abhängigen allerdings nicht von seinem Konsum abhalten wird. Darum geht es scheinbar oft auch gar nicht, denn Duterte sieht die Drogenabhängigen scheinbar als sein politisches Kapital. Auch für nicht drogenbezogene Morde ist in diesem Chaos genügend Platz. Unliebsame, unbequeme und politisch anders eingestellte Menschen loszuwerden ist so unter dem Deckmantel des Rechts unbemerkt möglich. Duterte war zuvor 22 Jahre Bürgermeister von Davao, eine dunkle Zeit, die man beleuchten sollte, wenn man wissen will, mit wem man es hier zu tun hat.
Es gab damals die Davao Death Squad, welche unter dem Befehl Dutertes stand. Einer der damaligen Auftragsmörder berichtet: „Wir töteten fast jeden Tag Menschen”, und schätzt die Zahl auf ca. 10.000 Opfer. Auf den Philippinen leben ca. 100 Millionen Menschen, von denen ungefähr 80 % Katholiken sind. Die katholische Kirche hat demzufolge einen großen Einfluss, vor dem Duterte sich fürchtet. An der Amtsenthebung des Präsidenten Estrada 2001 waren sie maßgeblich beteiligt, und auch beim Sturz des Marcos Regimes war die katholische Kirche die treibende Kraft. Was den Entzug und die Genesung Drogenabhängiger betrifft, leistet die Kirche dort einen Dienst von unschätzbarem Wert. Viele Priester nehmen Abhängige auf, begleiten sie durch die Entgiftung und helfen auf dem Weg danach. Sie trauen sich allerdings selten darüber zu sprechen, aus Angst, dass man besagte Patienten tötet. Die katholische Kirche ist ebenfalls der größte Cannabisbefürworter der Philippinen, was, schaut man nach Deutschland, sehr fortschrittlich ist.
Der Erzbischof Sokrates Villegas sagte beispielsweise 2014 auf der Bischofskonferenz: „Die katholische Gesundheitsethik hält die Verwendung von Marihuana für Patienten im Endstadium von Krebs mit starken Schmerzen für moralisch vertretbar.” Bischof Jaime Florencio sagt: „Wenn medizinisches Cannabis den Menschen hilft, lassen sie es uns auf jeden Fall versuchen.” Es gab eine Zeit (2016), in der sich Präsident Duterte selbst für Cannabis aussprach, wie auch immer das einzuordnen ist… Senatorin R. Hontiveros (welche auch Nobelpreisträgerin für Frieden, Diplomatie und Dialog des Jahres 2005 war) reagierte prompt und stellte einen Gesetzesentwurf vor, den Philippine Compassionate Medical Cannabis Act. Er sollte es ermöglichen, als Patient mit Rezept von einem Gesundheitsbeamten Cannabis zu erwerben.
Dieses Gesetz wurde sogar im Repräsentantenhaus in dritter Lesung verabschiedet, ist aber nie in Kraft getreten. Vorgesehen waren sowohl die Ausstellung von Registrierungsnachweisen, als auch der Aufbau von Medical Cannabis Compassionate Centers. Leider ist dieses Anliegen im Sande verlaufen, aber sicher nicht, weil „Risa“, wie Ana Theresia Navarro Hontiveros – Baraquel im Volksmund liebevoll genannt wird, nicht ambitioniert genug war. Rodrigo Duterte lässt sich inzwischen eher wieder zu Aussagen wi„ “wer nicht verschwinde, sei in Lebensgefahr”, oder „Ich werde euch alle umbringen, in die Bucht von Manila werfen und damit die Fische füttern“ hinreißen, und es ist kein Land in Sicht. Vielleicht schmeckt der Joint in Kanada einfach besser, und Strände gibt’s dort auch.