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Eine drogenpolitische Gegenüberstellung fortschrittlicher und restriktiver Länder Teil 2
Die Lage in den Arabischen Emiraten
Die Arabischen Emirate sind eine Föderation 7 vorwiegend muslimisch geprägter Emirate, die auf der arabischen Halbinsel einen Staat mit einer Gesamteinwohnerzahl von 9.813.000 bilden. Sie besteht aus den Emiraten Abu Dhabi, Dubai, Sharjah, Ajman, Fudshaira, Ras al Khaimah und Umm al Quain , in welchen identische Gesetze gelten, welche allerdings unterschiedlich durchgesetzt werden. Da die Polizei in Dubai beispielsweise sehr gut finanziert ist, gibt es dort natürlich entsprechend mehr Verhaftungen; auch von ausländischen Urlaubern. Cannabis ist in den Arabischen Emiraten verboten, und zwar so richtig.
Dass hier nicht eine Studie zu Cannabis zu finden ist, überrascht nicht. Nicht nur der Freizeitkonsum ist hier, vor allem auch aus religiösen Gründen, verpönt und verboten. Für beinahe alle Muslime ist der Konsum von psychoaktiven Substanzen kulturell inakzeptabel, da sie meinen, der Koran verbiete es. Es gibt allerdings auch gegenteilige Meinungen. Der Konsum ist also nicht nur zum Rauschvergnügen nicht erlaubt, auch CBD und medizinisches Cannabis sind verboten; ein eigenes Programm für medizinisches Cannabis gibt es nicht, und wenn man sich die regelmäßigen Verhaftungen von Urlaubern anschaut, bekommt man das Gefühl, dass sie es auch in anderen Ländern gerne verbieten würden, doch dazu später mehr.
Die Gesetze
Nach dem Gesetz Nummer 14 von 1995 ist in den Arabischen Emiraten das Mitbringen, Importieren, Exportieren, Herstellen, Extrahieren, Separieren, Produzieren, Besitzen oder Einnehmen verboten. Bei Besitz droht eine Freiheitsstrafe bis zu 4 Jahren, und eine zusätzliche Geldstrafe von 10.000 Dirham, was 2500 € entspricht. Auch für kleinste Spuren im Blut oder Urin droht dem Konsumenten Gefängnis. Bei Verkauf und Verbreitung sind die Strafen selbstredend noch mal empfindlich höher als bei bloßem Besitz. Hier setzt man mindestens 10, höchstens 15 Jahre Freiheitsstrafe und mindestens 20.000 Dirham (5000 €) an. Der Handel kann auch mit dem Tod durch ein Erschießungskommando bestraft werden, was aber in der Regel selten geschieht. Die Erschießungskommandos sind normalerweise den Mördern vorbehalten, was den Beigeschmack allerdings nicht ändert.
Als Teil des War on Drugs wurden 2014 neue Gesetze hinzugefügt, welche nun die Beschlagnahmung von Vermögen aus Drogenhandel und auch damit erworbenes Eigentum vorsehen. Dies ist allerdings im deutschen Gesetz nicht anders und plausibel. Auch Saatgut, selbst ungekeimt, ist strafbar. Ebenso der Anbau, denn auch Industriehanf ist in den Emiraten illegal. Entdeckt ein Landbesitzer verbotene Pflanzen auf seinem Land, ist er verpflichtet, dies zu melden, ansonsten macht er sich ebenfalls strafbar und muss mit einer Verhaftung rechnen. Allerdings gibt es eine Ausnahme, und diese macht Hoffnung: Mit Erlaubnis des Ministers für Landwirtschaft und Fischereiressourcen, welche in besonderen Fällen ausgestellt wird, ist der Anbau zu wissenschaftlichen- und Forschungszwecken erlaubt.
Populäre Verhaftungen
Der Anbau von Cannabis kommt in den Arabischen Emiraten aufgrund der drakonischen Strafen selten vor, kommt aber vor. 2011 wurde zum Beispiel acht Männer aus Bangladesch verhaftet, welche Cannabis im Gemüsebeet ihres Gartens nebst Gurken und Tomaten angebaut haben. 2013 wurde ein Asiate, welcher illegal im Land war, beim Anbau erwischt. Manche Menschen machen eben keine halben Sachen. Auch aus Dubai gibt es viele Verhaftungsgeschichten – 2009 wurde dort z. B. ein Italiener verhaftet, festgehalten, verhört, abgeschoben und zur „Persona non grata“ (unerwünschte Person) erklärt. Dies scheint in den Arabischen Emiraten eine relativ gängige Praxis im Umgang mit straffällig gewordenen Ausländern zu sein, denn es gibt häufig Berichte über Touristen, die über Tage, Wochen oder sogar Monate festgehalten werden, um dann irgendwann ohne Verurteilung abgeschoben zu werden.
Die Regenten der einzelnen Staaten begnadigen regelmäßig eine große Zahl von Menschen, welche mit geringen Mengen erwischt worden sind. Dies geschieht meist zu heiligen Anlässen und Feiertagen als Gnadenakt, was natürlich eine Doppelmoral und Willkür darstellt. Es gibt jedoch ein paar Menschen, die die volle Härte der absurden Gesetze zu spüren bekommen; einer von ihnen ist Connor Clements, ein in Dubai verhafteter Brite. In Clements Blut wurden Spuren von Cannabis entdeckt, allerdings hatte der Konsum in seiner Heimat stattgefunden. Connor Clement ist nämlich Cannabispatient, und nimmt täglich Sativex und CBD_Öl ein, und zwar, und das ist das traurige Paradoxon an dieser Sache, gegen seine Angststörung. Nun drohen ihm 2 Jahre Haft, denn wo er seine Medikamente einnahm, das ist den Arabischen Emiraten egal.
Ähnlich wie in Singapur (wie das Hanfmagazin vor einer Woche berichtete), kann man bei Kontrollen an Flughäfen für im System befindliche Cannabinoide verhaftet werden. Die Gefängnisse sind international für ihre menschenrechtsverletzenden Verhältnisse bekannt. Die Zustände dort sind bei Weitem nicht mit denen deutscher Gefängnisse zu vergleichen; auch allgemeine Gewalt und Folter sind in Dubai nicht unüblich. Aufgrund dieses Wissens stellte Clements seinen Konsum rechtzeitig ein, und verzichtete für seine Reise auf seine angstlösenden Medikamente. Und dennoch sitzt er jetzt, wartend auf seine Anhörung, getrennt von seiner Familie, mit einer Angststörung, ohne Medikamente in einem fremden Land, dem er eigentlich nur die Tourismuskassen füllen wollte. Danke Dubai. Und all das, obwohl im International Narcotics Control Strategy Report Vol.1 about Drug- and Cemical Controll von 2004 zu lesen ist, dass die Strafverfolgungsbehörden eines Landes der Verhaftung nicht befugt sind, wenn die „Droge“ in einem anderen Land konsumiert wurde.
Ein weiterer Brite, der 2008 in die Fänge der übermotivierten Behörden geriet, war Keith Brown, unter dessen Schuhsohle man sage und schreibe 0,003 Gramm Cannabis fand. Er wurde verhaftet und zu 4 Jahren Gefängnis verurteilt, glücklicherweise aber nach 4 Monaten entlassen. Das führt uns natürlich zu der Frage, wie ein solcher Fund überhaupt möglich ist. An den Flughäfen der Arabischen Emirate wird eine Technologie eingesetzt, die sich Terahertz-Spektroskopie nennt. Sie wird auch Ferninfrarot genannt und untersucht die Wechselwirkung von Materie mit elektromagnetischen Wellen. Mit ihr können geringste Mengen von Substanzen gefunden werden; dies beschert dem Dubai Airport eine enorm hohe Detektionsrate. Es ist nochmals zu betonen, dass man am Flughafen nicht nur bei Ausstieg, sondern auch bei Durchreise kontrolliert werden kann.
Wer also als Patient auf Durchreise von legal nach legal einen Tankstopp in Dubai macht, kann erschossen werden. Auch mit Rezept. Wer bei einer Stichprobenkontrolle mit mehr als 50 Nanogramm im System (Blut, Schweiß oder Urin) hat, wird verhaftet. Ein tausendstel Milligramm ist ein Mikrogramm – in Tausendstel Mikrogramm ist ein Nanogramm – nur mal so zum Verständnis. Aber wie gesagt handeln die Emirate in dem Fall nicht nach internationalem Recht, vielleicht sollte das mal jemand öffentlich anprangern.
Intervention und Rehabilitation – Ein Fortschritt
Das diese unverhältnismäßig strengen Gesetze gerade dem Jugendschutz abträglich sind, liegt auf der Hand. In den Emiraten hat diese Problematik eine besonders bizarre Form angenommen. Laut Schätzungen des dortigen Gesundheitsamtes rauchen ca. ein Drittel der jungen Jugendlichen die dort verbreiteten roten Ameisen, da diese einen ähnlichen Rausch wie Cannabis verursachen sollen. Der Konsum beginnt im frühpubertären Alter, sodass Kids bereits mit 13 Jahren anfangen, die von Gesundheitsexperten als stark gesundheitsgefährdend eingeschätzten Dämpfe zu inhalieren.
Leider sind die Emirate so mit ihrem War on Drugs beschäftigt, dass sie es versäumten, zu dieser Gefahr Studien durchzuführen. Es wird allerdings von Wissenschaftlern angenommen, dass die Dämpfe zu Lungenfibrose, Nervenversagen und Schäden im Zentralnervensystem verursachen. In den vergangenen Jahren war die Betäubungsmittelintervention an Schulen, sowie in den Medien spärlich bis gar nicht vorhanden. Vorhandene Programme zur Behandlung und Intervention von Suchterkrankungen waren bisher ausschließlich an psychiatrische Kliniken, und nicht an Rehabilitationseinrichtungen angebunden. Dass man Suchtkranke so nicht erreicht, da sie ein Stigma, eine Entmündigung und falsch gelagerte „Hilfe“ befürchten, dürfte klar sein.
Jedoch wurde 2002 endlich ein nationales Rehabilitationszentrum gegründet, welches derartige Leistungen anbietet und Bewusstsein für Suchtstoffe schafft. Initial hatte die Station eine Kapazität von 86 Betten, und bis zu 40 Ambulanzplätzen, wurde nun jedoch mit einem neuen Gebäude auf 169 Betten aufgestockt. Das Programm ist so erfolgreich (weil sinnvoll), dass die Klinikleitung inzwischen mit Abu Dhabis‘ (Hauptstadt) Gesundheitsminister im Gespräch über eine landesweite Ausweitung ist.
Spannende Fakten
Der Cannabiskonsum ist in den Arabischen Emiraten, so wie der Konsum aller Betäubungsmittel, sehr gering. Das dies mit dem Glauben zusammenhängt, wurde eingangs schon erwähnt. Der Cannabiskonsum bei Jungen nehme allerdings zu, vermutet eine Studie des nationalen Rehazentrums. Bei einer Befragung konnten 17- und 18-jährige Männer viele Namen von alkoholischen Getränken, und viele Namen von Straßen nennen, die einschlägig als Orte des Drogenverkaufs bekannt sind. Als Gründe für ihren Konsum wurden Gruppenzwang, Langeweile, Konflikte mit Eltern und schlechte elterliche Aufsicht (Vernachlässigung) genannt. Bei einer Befragung der Frauen sagten diese, dass der Konsum den Männern öfter nachgesehen werden würde, wohingegen Frauen unmittelbar ihren persönlichen und familiären Ruf verlören. Dieser ist in diesem Teil der Welt unfassbar wichtig. In den Emiraten werden momentan mehr Drogen beschlagnahmt als je zuvor.
Vergleicht man die 2018 sichergestellten 62 Tonnen Drogen mit der Bilanz des Vorjahres, stellt man einen Zuwachs von 538 % fest. Nicht zuletzt hängt dies mit der Bezahlung der Executive über ein Prämiensystem zusammen. Der General der Drogenbehörde der Emirate sagt: „Die Drogenbekämpfung ist eine nationale Aufgabe und alle staatlichen und privaten Entitäten sollten über die notwendigen Maßnahmen zur Drogenbekämpfung auf dem Laufenden sein.“
Na, das sind wir ja jetzt. Zeit mal in das Land zu schauen, dessen Bürger sich am häufigsten in den Arabischen Emiraten wegen teils mit dem bloßen Auge nicht erkennbarer Mengen inhaftieren lassen.
Die Lage im Vereinigten Königreich
Das Vereinigte Königreich ist ein Inselstaat in Nordwesteuropa, der England, Schottland, Wales und Nordirland zusammenfasst, und 67.334.000 Einwohner zählt. Leider ist auch im United Kingdom, trotz beachtlicher 29 Cannabisstudien, der Freizeitkonsum von Cannabis sowie der Besitz, seit 1971 verboten. Es befindet sich mit Codein, Ketamin, Amphetaminen, Barbituraten usw. in Klasse B. Medizinisches Cannabis ist dagegen seit 2018 legal, CBD seit 2017. Da CBD allerdings noch keine Lizenz als Medikament besitzt, und deshalb als medizinischer Inhaltsstoff bisher nicht zugelassen ist, darf man für CBD zwar werben, jedoch keine Werbung mit dem Versprechen eines medizinischen Nutzens machen. Medizinische Inhaltsstoffe werden gesondert geprüft, was bei den im UK erhältlichen Produkten, ebenso wie in Deutschland, nicht der Fall ist. Saatgut ist im Vereinigten Königreich legal, solange es ungekeimt ist.
Strafen
Wird man im UK mit nicht – medizinischem Cannabis aufgegriffen, ist es mit einer Verwarnung und einer vor Ort Buße von 90 Pfund (100,41 Euro) getan. Ist ein Minderjähriger involviert, wird der Vormund informiert, in der Regel jedoch nicht mehr. Kommt es zu einer Verhaftung, werden immer Menge, Ort (wegen eventuellem Handel), Vorgeschichte und erschwerende Umstände betrachtet, um eine möglichst gerechte Strafe zu ermitteln. Die Höchststrafe für Besitz lautet 5 Jahre oder unbegrenztes Bußgeld, oder beides. Bei Verkauf liegt die Strafe bei bis zu 14 Jahren oder unbegrenztem Bußgeld, oder beidem, was aber fast nie verkommt. Als Verkauf gilt im United Kingdom auch Transport, In- und Export und Lagerung.
Die Straftaten werden je nach Menge klassifiziert, so ist in Kategorie 1 alles über 200 kg, in Klasse 2 alles von 40 bis 200 kg, Kategorie 3 sind 4 – 6 Kilo und Kategorie 1 alles über 100 g. Der Cannabisanbau ist strafbar, es sei denn, er geschieht zu wissenschaftlichen oder Forschungszwecken. Und da lassen sich die Jungs und Mädels von der Insel nicht lumpen; 2016 bauten sie 95 Tonnen Cannabis für Medizin und Wissenschaft an, was beinahe die Hälfte der Weltproduktion ausmacht. Dieser Boom könnte seinen Ursprung in dem relativ einfachen und günstigen Erwerb einer Anbaulizenz haben. Diese kosten bei Ersterwerb 580 Pfund (0,26 t) (rund 650 €) und bei Verlängerung 326 Pfund (0,15 t).
Politik
2019 war die Drogenpolitik in UK auf dem Prüfstand und entschieden wurde: nichts. Man war sich einig, dass keine Reformen nötig sein. Wenigstens sagte die zuständige Beraterin, dass sie die drogenpolitischen Geschehnisse anderer Länder wie Portugal oder Kanada im Auge behalten werde. Die meisten prominenten Politiker geben ihren ehemaligen Cannabiskonsum offen zu und befürworten zudem die Legalität von medizinischem Cannabis, und selbst konservative Parteien sprechen sich dafür aus. Allerdings ist es immer noch sehr schwer medizinisches Cannabis zu bekommen.
Der Zugang zu Sativex, Nabilon und Epidiolex ist erst durch Austherapiertheit zu erlangen, aber wenigstens kann man niemandem Vetternwirtschaft vorwerfen; der Ehemann der Premierministerin, Phillip May, ist nämlich ein bedeutender Investitionspartner bei GW Pharmaceuticals, welche die Erfinder und Vertreiber des Multiple Sklerose Mittels Nabiximole sind. Nabiximole war das erste Derivat von Cannabispflanzen, das in einem Land eine Marktzulassung erhielt. Auch Sativex ist von GW.
Legalisierung durch öffentlichen Druck
So geht’s auch, und das sollten wir uns vielleicht merken: Die Gesetze im vereinigten Königreich wurden vor allem durch 2 Fälle reformiert, welche großes mediales und somit gesellschaftliches Interesse weckten. Es waren die Fälle von Billy Coldwell und Alfred Dingley, welche beide unter Epilepsie im Kindesalter litten. In einer von den Medien begleiteten semiöffentlichen Aktion schmuggelte Familie CBD ÖL aus Kanada über die Grenze, woraufhin Medien und Bevölkerung derart starken öffentlichen Druck ausübten, dass die Gesetze reformiert wurden. Eine wunderschöne Geschichte, um hier zu enden und ein wenig zu träumen….