Am vergangenen Sonntag sind in Europa Millionen Bürger aus dem Haus gegangen, um das ihrem Wohnort zugewiesene Wahllokal aufzusuchen. Das Europäische Parlament wurde gewählt und das Ergebnis liefert viel Zündstoff. Was aber bedeutet das für die Cannabispolitik in der EU für die nächsten Jahre?
Eines der nächsten Unwörter des Jahres könnte vielleicht „Rechtsruck“ heißen, denn in der Berichterstattung über die Wahlen des Europaparlaments am 9. Juni 2024 fand es eine geradezu inflationär häufige Verwendung. Und die Wahlergebnisse beschreiben genau diese Bewegung der politischen Ausrichtung einiger Länder und eigentlich in ganz Europa, es geht ruckartig nach rechts.
Auch wenn sich die politische Gesinnung einer Partei nicht zwingend an der Haltung bezüglich Cannabis orientiert, so bringt die überwiegend konservative Haltung rechtsgerichteter Menschen meist eine gewisse Ablehnung gegenüber der Pflanze mit sich. Der deutsche Hanfverband DHV hat es sich zur Gewohnheit gemacht, vor Wahlen eine Art Wahlcheck zu veröffentlichen, in welchem eine Liste von liberalisierenden Maßnahmen (z. B. Entkriminalisierung, Anpassung EU-Recht, Legalisierung) aufgeführt wird, und welche Partei sich zu diesen auf welche Weise positioniert hat. Der Wahlcheck für die Europawahl konnte die Tendenz zu einer restriktiven cannabispolitischen Haltung bestätigen.
Sind die Cannabis Liberalisierungen gefährdet?
Liberalisierungen sind mit der AfD und auch mit vielen anderen rechten Parteien in Europa kaum zu bewerkstelligen. Mit dem beschworenen Rechtsruck rückt die Anpassung der europäischen Rechtslage zugunsten der Legalisierung von Cannabis mit reguliertem Handel in Fachgeschäften für die nächsten Jahre vielleicht in weite Ferne. Nur vielleicht? Ja, denn die Chancen, etwas zu bewegen, sind zwar geringer geworden, ganz verschwunden sind sie jedoch nicht. Vor allem die nächsten Wahlen in Kommunen, Regionen, Bundesländern und Nationalstaaten sind nun entscheidend dafür, wie es mit der Cannabispolitik in der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten weitergehen wird.
Frankreichs Cannabispolitik auf verlorenem Posten?
Nicht nur die aktuelle Ampel-Regierung in Deutschland wurde bei den Wahlen des Europaparlaments abgestraft, auch international wurden viele Regierungsparteien und Koalitionen abgestraft. In Frankreich erhielt Marine Le Pen’s rechtsnationale Partei Rassemblement National (RN) doppelt so viele Stimmen wie das Lager des französischen Präsidents Emmanuel Macron. Dieser sah mit dem Ergebnis auch die Legitimation für seinen Regierungsanspruch nicht mehr gegeben, und so hat er kurzerhand das Parlament des Landes aufgelöst und Neuwahlen angekündigt.
Ganz nebenbei, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder legte Bundeskanzler Olaf Scholz den gleichen Schritt für Deutschland nahe. Da Europapolitik und Bundespolitik allerdings zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind, lehnt die Bundesregierung dies selbstverständlich kategorisch ab. Frankreich wird mit Le Pen und der RN, sollte die Partei die künftige Regierung gestalten, kaum in näherer Zukunft eine Legalisierung von Cannabis anstreben. Insofern bleibt zu hoffen, dass die Wählerschaft der Mitte und der Linken dies bei den Neuwahlen zu verhindern weiß.
Politik auf jeder geografischen Ebene beeinflussen
Die französische Cannabispolitik ist auch für andere Bürger innerhalb der Europäischen Union von großer Bedeutung, schließlich hat La Grande Nation großen Einfluss innerhalb des Staatenbündnisses. Wer nun Aktivismus für die Liberalisierung von Cannabis betreiben will, kann oder muss dies auf vielen Ebenen tun. Wer einen Bezug zu Menschen in anderen europäischen Ländern hat, kann hier versuchen, Überzeugungsarbeit zu leisten, ob es Verwandtschaft in Frankreich sind, oder Freunde in Polen.
Die geografischen Grenzen werden für den Cannabis Aktivismus der Zukunft nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, denn auf allen Ebenen muss die Politik beeinflusst werden. Eines der wichtigsten Instrumente aber wird unsere Stimme auf Wahlzetteln sein, ob in der Gemeinde, im Landtag, im Bundestag oder in Europa. Jede Möglichkeit zur Stimmabgabe sollte unbedingt genutzt werden, um einerseits dem Rechtsruck etwas entgegenzusetzen, und andererseits auch Fortschritte in der internationalen Cannabispolitik zu machen und zu sichern.