Immer mehr Länder in Europa und der Europäischen Union wollen etwas an der fehlgeleiteten Cannabispolitik ändern, die für einen viel zu lange währenden Zeitraum großes Unglück für eine große Anzahl von Personen bedeutete. Obwohl kein Schaden durch den Gebrauch von Marihuana für Außenstehende entsteht und einzig der Nutzer vom Einsatz betroffen ist, mussten letztere mit Strafverfolgung und schlimmstenfalls gar Inhaftierungen rechnen.
Der Konsum ging dennoch nicht zurück, sondern steigerte sich in der Vergangenheit kontinuierlich. Da dies von immer mehr Menschen in der Politik wahrgenommen und verstanden worden ist, fand und findet ein Paradigmenwechsel statt, der eine Verbesserung der Situation verspricht. Doch einst geplante Legalisierungsversuche, die einen vollständig geöffneten und auch kommerziellen Genussmittelmarkt für Erwachsene vorsahen, mussten aufgrund von EU-Recht wieder eingestampft werden, sodass bislang auf dem Kontinent einzig die „Legalisierung light“ oder Pilotprojekte eine Lösung für das Problem darstellen konnten.
So geschehen in Malta, der Schweiz, Luxemburg und künftig wohl auch in Deutschland. Nur in der Tschechischen Republik will man trotz der Bedenken, gegen EU-Recht verstoßen zu können, einen legalen Markt für Cannabis eröffnen, um den Schwarzmarkthandel nach besten Möglichkeiten austrocknen zu können. Doch all diese Verschiebungen der einstigen Betrachtungsweise von Marihuana und dessen Konsumenten sorgt nun langsam aber sicher auch dafür, dass in der gesamten EU diesbezüglich ein wenig umgedacht werden muss. Signale zunehmenden Wandels bezüglich Cannabisreformen sind mittlerweile wahrnehmbar.
Bürgerinitiative zwecks Cannabisreform
Wie businessofcannabis.com am 13.02.2024 meldete, hat die Europäische Kommission (EK) in der vergangenen Woche eine neue „Europäische Bürgerinitiative“ zur Cannabisreform teilweise gebilligt. Dies ließe sich dahin gehend verstehen, dass sie der sich verändernden Landschaft in Bezug auf die Cannabisregulierung in der Europäischen Union (EU) zunehmend Rechnung tragen würde. Ein kürzlich erschienener Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) hob diese Entwicklung hervor und verschiedene Absichten das Thema betreffend wurden darlegt.
Man wolle zukünftig nicht nur die Kapazität zur Überwachung der Entwicklungen bei der Cannabisregulierung in den Mitgliedstaaten erhöhen, sondern auch eine aktivere Rolle betreffend der Versorgung aller politischen Entscheidungsträger mit Informationen zu Cannabisreformen übernehmen. Den Trend, dass Länder in ansteigendem Maße Alternativen zur Prohibition erforschen würden, habe die EBDD erkannt, heißt es. Sie sagte daher, dass die Frage, was eine angemessene politische Reaktion auf Cannabis darstelle, sowohl aktuell als auch wichtig geworden wäre. Zusammenhängen wird dies unter anderem auch mit der Vorlage von drei Vorschlägen von einer unter dem Namen „Europäische Cannabisinitiative“ gelisteten Bürgerinitiative, deren Registrierung die Europäische Kommission in zwei Fällen zustimmte.
Darauf weist die Cannabisinitiative hin
Die „Europäische Bürgerinitiative“ ist ein Mechanismus, der 2007 als Teil des Vertrags von Lissabon eingeführt wurde, um den EU-Bürgern die Möglichkeit zu geben, einen direkten Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Sie müssen von EU-Bürgern mit Wohnsitz in mindestens sieben verschiedenen Mitgliedsländern initiiert werden. In dem nun Cannabis betreffenden Fall stammen dieses unter anderem von Francesca Capuozzo von EUmans, dem in Deutschland bekannten Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband und von der Drogenpolitikerin Natalie O’Regan.
Am 12. Januar 2024 reichte die „Europäische Cannabisinitiative“ ihre Vorschläge ein und argumentierte das notwendige Umdenken in der Cannabispolitik mit dem Fehlen signifikanter Fortschritte bei der Eindämmung illegaler Drogen in Europa. Jahrzehntelang hätte die Nachfrage nach Drogen und das Angebot auf dem europäischen Kontinent schließlich nicht reduziert werden können. Es gäbet keine Belege dafür, dass die Verschärfung von Strafen zu einem wirksameren europäischen Drogenkontrollsystem geführt hätten, heißt es. Während gleichzeitig Mittel zur Verringerung der mit dem problematischen Drogenkonsum verbundenen Risiken oder Schäden bereitgestellt wurden, sei damit kein Erfolg erzielt worden.
Eine Drei-Punkte-Agenda
Man verwies seitens der „Europäischen Cannabisinitiative“ darauf, dass zahlreiche Beispiele für einen zunehmenden Wandel in der Drogenpolitik in den EU-Mitgliedstaaten stünden. Innovative Ansätze für eine menschenrechtszentrierte Drogenpolitik würden verfolgt, die die EU zum Teil übernommen hätte. Vor diesem Hintergrund legte die Initiative eine Agenda vor, die aus drei Punkten besteht. So fordert man als Erstes die Einberufung einer „transeuropäischen Bürgerversammlung“ zur Cannabispolitik in der gesamten EU. Doch dieser erste Punkt wurde von der Europäischen Kommission abgelehnt, obwohl man in Irland mit einem vergleichbaren Format erst kürzlich einen gewissen Erfolg hatte. Dort wurde seitens der „Citizen Assembly“ der Regierung empfohlen, strafrechtliche Verurteilungen wegen Drogenbesitzes zu minimieren oder möglicherweise gleich ganz abzuschaffen.
Laut der Europäischen Kommission falle ein solcher Antrag nicht in die Zuständigkeit der Kommission, selbst Vorschläge für einen Rechtsakt vorlegen zu können. Der zweite Vorschlag der Cannabisinitative schlägt hingegen vor, eine Förderung des Zugangs zu medizinischem Cannabis auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Erfahrungen von Patienten zu gewährleisten. Auch müsse der Transport von Cannabis und seinen Derivaten, die zu therapeutischen Zwecken verschrieben werden, in der gesamten EU gestattet sein. Nur so könne man eine volle Wahrnehmung des Rechts auf Gesundheit garantieren.
Dieser eingereichte Antrag wurde erfolgreich registriert. Im dritten Punkt empfahl man, die Bereitstellung notwendiger Ressourcen für die Erforschung von Cannabis – auch in der Kräuter- sowie der traditionellen Medizin – für die therapeutische Verwendung und deren internationale Verbreitung. Auch hier fand die Registrierung statt, weshalb die EBI nun sechs Monate Zeit hat, um eine Unterschriftensammlung zu starten, bei der nach zwölf Monaten die Menge von einer Million verifizierter Unterschriften aus mindestens sieben verschiedenen EU-Mitgliedstaaten eingeholt werden müssten.
Behörden wollen Gesetzgeber unterstützen
Während derselben Woche veröffentlichte die EBDD ihr „Einheitliches Programmplanungsdokument“, in dem sie ihre geplanten Aktivitäten für die nächsten zwei Jahre darlegte. Diesen kommenden Zeitraum bezeichnete die Behörde als „zweifellos die bisher transformative Phase seit Bestehen der Agentur“. Die gesamte Organisation soll am 2.07.2024 durch die Drogenagentur der Europäischen Union (EUDA) ersetzt werden, und kann mit einem erweiterten und verstärkten Mandat, einer Aufstockung des Personals um 40 und einer Erhöhung des Budgets um 80 Prozent rechnen. Sie wird sich in ihre Aufgabe zwar speziell auf die Überwachung und Bekämpfung des illegalen Drogenmarktes konzentrieren, doch scheint die Organisation ebenfalls den Blick darauf zu haben, was einen als anhaltenden Trend zur Liberalisierung der Cannabispolitik in ganz Europa erwarten würde.
Notwendig scheint es aber, dass man Ressourcen zur Unterstützung politischer Entscheidungsträger bei der Umsetzung evidenzbasierter Veränderungen im Bereich der Cannabispolitik mittels eines „Toolkits“ freigeben wolle. Da sich der Cannabismarkt in den vergangenen Jahren verändert habe und Cannabisprodukte in Europa immer vielfältiger würden, erklärte man ebenso, sich ab 2024 „verstärkt auf die Entwicklung von Ressourcen im Bereich der Cannabispolitik und Interventionen konzentrieren“ zu wollen.
Cannabispolitik global betrachtet
Die EBDD führt in diesem Kontext aus, dass die Entwicklungen auf dem europäischen Cannabismarkt in einer globalen Betrachtungsweise stattfänden. Unterschiedliche Länder würden zunehmend nach Alternativen zur Prohibition suchen und einige auf regulierte oder legalisierte Cannabismärkte für den Freizeitkonsum zusteuern. Einige EU-Mitgliedstaaten hätten schließlich auch damit begonnen, ihren politischen Ansatz für den Freizeitkonsum von Cannabis zu ändern.
„Jüngste Entwicklungen zeigen, dass es verschiedene Optionen gibt, darunter Systeme mit strafrechtlichen Sanktionen für Konsumenten, Systeme mit Genehmigungen für den Heimanbau und den privaten Konsum sowie Systeme mit staatlich kontrollierter oder kommerzieller Produktion und dem Verkauf“, so die Behörde.
In den letzten Jahren hätte die EBDD immer mehr Anfragen von Mitgliedstaaten in diesem Bereich entgegengenommen und nationale Initiativen unterstützt. Insbesondere wäre dies bei der Entwicklung betreffend Kennzahlen von Cannabis und der Überwachung aller Auswirkungen von Änderungen der Cannabispolitik vonstattengegangen. Um den gesamten Wandel in der Cannabispolitik zu überwachen und die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit und den illegalen Markt zu untersuchen, wäre es vonnöten, eine „geeignete Dateninfrastruktur“ aufzubauen. In den kommenden zwei Jahren will man daher auch die Grundlagen für ein passendes „Werkzeugset“ betreffend der Cannabispolitik schaffen, mit dem „politische Entscheidungsträger und Planer bei der Entwicklung und Bewertung der Cannabispolitik in ihren Ländern“ künftig besser unterstützt werden können.
Dass die bisherige Cannabispolitik gescheitert ist, dürfte nach diesen EU-Nachrichten in jedem Falle durchklingen. Prohibitionisten sollten daher genauer hinhören und vielleicht einmal die sinnvollen Ratschläge endlich auch zukünftig mit einem guten Gewissen annehmen.