Bereits zwei Jahre vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wurde während einer Umfrage in 55 Prozent genutzter Wahllokale festgestellt, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung den Zugang zu Cannabis als Medizin im Land befürworten würde – 65 Prozent insgesamt. Kurz vor der Krisensituation wurde die Diskussion darüber tiefergehend geführt, nachdem Anfang 2022 ein vom Ministerkabinett neu eingereichter Gesetzentwurf dem Parlament vorgelegt wurde, der die Legalisierung von medizinischem Cannabis zum Thema hatte.
Bereits im April 2021 waren die pharmazeutischen Cannabispräparate Dronabinol und Nabiximols in der Ukraine zugelassen worden. Doch wusste man, dass eine Verabschiedung der neuen Rechtsvorschriften circa zwei Millionen Menschen in der Ukraine die Möglichkeit eröffnen würde, aufgrund ihrer Erkrankungen künftig auf Medizinalhanf zurückgreifen zu können.
Im Sommer letzten Jahres und final im Juli 2023 wurde dann bekannt gegeben, dass der Gesetzesentwurf vom Kabinett genehmigt worden wäre, da man die negativen Konsequenzen des Krieges und den wachsenden Bedarf nach Heilung geschädigter Bewusstseinszustände verstünde. Mit einiger Verzögerung hat das Parlament nun am 12. Dezember 2023 den Gesetzesentwurf Nr. 7457, der die Legalisierung von medizinischem Cannabis vorsieht, in zweiter Lesung angenommen. Die Werchowna Rada legalisiert damit medizinisches Cannabis in der Ukraine.
Medizinalhanf ja – Freizeitcannabis nein
Wie Yaroslav Zhelezniak, ein Mitglied der Holos-Partei, berichtet, fand das Gesetz mit 248 positiv abstimmenden Abgeordneten eine breite Unterstützung im ukrainischen Parlament. Laut dem Nachrichtenportal Suspilne.media regelt der Gesetzentwurf insbesondere die Verwendung von Cannabis im Rahmen medizinischer, industrieller und wissenschaftlicher Praktiken. Der Vertrieb von Marihuana für den Freizeitgebrauch würde aber weiterhin als Straftat betrachtet werden und von der Polizei im Rahmen des Gesetzes geahndet.
Euromaidanpress.com klärt zusätzlich darüber auf, dass die Herstellung von Medikamenten während des gesamten Produktionsprozesses streng überwacht werden würde und nur zugelassene Einrichtungen mit den erforderlichen Lizenzen und GMP-Zertifikaten Cannabis anbauen dürften. Dabei würde auch nötig werden, eine ständige Videoüberwachung durch die nationale Polizei zu gewährleisten. Jede Pflanze werde mit einem eindeutigen Code versehen, damit ihr Weg zum Patienten genau verfolgt werden könne. Bezüglich der ärztlichen Verschreibungen von Medizinalhanf würden ähnliche Herangehensweise wie aktuell bei Morphin verlangt. Ein Arzt verschreibt das medizinische Cannabis künftig entsprechend dem Zustand des jeweiligen Patienten und nur via elektronischem Rezept – anders würden Medikamente auf Cannabisbasis nicht verfügbar gemacht.
Erhältlich in sechs Monaten
Zhelezniak weist darauf hin, dass der Zugang zu Medikamenten auf Cannabisbasis erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 zu erwarten sei. Das Gesetz werde erst sechs Monate nach seiner Veröffentlichung in Kraft treten können, sodass aufseiten der Patienten noch etwas Wartezeit zu überbrücken sein wird. Doch mit der Verabschiedung des Gesetzes kann die Ukraine damit beginnen, medizinisches Cannabis für Patienten mit Krebs und posttraumatischen Belastungsstörungen zu verwenden. Dies wird als besonders wichtig betrachtet, da während und nach dem Krieg die Menschen des Landes mit vielen körperlichen und seelischen Traumata belastet wären, bei denen Cannabis eine hilfreiche Behandlungsmöglichkeit darstellt.
Während die Legalisierung von medizinischem Cannabis wie erwähnt auf eine breite Unterstützung in Politik und Bevölkerung stößt, wird der Fortschritt in diesem Bereich aber auch von einigen Personen recht kritisch betrachtet. Kritiker des Schritts, darunter der Abgeordnete Dmytro Razumkov, warnten vor der möglichen Korruption bei der Cannabisregulierung. Die Patientenorganisation Patients of Ukraine plädierte dagegen für einen vereinfachten Zugang zu erschwinglichen ausländischen Medikamenten.
Die ukrainischen Kirchen hingegen lehnen die Legalisierung von Cannabis ab und äußerten Sicherheitsbedenken. Gegner der Legalisierung von Medizinalhanf bringen wie immer die alten ausgedienten Argumente, dass man befürchten müsse, dass die Legalisierung von medizinischem Marihuana einen Zustrom von Drogen auf den Straßen der ukrainischen Städte verursachen könne.