Am 9.6.2022 wurde Cannabis in Thailand für die Allgemeinheit entkriminalisiert. Die Einstufung als Betäubungsmittel wurde in der Form geändert, dass Bürger Thailands die Erlaubnis erhielten, für den Eigenbedarf oder den Verkauf zu medizinischen Zwecken in ihrem Eigenheim das berauschende Naturprodukt anzubauen. Nur eine Anmeldung auf der „Plook-Ganja“-Webseite war vonnöten.
Selbst beschlagnahmtes Cannabis wurde an die zuvor noch strafrechtlich verfolgten Besitzer des Krautes zurückgegeben. Pünktlich zum Termin der Entkriminalisierung sprossen dann auch in dem gesamten Land Geschäfte aus dem Boden, in denen sich interessierte Besucher mit den unterschiedlichsten Varietäten eindecken und oft auch auf importiertes Gras zurückgreifen konnten.
Ein Gesetz, das es jedoch übersah, eine detaillierte und umfassende Regulierung von Cannabis stattfinden zu lassen, brachte Kritiker in Regierung und Bevölkerung in Rage, sodass es mehrfach erfolglos versucht wurde, hier nachträglich bessere Regeln zu implementieren. Aktuell herrscht in Thailand ein als „Wilder Westen“ bezeichnetes Szenario, dass nach den kürzlich durchgeführten Wahlen nun durch die siegreiche „Move-Forward“-Partei wieder verändert werden könnte. Deswegen gibt es jetzt große Unsicherheiten bei Geschäftstreibenden und Bürgern, ob der grüne Traum in Thailand ein jähes Ende erlebt.
1,1 Millionen Bürger und 5000 Cannabis-Shops
Binnen eines Jahres nach der Entkriminalisierung sollen in Thailand mehr als 1,1 Millionen Bürger und knapp 5000 Cannabisgeschäfte von dem durch Gesundheitsminister Anutin Charnvirakul in Gang gebrachten Legalisierungsprozess profitieren. Selbst Firmen aus dem Ausland haben sich im Land des Lächelns niedergelassen, um mit dem entkriminalisierten Kraut – das eigentlich für medizinische Zwecke eingesetzt werden soll – Geschäfte zu machen.
Doch die Zukunft der Branche ist leider noch immer ungewiss. Besonders nach den Wahlen im letzten Monat ist die Situation noch unklarer geworden. Die siegreiche „Move-Forward“-Partei unter Führung der 42-jährigen Pita Limjaroenrat hat schließlich darauf gesetzt, konservative und ältere Wähler damit für sich zu gewinnen, indem man verlauten ließ, Cannabis wieder als Betäubungsmittel einstufen und dem unregulierten Treiben ein Ende bereiten zu wollen. Während man damit bei den Wahlen erfolgreich war, hat man einige Befürworter verärgert und viele Brancheninsider alarmiert.
Die Cannabispolitik wäre als politische Waffe von der Partei eingesetzt worden, beklagt daher Chokwan „Kitty“ Chopaka, eine Unternehmerin und langjährige Befürworterin der Legalisierung. Eigentlich sei „Move Forward“ eine fortschrittliche Partei, die eine Neufassung der Verfassung, die Abschaffung der Wehrpflicht und eine Reform des „Lese-Majeste“-Gesetzes versprach, das die Beleidigung des Königs unter Strafe stellt. Doch seit der Wahl musste die Partei einige Zugeständnisse machen, um die Unterstützung der konservativeren Fraktionen zu gewinnen.
Der Grund dafür ist, dass man krampfhaft versucht, eine Regierung mit Pita Limjaroenrat als Premierministerin zu bilden. Dabei hat der mächtigste Koalitionspartner, die „Pheu-Thai“-Partei, im Wahlkampf die starke Anti-Cannabis-Position proklamiert, und versprochen, den Freizeitkonsum von Marihuana wieder verbieten zu wollen. Dies könnte somit zu einem großen Problem für alle Beteiligten in der Cannabisbranche werden.
Veränderungen unausweichlich
Henning Glaser, ein Rechtsprofessor an der Thammasat-Universität in Bangkok, sagte gegenüber United Press International, dass es seiner Meinung nach eine ausgemachte Tatsache sei, dass Cannabis wieder als Betäubungsmittel aufgelistet werden würde, falls die „Move-Forward“-Partei die Regierung bilden könne. Die „Pheu-Thai“-Partei sei in dieser Frage sehr konservativ und würde das Vorhaben unterstützen, so Glaser. Der thailändische Gesundheitsminister Anutin Charnvirakul hob in der Vergangenheit stets die medizinischen Vorteile hervor und bezeichnete Cannabis als einen Impuls für den Agrarsektor, doch aufgrund der schwammigen Gesetze entstand die chaotische Situation.
Die vergangene Regierung hat es schließlich versäumt, ein vorgeschlagenes Cannabisgesetz zur Regulierung der Branche nach der Entkriminalisierung zu verabschieden, sodass die Unternehmen jetzt in einem rechtlichen Vakuum arbeiten und viele Anbieter damit Schindluder treiben. Dies treibt den Widerstand in der Politik und der weniger aufgeschlossenen Bevölkerung voran. Rattapon „Guide“ Sanrak, ein weiterer langjähriger Aktivist und Mitbegründer der Dispensary „Highland“ sieht das Problem ebenfalls in der durchlässigen Gesetzgebung.
„Die Situation ist nicht gesund, weil wir das Cannabisgesetz im Parlament nicht verabschiedet haben“, so der Aktivist. Es sei zu leicht ein Geschäft zu eröffnen und die Vorschriften wären sehr schwach, sagt er. Es gebe somit ein Überangebot und die Behörden könnten das Gesetz nicht durchsetzen. Außerdem würde der Markt mit illegalen Importen überschwemmt, die hauptsächlich aus den Vereinigten Staaten stammten, was zu einem Preisverfall führe und die Existenz der Erzeuger bedrohe. Es gäbe zu viel Angebot und die Qualität ließe zu wünschen übrig. Dies schade besonders den thailändischen Hanfbauern, die viel Geld in Ausrüstung und Strom investiert hätten, aber nun ihre Ernte nicht zu dem Preis verkaufen könnten, den sie einmal erwartet hatten.
Versprechen der „Move-Forward“-Partei macht etwas Hoffnung
Da also weder die konservativen Kräfte in Thailand mit der aktuellen Situation zufrieden sind noch die professionell arbeitenden Branchenteilnehmer die entstandene Problematik erkennen, scheint es logisch, dass die „Move-Forward“-Partei nach der Regierungsbildung einzuschreiten hat, um gesündere Fakten zu schaffen. Die Partei um Pita Limjaroenrat stellt ihre Position zum Thema so dar, dass man Schritte einleiten müsse, um die Branche zu stabilisieren. Auf der Plattform der Koalition heißt es, dass man „Marihuana als kontrollierte Substanz neu klassifizieren“ wolle und neue Gesetze zur Regulierung und Unterstützung einer nützlichen Verwendung einführen würde.
„Der Nutzen von Cannabis wird immer den Nachteil des Cannabiskonsums überwiegen“, sagte die wohl künftige Premierministerin während einer Pressekonferenz im letzten Monat. Für die Ladenbesitzer, die sich an die Regeln gehalten haben und bislang alles richtig gemacht hätten, würde eine Gesetzesänderung keine Auswirkungen haben. Doch man hätte ein starkes gesetzliches Mandat, um die thailändische Gesellschaft – insbesondere die Schulkinder – langsam an die Exposition von Cannabis heranzuführen und damit richtig umgehen zu können.
Zeitgleich darf jedoch auch nicht von den neuen Kräften übersehen werden, welchen wirtschaftlichen Faktor die Cannabisindustrie in Thailand bereits ausmacht. Schon vor der Freigabe wurde schließlich allein der Tourismussektor als wichtiger Punkt genannt, der mit legalem Cannabis natürlich noch mehr Geld ins Land bringen würde. Nach Schätzungen könnte die Branche bis zum Jahr 2030 einen Wert von 9,6 Milliarden Dollar haben, sodass es fraglich ist, inwieweit die Regierung in der Lage sein wird, den Fortschritt tatsächlich wieder zurückdrehen zu können.
Ein weiterer Pluspunkt für die Branchen
Ein weiterer Hoffnungsschimmer für die Cannabisindustrie in Thailand ist der einst die Veränderung bezüglich der Verbotspolitik voranbringende Gesundheitsminister Anutin Charnvirakul. Seine „Bhumjaithai“-Partei erhielt während der vergangenen Wahlen die drittmeisten Stimmen, sodass auch diese Partei einiges mitzuentscheiden haben wird. Die „Bhumjaithai“-Partei ist nach wie vor der größte politische Befürworter der Branche und hat versprochen, dass man nicht nachlassen werde, die von Anutin Charnvirakul geforderte Politik voranzutreiben. Selbst während der Wahl trug der Gesundheitsminister ein T-Shirt mit einem Marihuanablatt auf der Vorderseite.
Dazu erhielt seine Partei mit 71 Stimmen mehr Unterstützung der Wähler als zuvor angenommen. Dieser Erfolg ermöglicht der „Bhumjaithai“ ein gewisses Druckmittel bei der Suche der „Move-Forward“-Koalition nach den 376 Sitzen, die zur Regierungsbildung erforderlich sind. Ebenfalls machen sich die Aktivisten gegen die Überlegungen der künftigen Regierung stark, Cannabis wieder als illegale Substanz einordnen zu wollen. Am Jahrestag der Entkriminalisierung fanden in Thailand viele Kundgebungen statt und man traf sich mit Vertretern der „Move-Forward“-Partei, um politische Optionen für die Zukunft zu erörtern.
Man wolle für eine ausgewogene Regulierung kämpfen, die zwar nicht überreguliert, aber auch nicht zu schwach ausfallen dürfe, so die Aktivsten. Auch säße man an einer Ausarbeitung einer „Volksversion“ des Cannabisgesetzes, das den Gesetzgebern bei der Amtseinführung der neuen Regierung vorgelegt werden soll. So könne man sicherstellen, dass Cannabis nicht als politische Waffe genutzt würde, da es weder für die eine noch für die andere Partei gemacht worden wäre.
Gelernt haben die Befürworte der Cannabisfreigabe in Thailand jedenfalls, dass der Kampf nie aufhört, und es immer Zeit braucht, bis die Leute es verstehen.