Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf findet global statt. Auch wenn es noch immer nicht in allen Köpfen von Entscheidern angekommen und leider noch immer in vielen Teilen der Welt der Einsatz des vielseitig nutzbaren Rohstoffs unmöglich oder zumindest schwierig gestaltet ist, lockern sich in immer mehr Ländern langsam aber stetig die strengen Regeln.
So unter anderem in Marokko, wo man auf wirtschaftliches Wachstum aufgrund der Nutzung für medizinische und industrielle Zwecke setzt, oder auch in Pakistan, das bereits 2020 ein Nutzhanf-Projekt ins Leben rief. Dort lag der Grund darin verborgen, den boomenden Markt zu nutzen, um die landeseigenen Devisenreserven erhöhen zu können. Damit man den Anforderungen des internationalen Marktes gerecht handelt, wurde geplant, einzig Hanf mit einem THC-Gehalt von höchstens 0,3 Prozent anzubauen.
Auch stand der CBD-Markt im Fokus, weshalb erste Lizenzen zur umfassenden Erforschung einheimischer Hanfsorten vergeben worden waren. Doch konkrete Regeln ließen aufgrund interner Konflikte lange auf sich warten. Jetzt schafft man in Pakistan aber nach knapp vier Jahren einen rechtlichen Rahmen für den Cannabishandel, nachdem der Einsatz von Hanf für industrielle Zwecke von der Regierung zugelassen worden ist. Zuvor hatte man im Februar mittels Präsidialerlass – einer Präsidialdirektive oder auch Exekutivmaßnahme – die Regeln für die Gründung der ersten pakistanischen Cannabis-Kontroll- und Regulierungsbehörde festgelegt.
Pakistan möchte einen Teil des Kuchens
Wie ein hoher Beamter des Sonderrates für Investitionserleichterungen, der die Bemühungen der Regierung zur Beschaffung von neuen Investitionen und zwecks der Überholung der Wirtschaft lenke, gegenüber Nikkei Asia mitteilte, würde die Hanf-Initiative sehr ernst genommen und alle Dinge entwickelten sich dabei jetzt rasant. Pakistan wolle seine günstigen Anbaubedingungen nutzen, um professionell in den globalen Cannabismarkt einsteigen zu können. Nach Kalkulationen des indischen Marktforschungsunternehmens „MarketsandMarkets“ könne dieser von 27,2 Milliarden Dollar im Jahr 2022 bis zum Jahr 2027 auf 82,3 Milliarden Dollar steigen.
Man suche nach Wegen, die eigenen Exporte zu steigern und die Steuern zu erhöhen, damit die Abhängigkeiten von ausländischen Krediten und Rettungsaktionen des Internationalen Währungsfonds beendet werden können, heißt es dazu. Der Beamte erklärt ebenfalls, dass die neue Koalitionsregierung, die sich aus der Pakistan Muslim League-Nawaz (PMLN) und der Pakistan Peoples Party (PPP) zusammensetzt, eine Regulierungsbehörde eingerichtet hätte.
Diese Behörde solle alle politische Maßnahmen, wie die Vergabe von Lizenzen an Erzeuger und Verkäufer sowie die Ausweisung von Anbaugebieten festlegen. Derzeit würde Cannabis in Regionen nahe der afghanischen Grenze angebaut und offen verkauft, während die Pflanze im Norden und Westen Pakistans eher wild gedeihe.
Die Vergangenheit und Zukunft mit dem Stoff
Die örtlichen Cannabis-Shops des südasiatischen Staates wären bis in die 1970er-Jahre hinein beliebte Anlaufstellen auf dem „Hippie-Trail“ gewesen. Doch der Militärherrscher General Zia-ul-Haq verbot den Konsum und Besitz von Cannabis in den Achtzigerjahren, als der globale Krieg gegen Drogen von US-Präsident Ronald Reagan angeführt worden ist. Mit der nun stattfindenden Wiederentdeckung in Pakistan, soll der Industriehanf in erster Linie dort für die Herstellung von Seilen, Stoffen, Papier und Baumaterialien verwendet werden. Doch auch der medizinische Einsatz ist geplant. So ebne der jüngste Schritt den Weg für den Verkauf von Cannabisderivaten wie THC und CBD an Patienten, die unter chronischen Schmerzen und Krankheiten wie Fibromyalgie und Epilepsie leiden.
Um den Gebrauch von THC zu Rauchzwecken möglichst zu verhindern, hat die Aufsichtsbehörde jedoch strenge Strafen festgelegt. Unternehmen könnten mit einer Geldstrafe von bis zu 200 Millionen pakistanischen Rupien (circa 675.000 €) belegt werden, während Einzelpersonen bei Verstößen gegen die Vorschriften mit Strafen von bis zu 10 Millionen Rupien zu rechnen hätten. Da man laut eines pakistanischen Arztes auch plane, Cannabis zu medizinischen Zwecken einzig auf Rezept auszugeben, könnten die Behörden einen Missbrauch der Naturarznei im größtmöglichen Maße verhindern. „Verschreibungspflichtige Medikamente sollten gefördert werden, aber nicht frei verkäuflich sein“, sagte der in Rawalpindi ansässige Arzt. Er verschreibe seinen Patienten bereits CBD-Öl und setze sich ebenfalls für die Legalisierung von Cannabis ein.
Bedarf an Hanf-Arzneimitteln besteht
Ähnlich wie in anderen Teilen der Welt, sind Menschen, denen reguläre Arzneimittel nicht den gewünschten Erfolg bei ihren Behandlungen bringen, oft auf Hanf-Arzneimitteln angewiesen, die nicht immer in ihrer Nähe verfügbar sind. Daher hätten sich Patienten in Pakistan, die eben nicht auf herkömmliche Medikamente ansprechen, oft CBD-Öle und THC-Produkte im Ausland oder über unregulierte lokale Anbieter besorgt. Doch da die pakistanische Drogenbekämpfungsbehörde ihr Vorgehen gegen illegale Cannabisproduzenten in den Großstädten im Laufe des Februars verschärfte, wurden die bisherigen Versorgungsoptionen stark eingeschränkt.
Da es bislang noch keinen konkreten Zeitplan für den Zugang zu staatlich zugelassenen Medikamenten auf Cannabisbasis gibt, sind diese Patienten jetzt mit einer großen Unsicherheit konfrontiert, wird berichtet. Ein Cannabis-Aktivist aus Karachi, Aamir Dhedhi, sagte in Bezug zur Situation, dass er Rohstoffe von örtlichen Landwirten bezogen hätten, um daraus Öle herzustellen, die er einigen Patienten kostenlos zur Verfügung stellte. Noch im November 2023 wurde er wegen Drogenbesitzes verhaftet, aber die Anklage wurde letztlich im März fallen gelassen. Doch alleine diese Unterbrechung seines Tuns hatte Auswirkungen bei den auf die Naturarznei angewiesenen Patienten.
So litt ein vierjähriges Mädchen ohne die Medizin erneut an schweren epileptischen Anfällen, die zuvor erfolgreich mit dem Cannabisöl behandelt werden konnten. Der Vater berichtet, dass Medikamente aufgrund der strengen US-Vorschriften nicht von amerikanischen Krankenhäusern bezogen werden konnten. Während der Behandlung gingen die Anfälle seiner Tochter dank des THC-Öls von 100 Anfällen pro Tag auf einige anfallsfreie Tage zurück. Aamir Dhedhi plant wohl auch deshalb, eine Lizenz für den Anbau von Cannabis zusammen mit lokalen Züchtern in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa zu beantragen, sobald die pakistanische Regierung mit den entsprechenden Ausschreibungen beginne.
Hanf statt Baumwolle
Assad Farooq, ein Professor an der Universität für Landwirtschaft in Faisalabad, wartet ebenfalls gespannt auf die nächsten Schritte der Regierung. Seine Einrichtung baue auf dem Campus seit 2020 im Rahmen eines Forschungsprojekts für eine in Lahore ansässige Jeansfabrik nicht berauschend wirkenden Hanf unter kontrollierten Bedingungen zur Fasergewinnung an. Er berichtet, dass es eine weltweite Welle von nachhaltiger Mode gäbe. Hanf gelte als die nachhaltigste Faser, weil das Gewächs keine übermäßigen Pestizide, Dünger oder Wasser benötigen würde und dabei noch die Fruchtbarkeit des Bodens erhöhe, so Farooq.
Um die weltweit steigende Nachfrage nach nachhaltigen Textilien zu befriedigen und die schlechten Baumwollerträge in Pakistan auszugleichen, hatte man nach 2020 begonnen, neben Baumwollballen auch Hanffasern zu importieren. Man könne jedoch beträchtliche Devisen einsparen, wenn die fehlenden sieben bis acht Millionen Baumwollballen durch eine einheimische Hanfproduktion ersetzt würden. Es gäbe keine andere Naturfaser, die die schwindende Baumwollproduktion im Land ausgleichen oder ersetzen könne, so der Professor. Es darf daher wohl mit hoher Aufmerksamkeit mitverfolgt werden, wie man sich der Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf in Pakistan zeitnah tatsächlich praktisch annähern wird.