Bolivien will seine heiligen Kokablätter exportieren, doch dafür muss das Blatt des Kokastrauches von der UN-Drogenliste abgestuft oder gar gänzlich gestrichen werden.
In Bolivien ist das Kokablatt legal und ist für viele seiner Einwohner aus dem Alltag auch nicht wegzudenken. Meist wird das Blatt gekaut, aber auch als Teeaufguss ist es überaus beliebt. Und nicht zuletzt dient es für religiöse Rituale, Feiern aber auch Begräbnisse der indigenen Bevölkerung.
So ist es wenig erstaunlich, dass der Andenstaat auch seinen eigenen Feiertag zu Ehren des Kokablattes im Kalender hat. Alljährlich am 11. Januar und das seit 2017 begehen seine Bewohner den Día Nacional del Acullico (span. bol. „des Koka-Kauens“). Jetzt nahm der Vize-Präsident David Choquehuanca Céspedes von der MAS-Partei, dem Movimiento Al Socialismo, diesen zum Anlass, auch das jüngste Forschungswerk von Patricia Chulver und Jesús Sanez (Hoja de coca: antecedentes y perspectivas para su exportación), gefördert von der Stiftung Acción Semilla (dt. Aktion Same) und der Friedrich-Ebert-Stiftung zu präsentieren. Die Autoren gingen darin der Frage nach, wie in der Geschichte das Kokablatt international vermarktet wurde und wichtiger: Welche Perspektiven es für einen legalen Export geben kann.
Dabei gebe es zwei Wege: Der Erstere wäre es, das Kokablatt aus der Gruppe mit tödlichen Substanzen wie Heroin und anderen Opiaten aus der UN-Drogenliste herabzustufen oder gar zu streichen, wie es unlängst mit Cannabis gemacht wurde. Der zweite wäre es, über bilaterale Handelsabkommen mit Staaten, die dem Import offen gegenüberstehen, zu suchen und abzuschließen.
Die Geschichte des Kokablattes als „Droge“ ist dabei durchaus kurios. Das Verbot fußt in der UN-Drogenkonvention von 1961, wo es als „Stufe-1-Substanz“ klassifiziert wurde. Und die auch die damalige bolivianische Regierung unterzeichnete. Wobei der Artikel zu Koka einen Sonderweg einräumte. Wörtlich war darin (Artikel 49, Absatz 2e) „Das Kauen des Blattes nur für ein Moratorium von 25 Jahren untersagt“.
Doch erst 2007 in der ersten Amtszeit von Ex-Präsident Evo Morales (MAS) begann man in Bolivien die kulturelle Akzeptanz des Blattes und die des Koka-Kauens zu fördern, erinnerte auch Vizepräsident Choquehuanca anlässlich der Buchpräsentation in La Paz. Der Eklat folgte 2011, als Morales Regierung im Juni den Ausstieg Boliviens aus der UN-Drogenkonvention verkündete, um postwendend wieder den Einstieg zu suchen, wobei man das Koka-Kauen nicht mehr als „Kokainsucht“ klassifiziert sehen wollte. Seit 2013 sind das Koka-Kauen und andere legale Verwendungsformen gesetzlich erlaubt. Nun gelte es, so Choquehuanca, „den Export des Blattes auf die politische Agenda zu setzen“. Man müsse aller Welt die medizinischen und ernährungsphysiologischen Qualitäten des Kokablattes bekannt machen.
Als erster Schritt um das „Heilige Blatt“ zu rehabilitieren, brauche es nun – wie auch bei Cannabis – medizinische Studien neben politischem Willen und diplomatische Beziehungen. „Eine neue, als harmlos angesehene Klassifizierung von Koka wäre nichts Unmögliches“, betont die Co-Autorin des Buches Chulver: „Man hat darüber bei der UN-Konferenz in Wien debattiert.“ Doch es wäre der längere Weg, da es auch die Zustimmung der Weltgesundheitsorganisation WHO dafür brauche.
Schneller wäre ein Export der Kokablätter umsetzbar, wenn es gelingt, bilaterale Handelsverträge mit interessierten Staaten abzuschließen. Angefangen von Ländern mit einem hohen Migrantenanteil aus Bolivien, wie es etwa Nachbar Ecuador, Argentinien (wo das Koka-Kauen nicht als Suchtmitteldelikt angesehen wird) oder Spanien wären. Mexiko will sich wie auch kurioserweise der Iran an der Erforschung des Blattes beteiligen und nicht zuletzt die Niederlande. Hier importiert man Kokablätter bereits aus Peru, um einen Likör zu produzieren, wobei der Wirkstoff Kokain, den der deutsche Chemiker Albert Friedrich Emil Niemann erstmals 1859/60 isolierte, dafür entfernt wird.
Nach Kolumbien und Peru ist Bolivien der drittgrößte Koka-Produzent der Welt, 2020 hat man einen Zuwachs von zehn Prozent an Anbauflächen der UNO gemeldet.