In Italien wurde im Januar 2022 eine Ministerverordnung angesetzt, die gegen den Anbau einiger Teile der Hanfpflanze gerichtet war. Nur noch die Samen und die daraus gewonnenen Derivate sollten für den medizinischen Einsatz geeignet sein, was die Verarbeitung und die Nutzung von Blättern und Knospen verhindern würde. Vor allem die Anbau-, Verarbeitungs- und Vermarktungsaktivitäten von nicht berauschend wirkenden Teilen des Gewächses, die jedoch nicht zu den Samen zählen, schufen eine offensichtliche Benachteiligung aller Akteure der Branche in Italien.
Man versuchte mit der Verordnung zu erreichen, dass alle anderen Teile in den Bereich des Einheitsgesetzes über Betäubungsmittel gestellt werden können. Dagegen haben vier Hanffachverbände des Landes (Canapa Sativa Italia, Sardinia Cannabis, Resilienza Italia, Federcanapa) eine Klage bei dem Verwaltungsgericht der Region Latium eingereicht, da man überzeugt war, dass die Verordnung im Widerspruch zur internationalen, gemeinschaftlichen und nationalen Gesetzgebung stünde. Nun hat man vor dem Gericht einen Sieg errungen, der aufgrund von frischen Entwicklungen in anderen Teilen Europas zustande kam.
Absolutes Verbot ist nicht gerechtfertigt
Der italienische Staat hat den Rechtsstreit mit den Hanffachverbänden verloren. Das Verwaltungsgericht der Region Latium hat sich nach der Annahme der Klage der Verbände bei seinem positiven Urteil auf den französischen Conseil d’Etat bezogen, wo erst vor ein paar Tagen eine Entscheidung über den Umgang mit CBD-Blüten gefällt wurde. Dort ist entschieden worden, dass ein absolutes Verbot des Verkaufs von Blättern und Knospen mit einem THC-Gehalt unterhalb der in der EU geltenden gesetzlichen Grenzwerte nicht aufgrund von potenziellen Risiken für die öffentliche Volksgesundheit gerechtfertigt ist.
Am 15.02.2023 erhielten die Fachverbände indessen eine definitive Bestätigung, dass die Einschränkungen für diese spezielle landwirtschaftliche Branche nicht ohne gültige wissenschaftliche Beweise vorgenommen werden können. Doch diese sind nicht vorhanden. THC-freie Hanfpflanzen sind dazu kein Bestandteil aller internationalen Abkommen über Betäubungsmittel. Aus diesem Grund dürfen der Markt und die industriellen und medizinischen Anwendungen nicht eingeschränkt werden, so das Urteil. Gültig wäre das geplante Genehmigungsregime nur dann, wenn eine zweite Umwandlung der Pflanzenteile zur Herstellung von Medikamenten stattfände, doch der unverarbeitete Hanf sei davon ausgenommen.
Auf Verbände hören
Der Hanffachverband Sardinia Cannabis beklagt in seiner Nachricht über das positive Urteil, dass man die Kosten für diesen Prozess, die für den italienischen Staat entstanden sind, nicht hätte stemmen müssen, wenn die Behörden den Verbänden richtig zugehört hätten. Man hofft darauf, dass die Entscheidung des Gerichtes nun dafür etwas Sorge tragen kann, fortan auf mehr Gehör zu stoßen, um künftige Fehltritte zu verhindern. Froh ist man aber in jedem Fall darüber, die Herausforderung angenommen zu haben, da künftig die Anwendungen von Hanf nicht länger ohne konkrete Gründe eingeschränkt werden können. Dazu habe man mit dem Rechtsstreit auf lange Sicht dafür gesorgt, dass die einzelnen zuständigen Ministerien entlastet worden sind. Diese müssten sich jetzt schließlich nicht mehr um die „vermeintliche“ und nicht mehr zu rechtfertigende Notwendigkeit der Einschränkung bezüglich der freien Zirkulation von Hanfpflanzen kümmern.
Nächste Schritte
Da die einst geplante nationale Gesetzgebung mit einem Verkaufsverbot von Produkten der Hanfpflanze, die nicht aus ihren Fasern oder Samen gewonnen worden sind, im Widerspruch zu den Artikeln 34 und 36 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union steht, wird die Verordnung aufgehoben. Eine derartige Herangehensweise dürfe sonst nur den Schutz der öffentlichen Gesundheit zum Ziel haben, aber nicht über das hinausgehen, was für ihre Erreichung erforderlich wäre. Daher hat das Verwaltungsgericht den Erlass hinsichtlich des Absatzes 2 Artikel 2 aufgehoben, was die Verwaltungen jetzt dazu zwingt, die ergriffenen Maßnahmen zu überprüfen. Sie gehören fortan in Einklang mit den EU-Grundsätzen der Vorsicht und Verhältnismäßigkeit gebracht, so die Entscheidung.
Der Anwalt Giacomo Bulleri kommentierte das Urteil dahin gehend, dass das Verwaltungsgericht unter Berufung auf den französischen Conseil d‘Etat festgestellt habe, dass ein generelles und absolutes Verbot des Verkaufs von Cannabisblättern und -blüten mit einem THC-Gehalt unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte nicht durch die Risiken für die öffentliche Gesundheit gerechtfertigt sei. Italien schließe sich somit dem jüngsten Urteil des französischen Staatsrates in dieser Frage an. Er dankt den Verbänden, welche an den Appell geglaubt haben und empfände eine „große persönliche und berufliche Zufriedenheit“ über den errungenen Sieg.
Da in Deutschland selbst gefällte Freisprüche für CBD-Händler vom Strafsenat des Bundesgerichtshofs aufgrund einer Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben werden können, ist hier allen Richtern im Land einmal mehr ans Herz gelegt, die diesbezüglichen Entwicklungen in anderen Teilen Europas etwas genauer zu verfolgen.