Während man sich über die Entwicklung in Colorado, Kalifornien oder New York auch in deutschsprachigen Medien gut informieren kann, bekommt man über die Legalisierung in anderen, weniger im Fokus der Medien stehenden Gebieten der USA sehr viel weniger mit. Einer der Bundesstaaten, die in der Regel durch das Raster der Berichterstattung fallen, ist Alaska.
Stand hier vor wenigen Wochen noch die Diskussion um Möglichkeiten zum Vor-Ort-Konsum in den Verkaufsstellen im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, hat sich die Situation rund um Cannabis im Zuge der Corona-Pandemie natürlich auch in Alaska grundlegend geändert. Wie in anderen Teilen der USA auch ist im Moment eher die Abholung vorbestellter Ware im Drive-in-Modus angesagt.
Bemerkenswert ist dabei, dass in Alaska wie in den anderen US-Bundesstaaten, in denen Cannabis in den vergangenen Jahren als Genussmittel legalisiert wurde, die Verkaufsstellen oder Dispensaries während der Corona-Krise geöffnet bleiben, weil sie als unverzichtbar für die Versorgung der Bevölkerung eingestuft werden. Das macht einmal mehr deutlich, dass Cannabis, sobald die Prohibition aufgehoben ist, in kürzester Zeit zu einem selbstverständlichen Teil des Alltags wird.
Eigenanbau legal seit 1975
Wer an Alaska denkt, hat Bilder von unendlich weiten, kaum besiedelten Landschaften und extremer Kälte im Kopf, von Goldrausch, Schlittenhunden und Grizzlybären, aber wohl kaum von Marihuana. Was die wenigsten wissen: „The Last Frontier“, wie die Einheimischen den nördlichsten Bundesstaat der USA nennen, hat, was legales Cannabis betrifft, eine Tradition, die bis in die Mitte der 70er-Jahre zurückreicht.
1975 entschied der Supreme Court, das höchste Gericht Alaskas, dass jeder Erwachsene das Recht hat, Marihuana für den Eigenbedarf zu besitzen, und zwar bis zu 4 Unzen (113,4 Gramm), solange er sich innerhalb des eigenen Hauses oder der eigenen Wohnung bewegt, und bis zu 1 Unze (28,35 Gramm) außerhalb. Der Handel mit Cannabis war weiterhin verboten, die Erlaubnis zum Besitz bezog sich also nur auf selbst angebauten Hanf.
Die folgenden Jahrzehnte waren geprägt von etlichen Versuchen der amerikanischen Regierung, Cannabis ähnlich wie im Rest der USA zu kriminalisieren und den Besitz auch kleinster Mengen mit harten Strafen zu belegen. Diesem Ansinnen allerdings schob der Supreme Court unter Berufung auf die Verfassung von Alaska und die darin garantierten Freiheitsrechte seiner Bürger immer wieder einen Riegel vor.
1998 schließlich stimmte die Bevölkerung von Alaska für eine umfassende Legalisierung zu medizinischen Zwecken, allerdings immer noch auf der Basis des Selbstanbaus. Der Handel war also immer noch verboten, auch der zu medizinischen Zwecken. Im November 2014 dann brachte eine Volksabstimmung eine Mehrheit dafür, Cannabis auch als Genussmittel zu legalisieren. In Kraft getreten ist das entsprechende Gesetz im Februar 2015. Damit war Alaska der dritte US-Bundesstaat, nach Colorado und Washington, in dem man Cannabis auch „for recreational use“ genießen kann, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen.
Die Legalisierungsregeln
Was aber heißt „legal“ in diesem Zusammenhang, was genau ist erlaubt, und was nicht? Grundsätzlich orientieren sich die Regeln am Umgang mit Alkohol. Ab einem Alter von 21 Jahren dürfen Einheimische wie Besucher gegen Vorlage ihres Ausweises bis zu einer Unze – das entspricht 28,35 Gramm – Cannabis kaufen und mit sich führen. Der Konsum in der Öffentlichkeit ist nach wie vor verboten, also etwa in Schulen und Universitäten, auf Spielplätzen, in Büros und Parks oder auf Bürgersteigen und Straßen – eben genauso wie bei Alkohol. Auch auf fremdem privatem Grund ist der Konsum nicht erlaubt, wenn der Besitzer es untersagt, also zum Beispiel in Hotels, wo in aller Regel ein grundsätzliches Rauchverbot gilt.
Erlaubt ist zudem der Anbau von bis zu sechs Hanfpflanzen, von denen allerdings nur drei gleichzeitig erntereif werden dürfen, sowie der Transport im eigenen Auto, aber nur im Kofferraum oder jedenfalls nicht erreichbar für den Fahrer. Hier unterscheiden sich die Vorgaben in den einzelnen Gemeinden im Detail.
Leider ist aber auch in Alaska die Freiheit nicht grenzenlos, daher gibt es einige deutliche Einschränkungen. Natürlich ist die Teilnahme am Verkehr unter Cannabis-Einfluss verboten, und zwar nicht nur mit dem Auto, sondern auch mit Boot, Flugzeug oder Schneemobil, egal ob motorisiert oder nicht. Anders als z. B. in Österreich oder Deutschland kann allerdings nur bestraft werden, wer akut unter Cannabis-Einfluss ein Fahrzeug führt und nicht, wer bis zu 48 Stunden vorher Hanf konsumiert hat.
Wer Hanf anbauen oder verkaufen will, muss eine staatliche Lizenz beantragen. Zudem können die einzelnen Gemeinden selbstständig entscheiden, ob sie Lizenzen für Verkaufsstellen auf ihrem Territorium erteilen oder nicht. Strengstens verboten ist der Besitz oder Konsum dagegen auch weiterhin in allen Teilen des Landes, die Bundesrecht unterliegen. Dazu gehören unter anderem National Parks und National Forests. Untersagt ist zudem der Transport per Wasser oder in der Luft, weil Flug- und Schiffsverkehr Bundesgesetzgebung unterliegen.
Alaska-spezifische Probleme
Die Probleme, die sich bei der Versorgung Alaskas mit Cannabis ergeben, sind in erster Linie Folge der Geografie. Vielleicht die größten Schwierigkeiten mit sich bringt der Transport. Es gibt in dem gesamten riesigen Gebiet – mit gut 1,7 Millionen Quadratkilometern fast fünfmal so groß wie Deutschland – nur einen einzigen Highway, der einige der wichtigeren Orte miteinander verbindet. Weite Landesteile, unter anderem auch die Hauptstadt Juneau, sind nicht auf der Straße zu erreichen, sondern nur per Boot oder mit dem Flugzeug. Da, wie oben bereits erwähnt, sowohl auf den Wasserwegen als auch im Luftraum anders als auf den Straßen Bundesrecht gilt, ist der Transport von legal angebautem Marihuana zu den ebenfalls legalen Verkaufsstellen oft nach wie vor illegal. In der Praxis führt das bisweilen zu absurden Situationen, etwa wenn ein Hanf-Anbauer von der Insel Sitka in Kooperation mit den bundesstaatlichen Behörden seine Ware per Flugzeug zur nächstgelegenen Verkaufsstelle bringt, dabei aber alle Beteiligten so erledigen müssen, als wüssten sie nicht, was gespielt wird, um die Fluggesellschaft vor einer Anzeige wegen illegalem Transport von Marihuana zu bewahren.
Ein weiteres Problem ist das über weite Teile des Jahres unwirtliche, extrem raue Klima. Wie in anderen Bundesstaaten darf auch in Alaska nur hier angebautes Cannabis verkauft werden. Da den größten Teil des Jahres die Sonne zu tief am Himmel steht und die Temperaturen zu niedrig sind, um im Freien irgendetwas anbauen zu können, müssen die Hanf-Produzenten auf beheizte Gewächshäuser zurückgreifen. Unter ökologischen Gesichtspunkten ist das sicher nicht optimal. Allerdings gibt es auch Züchter, die es schaffen, unter den harschen Bedingungen des Freiland-Anbaus erfolgreich Hanf zu produzieren.
Bilanz nach 5 Jahren Legalisierung: Läuft!
Auch wenn der Eigenanbau schon lange gesetzeskonform war, gab es bis 2015 keine legale Infrastruktur für den Handel mit Cannabis. Um die Versorgung des gesamten Bundesstaates mit Hanf zu gewährleisten, musste also erst ein landesweites Netz von Produzenten und Händlern geknüpft werden.
Während die Situation am Anfang davon geprägt war, dass es zu wenig Cannabis auf dem Markt gab, um die Nachfrage zu befriedigen, und die Händler sehen mussten, wo sie ihre Ware herbekamen, und lange im Voraus ganze Ernten aufkauften, sieht die Situation inzwischen komplett anders aus. Nachdem sich im Laufe der Jahre mehr und mehr Anbauer eine entsprechende Lizenz besorgt haben, kann die ausreichende Versorgung der Dispensaries mit Cannabis inzwischen als gewährleistet gelten. Allerdings liegen die Preise aufgrund des aufwendigen Transports und des nötigen Energieeinsatzes etwas über denen in anderen US-Bundesstaaten, im Durchschnitt bei etwa 300 Dollar für eine Unze, also knapp 30 Gramm, „High Quality Weed“, also gut 10 Dollar pro Gramm. Im sonnenverwöhnten Kalifornien muss man zum Vergleich etwas über 250 Dollar für eine Unze auf den Tisch legen.
Finanziell lohnt sich die Legalisierung für Alaska auch. Die eingenommenen Steuern bewegen sich zurzeit bei knapp 2 Millionen Dollar im Monat, wovon die Hälfte ins Gesundheits- und Sozialsystem fließt und jeweils ein Viertel in Präventions- und Beratungsprogramme sowie in den Staatshaushalt. Das ist zwar auf den ersten Blick nicht besonders viel, etwa im Vergleich zu Colorado, das letzten Sommer die erste volle Milliarde an Staatseinnahmen durch die Cannabis-Legalisierung verbuchen konnte und pro Monat ungefähr 25 Millionen Dollar einstreicht, für einen Bundesstaat mit nicht einmal 750.000 Einwohnern aber auch nicht eben wenig.
Quellen
1 ktuu.com
2 adn.com
6 ktuu.com