Oft wird während Diskussionen über die Legalisierung von Cannabis das Beispiel Niederlande genannt. Da schon seit Dekaden in Holland der Verkauf geringer Mengen des natürlichen Rauschmittels geduldet wird, denken viele Menschen, dass Coffeeshops nach niederländischem Modell auch eine Option für die Freigabe in anderen Ländern darstellen könnten. Doch es ist nicht ganz so ideal, wie mancher sich es vorstellt. Schließlich sind nach Gesetz der Anbau und der Großhandel nicht erlaubt.
Daher müssen die Geschäfte auf Produktionen aus illegal agierenden Quellen zurückgreifen, was natürlich nicht im Sinne der Gesellschaft sein kann. Wenn kriminelle Strukturen in der Branche zwingend benötigt werden, um den Bedarf der Konsumenten zu decken, profitieren die falschen Leute und es fehlt an den nötigen Qualitätskontrollen. Ein Grund für eine Beendigung der Prohibition wird ja schließlich darin gesehen, dass nicht länger kriminelle Dealer den großen Reibach machen, sondern der Staat etwas vom Kuchen abbekommt, während die Nutzer von Cannabis auf der sicheren Seite stehen.
Da auch die Politik in den Niederlanden nicht länger mit der aktuellen Situation zufrieden ist – man kürzlich erst den Cannabiskonsum in Amsterdams Rotlichtviertel verboten hat – plant man ab Oktober 2023 etwas gegen die derzeitige Handhabung zu tun. In zehn Kommunen soll getestet werden, wie sich eine staatlich kontrollierte Ernte von Marihuana auf den Markt und das Leben in den Niederlanden auswirkt.
Experiment mit Verzögerung
Schon im Dezember 2020 wurden die Pläne der niederländischen Regierung bekannt, die Schwarzmarktsituation bezüglich des Anbaus und Handels mit größeren Mengen Cannabis zu verändern. Zehn Gemeinden und zehn Züchter wurden ausgewählt, an einem Experiment teilzunehmen und eine Versorgung mit legal produziertem Marihuana zu beginnen. Starten sollte dieser Test schon 2021, doch wurde er in der Vergangenheit mehrfach verschoben. Zuletzt hörte man in diesem Februar von dem Unternehmen Fyta, dass eine Auslieferung des lizenzierten und somit legal hergestellten Cannabis nicht vor dem ersten Quartal 2024 genehmigt wäre, was dem Betrieb nun monatlich eine halbe Million Euro Verluste beschert.
Vielleicht deshalb scheint jetzt etwas Druck entstanden zu sein, der den Gesundheitsminister Ernst Kuipers am Mittwoch zu der Aussage brachte, dass ab Oktober 2023 in Coffeeshops in den Städten Tilburg und Breda in der Region Brabant das erste legal angebaute Cannabis verkauft werden darf. Vor dem Parlament in Den Haag teilte er mit, dass es sich hierbei zunächst um eine Testphase handle.
Danach Legalisierung?
Bereits nach dem Bekanntwerden des angestrebten Verkaufsexperimentes nannte die Regierung ihre Gründe für ein Umdenken betreffend der bislang bestehenden Coffeeshop-Problematik. Der anscheinend auf vier Jahre angesetzte Test soll eindeutig machen, ob es möglich ist, eine hochwertige Versorgung von Coffeeshops mit Cannabis regulierbar zu machen. Auch möchte man herausfinden, inwieweit das Experiment mögliche Auswirkungen auf die Kriminalität, die Sicherheit und die öffentliche Gesundheit des Landes hat. Anhand der aus dem Test gewonnenen Erkenntnisse soll dann entschieden werden, ob eine vollständige Legalisierung von Cannabis in den Niederlanden angestrebt werden sollte.
Dass der Start der Testphase aber noch mit einigen Hürden gespickt ist, zeigt sich alleine daran, dass bislang eben nur eines der ausgewählten Unternehmen dazu in der Lage ist, eine Auslieferung größerer Mengen Cannabis zu bewerkstelligen. Das Gesetz zur Verhinderung von Geldwäsche des organisierten Verbrechens und Vermeidung der Finanzierung terroristischer Organisationen hindert andere Beteiligte offensichtlich immer noch daran, ein benötigtes Geschäftskonto bei einer Bank zu eröffnen.