Obwohl die spanische Politik in Bezug auf Drogen, im Besonderen auf Cannabis, im europäischen Vergleich als locker gilt, ist Cannabis eigentlich nicht wirklich legalisiert, weder medizinisch noch als Genussmittel. Die Social Clubs schöpfen den Rahmen der Toleranzpolitik und der Entkriminalisierung der Konsumenten voll aus, und nicht selten übertreten sie ihn.
In Spanien sind einige der engagiertesten Forschungsteams, die sich mit Cannabis auseinandersetzen. Und nicht nur sie befürchten, dass Spanien als Akteur in der globalen Cannabisindustrie kaum eine Rolle spielen wird, wenn die Politik keine konsequenteren Schritte geht.
Die Reformen der Cannabispolitik stagnieren
Seit einigen Jahren zeigt die spanische Regierung keine Fortschritte mehr in der Cannabispolitik. Auch die derzeitige Landesführung der Sozialistischen Partei (PSOE) unter Premierminister Pedro Sánchez macht keine Anstalten, weitere Reformen in Gang zu bringen. Und das, obwohl der Druck der Öffentlichkeit, der Industrie und auch einiger Politiker auf die Regierung wächst. Man hat, durch die Unterstützung zweier anderer Parteien, unlängst eine Kommission für den Rechtsstatus von Cannabis eingerichtet. Diese wurde aber niemals aktiv.
Spanien überlässt das Marktpotenzial für Cannabis dem organisierten Verbrechen
In Spanien gibt es Potenzial für das Geschäft mit Cannabis. In dem Land am Mittelmeer gibt es über 120.000 Patienten mit MS, Epilepsie, Krebs und chronischen Schmerzen, die von Medizinalhanf profitieren könnten. Außerdem ist der Konsum von Cannabis als Genussmittel ist das am häufigsten übertretene Gesetz in Spanien. Während aber die legale Cannabisindustrie weltweit heute schon sechs Milliarden US-Dollar im Jahr umsetzt, werden in Spanien gerade einmal fünf Millionen generiert.
Der Rest des Potenzials wird vom Schwarzmarkt beherrscht, also der organisierten Kriminalität. Durch den Einbruch des Reformwillens vonseiten der spanischen Regierung bleiben die Möglichkeiten der Spanier also ungenutzt. Und das, obwohl eine legale Cannabisindustrie neben den Steuereinnahmen auch sehr viele Arbeitsplätze mit sich bringen würde, auf die Spanien eigentlich kaum verzichten kann. In den USA arbeiten heute bereits über 160.000 auf dem Cannabis-Sektor.
Der Konsum ist entkriminalisiert, aber die legale Cannabis-Branche bleibt auf der Strecke
Spanien bleibt bis Dato auf der internationalen Bühne des Cannabishandels außen vor. Und das, obwohl es die klimatischen Voraussetzungen bietet, das Kalifornien des europäischen Cannabis zu werden. Ähnlich wie in Deutschland, wenn auch etwas liberaler, steckt man in der Prohibition fest. Vielleicht meint man, mit der Entkriminalisierung und der Duldung der regional legalen Cannabis Social Clubs ausreichend progressive Schritte gegangen zu sein.
Damit verweigert man den Bürgern und dem Land die Möglichkeiten, sich an einem Markt zu beteiligen, von dem man erwarten kann, dass er in den kommenden Jahren weiterhin ein immenses Wachstum vorweisen wird. Parteien wie Podemos, geführt von Pablo Iglesias, sind für umfassende Legalisierungen, doch ihr politisches Gewicht reicht bisher nicht aus, um etwas zu bewegen.
Die Cannabispolitik Europas benötigt den Domino-Effekt
Alles in allem scheint die Cannabispolitik Spaniens sich in einer ähnlichen Lage zu befinden wie die in Deutschland, Österreich oder anderen Ländern in Europa. Es gibt einige Akteure, die engagiert versuchen, die Reformen voranzutreiben, doch die Politik zeigt sich unwillig und zu träge, um mit den weltweiten Entwicklungen Schritt zu halten.
Wenn man sich schließlich eines schönen Tages am Weltmarkt für Hanf- und Cannabisprodukte beteiligen darf, ist man bereits deutlich im Nachteil gegenüber Bewerbern aus Ländern wie Kanada, die sich bis dahin mit Jahren Vorsprung breit aufstellen können. Darum benötigt Europa jetzt Pionier-Nationen in der Cannabispolitik, die es den anderen Mitgliedsstaaten der EU vormachen. Denn das könnte den ersehnten Domino-Effekt auslösen, der die Verbote in den Nachbarstaaten nacheinander zu Fall bringt.