Ein weiterer Mitgliedstaat der Europäischen Union zeigt Absichten, Drogenkonsumenten nicht weiter juristischen Sanktionen auszusetzen. Die norwegische Regierung hat kürzlich einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Entkriminalisierung des Besitzes illegaler Substanzen zum Ziel hat.
Interesse an progressiven Reformen
Im aktuellen Jahr 2021 haben bereits mehrere Regionen der Welt für Schlagzeilen gesorgt, da sie liberale Reformabsichten in Bezug auf Cannabis oder andere verbotene Substanzen geäußert hatten. Auch die UN ist gerade im Begriff die Haltung gegenüber Cannabis zu überdenken, was natürlich die Lockerungen nationaler Gesetze beflügeln könnte. Die meisten richten ihren Blick immer noch erwartungsvoll über den Atlantik, wo wahrscheinlich sowohl Mexiko als auch einige US-Bundesstaaten in den kommenden Monaten Legalisierungsreformen umsetzen werden. Aber so weit müssen wir gar nicht schauen, auch einige Kilometer näher an unseren Gefilden tut sich einiges.
Umsetzung der Legalisierung in Luxemburg ungewiss
Bis vor einiger Zeit hatte man in Europa noch gespannt darauf gewartet, dass Luxemburg endlich ernst macht und die lange angekündigten Reformen der Cannabisgesetze realisiert. Mit den Plänen, die bereits in Details ausgearbeitet waren, würde Luxemburg mit einem Mal das europäische Land mit der fortschrittlichsten Cannabispolitik. Doch nun könnte es sein, dass sich die Regierung zu lange Zeit lässt. Wenn die kommenden Wahlen eine andere Regierung begünstigen sollte, kann es passieren, dass die Gesetzentwürfe in der Schublade verschwinden und vorerst nicht weiter diskutiert werden. Doch in der Zwischenzeit machen andere EU-Staaten Anstalten, progressive Veränderungen ihrer Cannabisgesetze herbeizuführen.
Umfassende Entkriminalisierung in Norwegen
Vor einigen Tagen hatte die norwegische Regierung einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Kriminalisierung des persönlichen Besitzes nicht nur von Cannabis, sondern von illegalen Substanzen allgemein, beenden soll. Abgeordnete der sozialliberalen Partei Norwegens (Venstre) stellten den Entwurf dem Parlament vor, der den Besitz geringer Mengen von Drogen aus dem strafrechtlichen Bereich entfernen soll und zu einer Art Ordnungswidrigkeit herabstufen würde. Der Reformvorschlag ist in Folge einer Empfehlung des norwegischen Drogenreformkomitees an die Regierung entstanden, die im vergangenen Dezember eine Entkriminalisierung vorgeschlagen hatte.
Konsumenten brauchen Hilfe, keine Bestrafung
Die Bildungsministerin Norwegens, Guri Melby, sagte im Rahmen einer Pressekonferenz, dass man nun endlich aus den Jahrzehnten der Unterdrückung lernen sollte. Man solle lernen, dass der strafrechtliche Umgang mit Konsumenten nicht funktioniert, im Gegenteil, er habe eher negative Folgen. Drogenabhängige brauchen Hilfe, so Melby, keine Bestrafung. Wenn wir Süchtige als Kranke anerkennen, müssen wir sie wie Kranke behandeln, nicht wie Kriminelle. Mit dieser Begründung soll bei konsumnahen Delikten im Zusammenhang mit illegalen Substanzen in Zukunft obligatorische Maßnahmen der Suchthilfe angeordnet werden. Sollte die Teilnahme einer solchen Maßnahme verweigert werden, soll eine Geldstrafe folgen, aber keine Haftstrafe. Tatsächlich gibt es aber auch Zweifel an einigen Details des Gesetzentwurfs. Denn manche Konsumenten lehnen Behandlungen und Maßnahmen der Suchthilfe ab. Einige, zum Beispiel viele Cannabiskonsumenten mit unproblematischen Konsumgewohnheiten, benötigen auch keinerlei Behandlungen.
Auch der norwegische Gesundheitsminister Bent Hoeie, der zur konservativen Regierungspartei gehört, sieht eine Chance in einer reformierten Drogenpolitik, die weniger auf Sanktionen setzt. Menschen mit problematischen Konsummustern könnten eher die Institutionen der Prävention und der Suchthilfe aufsuchen, wenn ihr Konsum sie nicht in Konflikt mit dem Gesetz bringt. Wer keine Strafen befürchten muss, sucht sich eher Hilfe, so Hoeie.
Reformvorschlag mit gute Erfolgschancen
Im Gesetzentwurf sind bereits einige Details vorgeschlagen, wie man mit geringfügigen Drogendelikten umgehen soll. Der Besitz von zwei Gramm Kokain, Heroin oder Amphetamin würde demnach keine strafrechtlichen Konsequenzen mehr nach sich ziehen. Die Besitzgrenze für Cannabis würde dagegen bei zehn Gramm liegen. Insgesamt orientiert sich der norwegische Gesetzentwurf stark am portugiesischen Entkriminalisierungsmodell. Nun benötigt der Vorschlag noch die Zustimmung einer Oppositionspartei, damit er verabschiedet und als Gesetz in Kraft treten kann.