Anders als die meisten europäischen Regierungen erkennen weltweit immer mehr Staaten das wirtschaftliche Potenzial, das mit dem nachwachsenden Rohstoff Hanf verbunden ist. Jüngstes Beispiel für diese Entwicklung ist Pakistan. Hier hat die Regierung unter Premierminister Imran Khan kürzlich ein nationales Nutzhanf-Projekt ins Leben gerufen.
Um den Anforderungen des internationalen Marktes gerecht zu werden, soll Hanf mit einem THC-Gehalt von höchstens 0,3 % angebaut werden. Für die erste Phase des Projekts wurde die Region von Jhelum im Nordosten Pakistans als Standort ausgewählt. Hier gelten die klimatischen Verhältnisse als besonders günstig für den Anbau von Hanf. Möglich ist der Anbau allerdings nahezu im gesamten Land.
Internationaler CBD-Markt im Fokus
Ziel der pakistanischen Regierung ist es dabei, in erster Linie in den internationalen CBD-Markt einzusteigen. Um dieses Ziel zu realisieren, wurden nun die ersten Schritte unternommen. Beobachter und auch die Regierung selbst sprechen von einer „weichenstellenden Entscheidung“ in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.
Wie Fawad Chaudry, Minister für Wissenschaft und Technologie, via Twitter erklärte, hat das Kabinett von Premierminister Imran Khan seinem Ministerium nun eine erste Lizenz zur umfassenden Erforschung einheimischer Hanfsorten und ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit erteilt.
Ziel der Regierung ist es, mit Hanf dringend benötigte Devisen zu verdienen. „Wir wollen, dass der Hanfmarkt in den nächsten drei Jahren 1 Milliarde US-Dollar für Pakistan erwirtschaftet“, so Chaudhry. Um dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen, soll der Hanf nicht nur als CBD-Lieferant dienen. Zusätzlich will man aus den Samen hochwertiges Hanföl gewinnen, die Blätter medizinisch nutzen und die Fasern zur Herstellung von Textilien verwenden.
Hanf als Ersatz für Baumwolle
„Weltweit“, so Minister Chaudry, „ersetzt diese Faser Baumwolle. Kleidung, Taschen und andere Textilien werden aus den Fasern dieser Pflanze hergestellt. Das ist ein 25-Milliarden-Dollar-Markt, und Pakistan kann sich einen großen Teil dieses Marktes sichern.“
Die Bedeutung, die Hanf als Baumwollersatz für Pakistan haben kann, wird deutlich, wenn man in Betracht zieht, dass das bitterarme Land einst nach China, Indien und den USA der viertgrößte Baumwollexporteur der Welt war. Aufgrund stark fallender Preise auf dem Weltmarkt und einem Mangel an qualitativ hochwertigen Samen setzt die pakistanische Landwirtschaft inzwischen allerdings mehr und mehr auf andere Anbauprodukte.
Und noch eine weitere Verwendungsmöglichkeit hat die pakistanische Regierung im Blick: Die nach der Blüten-, Blätter- und Fasergewinnung übrig bleibenden Pflanzenreste sollen in für die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Landes dringend benötigte Bioenergie umgewandelt werden.
Zunächst ist die Wissenschaft gefragt
Damit sich pakistanische CBD-Produkte auf dem internationalen Markt durchsetzen können, müssen allerdings erst einmal zuverlässige Qualitätsstandards etabliert werden. Voraussetzung dafür ist eine gründliche wissenschaftliche Erforschung.
Muhammed A. Qayyum, ein Berater der pakistanischen Regierung und Direktor der in Karachi angesiedelten Firma Medics Laboratories Pvt. Ltd., die Heilkräuter und Nahrungsergänzungsmittel herstellt, nennt die staatliche Initiative denn auch einen großen Durchbruch zuallererst für die Forschung. Cannabis sei immer ein Tabuthema gewesen, erklärte er der Presse gegenüber, jetzt endlich könne man mit den erforderlichen Studien beginnen.
Eine Schlüsselrolle bei der Erforschung von Cannabis wird laut Qayyum auch das International Center for Chemical and Biological Sciences (ICCBS) der Universität von Karatschi einnehmen. Wie Dr. Iqbal Chaudhry, Direktor des ICCBS, mitteilte, wurde sein Institut ausgewählt, weil es sowohl die erforderliche Ausrüstung als auch die nötige Erfahrung mitbringe, um Hanfprodukte nach wissenschaftlichen Kriterien zu zertifizieren. Mithilfe der Forschungseinrichtungen der ICCBS, so Chaudhry, könne Pakistan weltmarkttaugliche Produkte entwickeln.
Umsetzung bleibt abzuwarten
Wie schnell es gelingen wird, dieses Projekt in die Realität umzusetzen, so Qayyum weiter, hänge davon ab, ob für den Hanfanbau eine Änderung der Regeln durch das entsprechende Ministerium ausreiche oder ob umfangeiche Gesetzesänderungen nötig seien. Zudem sei bisher nicht klar, wie das Regelwerk für CBD genau aussehen werde.
Insgesamt bleibt abzuwarten, wieweit sich die ambitionierten Ziele des Regierungsprogramms in dem von Misswirtschaft, Korruption und religiösem Extremismus gebeutelten Land tatsächlich in die Realität umsetzen lassen werden.