Mit 37 Jahren ist Jacinda Ardern seit Oktober 2017 die jüngste Premierministerin in der Geschichte des Landes. Ganz oben auf ihrer Agenda steht ein Referendum, in dem die neuseeländische Bevölkerung innerhalb der nächsten drei Jahre über eine Legalisierung von Cannabis abstimmen soll. Damit wäre der Inselstaat nach Uruguay das nächste Land, das Cannabis freigibt.
Jacinda Ardern – was steckt hinter dem „Jacindaism“
Ihre politische Karriere begann bereits im jungen Alter von 17 Jahren und seit 2008 vertritt Jacinda Ardern die Labour Partei im neuseeländischen Paralament. Als Andrew Little im Juli 2017 als Parteiführer der Labour Partei zurücktrat, übernahm sie im August den Vorsitz der Partei. Mit Unterstützung der Grünen wurde sie zur 40. Premierministerin des Landes gewählt und im Oktober als Nachfolgerin des konservativen Bill English vereidigt.
Mit ihren 37 Jahren ist die Labour Politikerin die jüngste Premierministerin in der Geschichte des Landes und für einen enormen Anstieg der Beliebtheit ihrer Partei verantwortlich. Einer Umfrage zufolge waren unter dem Vorsitz von Andrew Little lediglich 24 % aller Befragten dazu bereit, die Labour Partei mit ihrer Stimme zu unterstützen. Nach dem Amtsantritt von Ardern Anfang August wollten 46 % der neuseeländischen Bevölkerung ihre Stimme für die Partei einsetzen.
Der enorme Anstieg der Beliebtheit ist nicht nur auf die natürliche und sympathische Art der jungen Frau zurückzuführen. Sie spricht moderne Themen an und setzt sich für eine liberalere Politik in vielen Bereichen des Lebens ein. So hält es die Tochter eines Polizisten in der heutigen Zeit für überhaupt nicht mehr angebracht, Frauen vor die Wahl zwischen Kind oder Karriere zu stellen. Eine derartige Behandlung von Frauen sei sexistisch und könne nicht akzeptiert werden, so Ardern. Die jüngere Bevölkerungsschicht kann sich mit dem Auftreten und Rhetorik von Jacinda Ardern identifizieren und im Wahlkampf sprach sie oft davon, „ihrer Generation“ den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum zu ermöglichen.
Ein weiteres ganz großes Thema auf der Agenda der jungen Politikerin ist ein Volksentscheid über die Legalisierung von Cannabis.
Cannabis in Neuseeland
In einer Studie des Gesundheitsministeriums bezüglich des Cannabiskonsums der neuseeländischen Bevölkerung gaben 11 % der über 15-Jährigen an, in den letzten 12 Monaten Cannabis konsumiert zu haben. 34 % aller Konsumenten gaben an, im letzten Jahr mindestens einmal pro Woche mediziniert zu haben. Die University of Auckland liefert in diesem Zusammenhang noch weitere Daten. Demnach sollen in etwa die Hälfte der 15- bis 65-jährigen NeuseeländerInnen schon einmal Cannabis ausprobiert haben. Jeder sechste „Kiwi“ bezeichnet sich selbst als regelmäßiger Konsument. Cannabis scheint also in der neuseeländischen Bevölkerung weit verbreitet zu sein.
Der rechtliche Status von Cannabis in Neuseeland ist eindeutig. Cannabisprodukte gelten laut dem Drogenmissbrauchsgesetz aus dem Jahr 1975 als Substanzen der Kategorie B bzw. C. Handel, Besitz, Anbau und Konsum sind somit strafbar.
Wie leider in vielen Ländern der Erde regelt auch in dem jungen Land mit lediglich mit knapp 4,3 Mio. Einwohner ein über 40 Jahre altes Gesetz den Umgang mit Cannabis. Als Folge davon finden sich Cannabisprodukte wie Öle oder Haschisch auf einer Stufe (Kategorie B) mit Morphium, Opium und Ecstasy. Die Samen der Pflanze sowie die Pflanze selbst fallen unter Kategorie C. Der 2015 erschienene Dokumentarfilm „Druglaweed“ von Arik Reiss und Barry Toms erklärt, wie Neuseeland in den von den USA angeführten Krieg gegen Drogen mit hineingezogen wurde. Jedes Jahr landen dort Hunderte von Menschen wegen Cannabis im Gefängnis. Allein in den letzten 6 Jahren war der Besitz von Cannabis oder Rauchutensilien (!) für die Hälfte aller Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz verantwortlich! Bei mehr als 2.800 dieser Verstöße mussten Beschuldigte ins Gefängnis.
Cannabis nach der Wahl
In einem TV-Duell gegen Jonny English, dass im Vorfeld der Wahl abgehalten wurde, stand später die Frage im Raum, ob man Cannabis für medizinische Zwecke legalisieren müsse. Beiden standen 30 Sekunden für ihre Antwort zur Verfügung. Ohne zu zögern, sagte Jacinda Ardern: „Dafür benötige ich keine 30 Sekunden. Die Antwort lautet eindeutig ja“. „Weiter fuhr sie fort, dass es todkranke Menschen gibt, die ein zuverlässiges Schmerzmittel benötigen, ohne dabei vor Probleme gestellt oder sogar kriminalisiert zu werden. Ganz einfach.“ Im Wahlkampf machte sie immer wieder deutlich, wie wenig sie von der rechtlichen Verfolgung von Cannabiskonsumenten hält. Offensichtlich konnte sie viele NeuseeländerInnen damit überzeugen.
Bereits zuvor machte der stellvertretende Gesundheitsminister Peter Dunne den Vorschlag, weiche Drogen aus der Kategorie C zu entfernen und den Weg für einen regulierten Markt zu öffnen. Ähnlich dem portugiesischem Vorbild erhoffe man sich einen Rückgang der Häftlingszahlen und Straftaten, so Dunne. Der Vorgänger von Andern, Bill English, lehnte den Vorschlag kategorisch ab und verwies auf die schädliche Wirkung von Cannabis. Dabei bräuchte das Land unbedingt eine Lösung für das massive Drogenproblem. In den Abwässern verschiedener Städte fand die neuseeländische Abwasserbehörde Methamphetamin, Codein, Morphium und Methadon in einer hohen Dosierung. Während sich Spuren von Methamphetamin jeden Tag nachweisen ließen, kommt an Wochenende vermehrt Kokain hinzu. Die Studie kam zu dem erschreckenden Ergebnis, dass täglich pro1000 Menschen schätzungsweise 360 mg Meth und 60 mg MDMA konsumiert werden. In der zweitgrößten Stadt Auckland wäre das im Durchschnitt ein halbes Kilo Methamphetamin pro Tag. Unter Jacine Ardern dürfte der Gesundheitsminister mit seinem Vorschlag bessere Chancen haben und vielleicht besitzt die neue Regierung das Potenzial, eine moderne Lösung für das Problem zu erarbeiten.
Einen kleinen Erfolg in Sachen medizinisches Cannabis konnte Peter Dunne bereits feiern, denn seit Mitte des Jahres erhalten Patienten nun einen vereinfachten Zugang zu Cannabidiol (CBD), ohne dabei die Bewilligung des Gesundheitsministeriums einholen zu müssen. Bisher konnten Ärzte CBD-Produkte nur mit der Bestätigung des Gesundheitsministeriums verschreiben.
Vor allem den Grünen dürfte die neue Premierministerin in die Karten spielen. Die geplante Gesetzesänderung geht nämlich auf eine Initiative der Partei zurück. Sie fordern eine Legalisierung von Cannabis für den Eigenkonsum, darunter fallen auch Besitz und Anbau. Außerdem fordern sie eine Altersbeschränkung für den legalen Gebrauch der Pflanze und eine Abschaffung der strafrechtlichen Verfolgung für Anbauer, die Cannabis aus medizinischen Gründen anbauen. Der Leiter der neuseeländischen Drogenbehörde, Ross Bell, sagte dazu, die Umfragen seiner Behörde legen nahe, dass 65 % eine Legalisierung begrüßen würden. Zudem glaubt er, ein neuer Blick auf die veralteten Drogengesetze sei längst überfällig. Wie in vielen anderen Ländern auch seien die Drogengesetze längst veraltet und Regierungen sträuben sich oft davor, diese zu ändern. Abschließend verwies er auf das geplante Modell zur Legalisierung von Cannabis in Kanada. Ein solcher Entwurf wäre auch für Neuseeland interessant, fuhr der Vorsitzende der Drogenbehörde fort.
Neuseeland als neues Hanfparadies?
Ob die liberale Einstellung der jungen Labour Politikerin Neuseeland zu einem neuen Paradies für Hanffreunde machen wird, bleibt abzuwarten. Die frisch gebackene Premierministerin Jacinda Ardern will die Entscheidung der Bevölkerung überlassen und kündigte für die nächsten drei Jahre eine Volksabstimmung an, in der die Kiwis über die Legalisierung von Cannabis abstimmen können. Ob in Neuseeland bis 2020 dann nach kanadischem Vorbild eine begrenzte Menge legal sein wird und wie genau die Abgabe geregelt ist, bleibt abzuwarten. Mit dem Referendum haben die neuseeländischen Bürger nun die Chance, die verstaubten Drogengesetze zu lockern und vor allem einen liberalen und offenen Umgang mit Cannabis einzuläuten.