Dass Cannabis Krebszellen tötet, hat der eine oder andere sicher schon mal gehört. Sieht man sich im deutschsprachigen Netz etwas um, mag es vielleicht so aussehen, als wäre die Datenlage tatsächlich etwas dünn. Man stößt auf Beiträge mit Titeln wie „60 Studien, welche die Wirksamkeit von Cannabis bei der Behandlung von Krebs zeigen“.
Sieht man sich etwas weiter um, entdeckt man möglicherweise die Seite der European Coalition for Just and Effective Drug Policies – ENCOD dt. Die europäische Koalition für Recht und effektive Drogenpolitik. Da sieht die Studienlage schon etwas besser aus, was klinische Studien anbetrifft. Es werden dort 700 medizinische Anwendungen für Cannabis sortiert nach Erkrankungen aufgelistet. Leider nur auf Englisch.
Da kommt die Frage auf, wie halten es denn die Amerikaner mit Studien zu Cannabis? Schließlich waren sie doch die Ersten, die den legalisierten Genusskonsum für sich verbuchen konnten. Nach kurzem Stöbern stößt man dann auf US National Library of Medicine National Institute of Health.
Die Nationalbibliothek der Medizin, Nationales Institut für Gesundheit, der Vereinigten Staaten. Was die wohl hergibt, wenn man da einfach mal Cannabis eintippt?
17258 Ergebnisse
Hieß es bisher nicht die Datenlage sei dünn gesät? Jeder kann gerne Cannabis und Cancer, das englische Wort für Krebs, in das Suchfeld eingeben. Da kommen dann immer noch beachtliche 3685 Ergebnisse zutage. Könnten ja keine Studien sein, mag jetzt jemand behaupten. Also fix noch das Wort Study für Studie eingefügt und man erhält trotzdem noch 3347 publizierte medizinische Studien mit Volltextartikeln. Ein tolles Werk. Nur wo liegt das Problem?
Protektionismus
In letzter Zeit ging immer wieder das Wort Protektionismus durch die Medien. Riesig war die Aufregung als der amerikanische Präsident in die Welt hinausrief: America First, America First! Vor allem deutsche Politiker hielten sich mit Warnungen und Drohungen in den öffentlichen Medien als Vorreiter. Neugierig wie man ist, sieht man doch mal nach was genau dieses Wort, über das sich alle Aufregen denn genau aussagt. Laut deutschem Onlinewörterbuch bezeichnet man Protektionismus in Bezug auf ökonomische Sachverhalte alle Maßnahmen in Form von Handelshemmnissen, mit denen ein Staat versucht, ausländische Anbieter auf dem Inlandsmarkt zu benachteiligen, um den inländischen Markt zu schützen. Mittel dafür ist die strategische Handelspolitik.
Ausländische Konkurrenz
Welche ausländischen Konkurrenten könnte es denn so geben? So viele auf Cannabis basierende Medikamente gibt es doch nicht, oder? Gleiches Spiel wie mit den Studien. Sucht man auf Deutsch, wird man nur schwer fündig. Selbst mit verschiedenen Variablen. Mit den Wörtern „list of cannabis based medicine“ findet man gleich zwei Treffer. Immerhin identische Treffer mit jeweils den gleichen zehn Medikamenten:
- Sativex von GW Pharmaceuticals, wofür die Firma Bayer das exklusive Vertriebsrecht für Großbritannien erhielt. Darüber hinaus hatte Bayer für einen begrenzten Zeitraum die Option zur Verhandlung der Vermarktungsrechte in anderen Ländern der Europäischen Union und ausgewählten weiteren Ländern weltweit. Der Vertrieb in Deutschland wird mittlerweile von der Firma Almirall geregelt.
- Dronabinol/ Marinol in Deutschland von Bionorica, in Amerika von Unimed Pharmaceuticals
- Nabilone / Cesamet von Valeant Pharmaceuticals International
Die anderen 7 haben es wohl aus verschiedenen Gründen nicht auf den Markt geschafft.
Darunter wären: Dexanabinol, CT-3, Cannabinor, HU 308, HU 331, Rimonabant, Taranabant.
Obendrein gibt es noch Epidiolex, was ebenfalls von der Firma GW Pharmaceuticals hergestellt wird. Welches in einer Phase-3-Studie mit Patienten mit der seltenen Form von Epilepsie – dem Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS) – die Anzahl der Drop-Anfälle deutlich reduziert (Stand 20.4.2017).
Zu Nabilone: Es wurde bereits 1975 patentiert und hatte bis 1991 eine Zulassung in Deutschland.
Das ist ja schon eine ganze Weile her und noch heute will man uns weismachen, die Datenlage sei dünn.
Zu Dronabinol: Die Firma Bionorica hat 2015 versucht, für ihr Kachexol eine Zulassung als Generika beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu bekommen.
Bionorica hat sich dabei auf das amerikanische Marinol bezogen und eine Bioäquivalenzstudie eingereicht.
BfArM sagt „Nö“
Doch das BfArM sagte mal einfach nein. Denn Marinol mit dem vollsynthetischen Wirkstoff Nabilone ist praktisch als ein Derivat von Dronabinol, welches wiederum von Bionorica aus Faserhanf hergestellt wird, zu betrachten. Dieses besaß damals auch keine Zulassung in der EU. Es werden weitere Studien für Bionorica im zweistelligen Millionenbetrag fällig. Außerdem, wer will denn schon ein Nachahmerprodukt (Generikum).
Die Stiftung Warentest hat in einer Untersuchung im September 2004 festgestellt, dass die Preise für generische Medikamente teilweise nur ein Drittel des Originalpräparates betragen. Undenkbar für den deutschen Markt. Ein amerikanisches Nachahmerprodukt, und dann auch noch billiger? Niemals! Da lassen wir die Leute weiter leiden und teuer Geld bezahlen. Und Bionorica soll sich bloß nicht beschweren, denn bei zuletzt 40.000 Patienten, die Dronabinol zum alten Preis bekamen, sollte über die Jahre doch schon ein kleines Sümmchen zustande gekommen sein.
Vielleicht meint die Abteilung 4 des BfArM, bei der nun auch die Cannabisagentur angesiedelt ist und die auch für Zulassungen zuständig ist, es einfach nur gut mit Bionorica, wenn sie ihnen dauernd Zulassungen versagen. Für ein als toxisch sehr unwirksam eingestuftes Medikament. Es bedeutet nicht, dass es keine heilende Wirkung hat sondern nur, dass es nicht giftig ist, so kann schon mal keiner so schnell daran sterben.
America First! America First!
Amerika hatte zuerst medizinisches Marihuana und als erstes Land überwiegend auch den Genusskonsum legalisiert.
Amerika hatte zuerst medizinisches Marihuana und als erstes Land überwiegend auch den Genusskonsum legalisiert. Amerika hat auch den Alkoholkonsum erst ab 21 Jahren erlaubt. Ob das ein möglicher Grund ist, warum die Amis so vernünftig mit der Materie umgehen? Schließlich haben sie auch als Erstes begriffen, dass man den Menschen nicht etwas verbieten sollte, was sie schon mit der Muttermilch zu sich genommen haben.
Ja, Muttermilch enthält Cannabinoide, auch ohne dass Mutti vorher kifft. Stattdessen ist es Brauch mit 16 Jahren aufs Oktoberfest zu stürmen und sich ordentlich die Maß Bier in den Kopf zu schütten. Dass dabei das jugendliche Gehirn größten Schaden nimmt, da Alkohol ein reines Nervengift ist, darüber schweigt man sich gern mal aus. Auch darüber mal die Altersgrenze anzuheben. Schließlich gibt es dafür ja keine Mehrheiten.
Signalwirkung
Manche Politiker schwafeln dauernd was von Signalwirkung. Das Märchen von der Signalwirkung gab es schon 1972 schon unter Richard M. Nixon, allerdings ging es da um Studienergebnisse, die von der Regierung im Nachhinein unerwünscht waren. Der Hanfverband bezeichnete dies damals 2005 als Forschungsskandal bei Cannabis.
Zitat von Georg Wurth: „Der Verdacht liegt nahe, dass die bisherige Forschung in den Augen der Gesundheitsministerin zu ausgewogen war. Die Ergebnisse passen nicht zur dramatisierenden Rhetorik der Bundesregierung. Das Gesundheitsministerium hat die Kleiber/Kovar- Studie selbst in Auftrag gegeben, dann aber tief in der Schublade versenkt. Jetzt will die Ministerin anscheinend sicher gehen, dass Cannabis in möglichst negatives Licht gerückt wird. Dafür steht Thomasius.“
Das BfArM hatte ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den aktuellen Forschungsstand bei Cannabis zusammenfassen soll. Ausgerechnet Professor Thomasius hatte den Auftrag ohne öffentliche Ausschreibung erhalten.
Wie sagte Mark Twain doch so schön: „Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht.“