Wenn man der Politik und den Nachrichten glauben schenken mag, sieht es ganz danach aus. Warum traut man den Deutschen einen vernünftigen Umgang mit Cannabis nicht zu? Die deutsche Politik tut sich seit Jahren etwas schwer damit, das Thema Cannabis sinnvoll anzugehen. Sind die Deutschen so verantwortungslos?
Oder sind sie alle so labil, dass sie sofort schwierigste Konsummuster aufweisen würden? Kann es vielleicht sein, dass in der deutschen Politik einfach ein übertriebener Rechtspositivismus herrscht? Was für ein irreführender Begriff dieses Wort doch ist. Es hat nichts damit zu tun, dass man Rechts positiv eingestellt ist, aber auch nicht, dass die Rechte positiv umgesetzt werden. Kurzum, es bedeutet, dass eine notwendige Verbindung zwischen Recht und Gerechtigkeit abgestritten wird.
Laut Bundeszentrale für politische Bildung wurde der Rechtspositivismus nach 1945 teilweise für den Gehorsam gegenüber den nationalsozialistischen Unrechtsgesetzen verantwortlich gemacht. Die schon seit Anfang des 20. Jh. vorhandenen Gegenströmungen traten daher in den Vordergrund, etwa der Gedanke, dass positives (d. h. gesetztes) Recht wegen seines Inhalts legislatives Unrecht sein könne (so Gustav Radbruch). Zum Teil fanden für kurze Zeit naturrechtliche Gedanken Eingang in die Rechtsprechung, doch schon bald entwickelte sich eine Pluralität von Positionen, deren Auseinandersetzungen bis heute unvermindert anhalten. Ein Ausläufer davon wäre der Umgang mit Cannabis.
Stand Deutschland vs. Kanada
Während Kanada 2018 legalisieren will, wird in Deutschland erst einmal unter schwierigsten Voraussetzungen eine Studie angestrebt mit 25.000 erwachsenen Genusskonsumenten.
Aber leider nicht von der Regierung. Meist wurde bisher jedes Recht auf medizinische Behandlung nur durch größte Anstrengung und über viele Jahre von Patienten hart erkämpft.
Auch der Eigenanbau, welcher dann wiederum mit dem sogenannten „Eigenanbauverhinderungsgesetz“ nochmals zunichte gemacht wurde. Denn das neue Gesetz war, oder ist wohl noch nicht ganz ausgereift. Immer wieder hört man von Krebspatienten, deren Krankenkasse die Kostenzusage zur Behandlung mit Cannabisblüten verweigert und den Patienten an den MDK verweist. Kanada wiederum traut seinen Patienten den Eigenanbau zu, sind diese dazu nicht in der Lage, kann der Anbau auf eine andere Person übertragen werden.
Nun startete auch die Ausschreibung zum Anbau für medizinische Zwecke in Deutschland, welche aber auch in manchen Punkten übertriebene Züge aufweist. Firma Bedrocan arbeitet mit Toleranzen von 20 Prozent, die wohl jahrelang völlig ausreichend waren und wohl auch noch sind. Schließlich gibt es Bedrocan ja seit Jahren auch in deutschen Apotheken. Schade ist doch auch, dass qualitativ zu stark abweichende Lieferungen eines Produzenten von diesem wieder vernichtet werden müssen. Anstatt sie z. B. für Forschungszwecke und Studien zur Verfügung zu stellen, wie die o. g. Studie mit den 25.000 Teilnehmern.
In Kanada ist das Team von True Leaf in der letzten Prüfphase vor Erteilung einer Marihuanaherstellerlizenz, in Deutschland gab es gerade erst die Ausschreibung.
Irgendwie schafft es die deutsche Regierung nicht, ihren mündigen Bürgen zu vertrauen. Zu groß ist wohl die Sorge vor einem möglichen Kontrollverlust.
Falsch verstandene Rechtssicherheit
Wieder so ein juristisches Wort. Laut Wikipedia beruht Rechtssicherheit auf der Klarheit, Beständigkeit, Vorhersehbarkeit und verlässlichen Gewährleistung von Rechtsnormen, konkreten Rechtspflichten und Berechtigungen. Sie soll das Vertrauen der Bürger in die rechtsstaatliche Verlässlichkeit der Rechtsordnung bestärken und hierdurch herbeiführen. Zur Rechtssicherheit gehört auch die Klärung von umstrittenen Rechtsfragen oder Verhältnissen in angemessener Zeit und die Herstellung von Rechtsfrieden.
Beim Thema Cannabis hat das Vertrauen der Bürger sehr gelitten
Dabei besagte doch schon die 1997 vom damaligen Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer in Auftrag gegebene Kleiber Studie, dass die Konsequenzen des Cannabiskonsums sich als weniger dramatisch und gefährlich erweisen, als dies überwiegend noch angenommen wird. Und was die psychische Gesundheit anbelangt, muss aufgrund der vorliegenden Ergebnisse die Annahme, dass der Konsum von Cannabis eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit nach sich zieht, zurückgewiesen werden (Kleiber 1997).
Das ist nun 20 Jahre her! Eine lange Zeit, in der es viel Patientenleid gab. Und wieder belegen neueste Studien, dass das Psychoserisiko durch Cannabiskonsum eher gering ausfällt. Ich sage ‚wieder‘, weil in den letzten Jahren immer wieder irgendwelche Studien erschienen, die das Gegenteil behaupteten. Lag Herr Kleiber mit seiner Studie damals denn so falsch? Schließlich tat man jahrelang schon fast so, als wären seine Studienergebnisse hanebüchene Lügen.
Kanada hat es geschafft, Deutschland steckt noch fest
Die deutsche Politik rühmt sich eine der Fortschrittlichsten zu sein, aber schon zum vierten Mal in Folge wurde eine unabhängige Evaluierung der Drogengesetze abgeschmettert.
Es gibt noch weitere unbedachte Schritte und Unsinnigkeiten in der langen Geschichte der deutschen Drogenpolitik, die im Grunde mit paar kleinen Gesetzesänderungen aus der Welt geschafft wären. Stattdessen wird eine Politik der Verschlimmbesserung fortgeführt. Wo Experten nichts zu melden haben und mündigen Bürgern gesunder Menschenverstand staatlich aberkannt wird.
Kleiner Tipp an die Politik
Recht ist wandlungsfähig. Recht ist der Wandlung bedürftig. „Was gültig ist muss nicht endgültig sein“ (Liselotte Rauner).
Denn wie schon Walter Köpping 1974 treffend feststellte: Wenn Recht erstarrt, geht der Bezug zur gesellschaftlichen Realität allmählich verloren. Die gesellschaftliche Entwicklung rückt weiter, das Recht bleibt am alten Platz. Bald aber decken sich Recht und sozialer Untergrund nicht mehr. Recht würde nicht mehr den Erwartungen der Menschen entsprechen und nicht mehr den gesellschaftlichen Problemen und Herausforderungen gerecht. Alte Worte aktueller denn je.
Fazit
Solange diese übertriebene Vernunft herrscht, die in diesem Falle nichts anderes ist, als übertriebener Rechtspositivismus, gepaart mit einer Prise falsch verstandener Rechtssicherheit, wird sich in Deutschland nur sehr langsam was Richtung Legalisierung oder mehr sozialer Marktwirtschaft bewegen. Kanadas Drogenpolitik ist einfach die Vernünftigere.
Wenn übertriebene Vernunft zu Unvernunft wird, wird Recht zu Unrecht bzw. Unrecht zu Recht.
Man darf gespannt sein, wie es sich entwickeln wird. Wie viele Länder, die legalisiert haben, wird es nach Kanada noch brauchen, bis die deutsche Politik endlich einsieht, dass eine Legalisierung von Cannabis noch keine Staatskrise ausgelöst hat. Ganz im Gegenteil, man kann davon ausgehen, dass sich das Vertrauen in seine Bürger auszahlt.
Milliarden an Steuereinnahmen werden dem Schwarzmarkt abgezweigt und fluten die Staatskassen. Was wiederum das Vertrauen in den Staat stärkt, da die Kriminalisierung wegfällt, neue Arbeitsplätze geschaffen werden und die Polizei für richtige Sicherheit sorgen kann. Kurz, es wird vernünftig mit seinen mündigen Bürgern umgegangen.