Vor etwas beinahe genau vier Jahren trat in Deutschland das Gesetz in Kraft, das die Verwendung von medizinischem Cannabis legalisieren und regulieren soll. Am 9. März 2017 wurde es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und einen Tag später war es somit geltendes Gesetz und seitdem sind Cannabisblüten und daraus erzeugte Rezepturen im medizinischen Bereich verkehrsfähig und können von jedem Arzt in Deutschland über ein BtM-Rezept verordnet werden.
In einem Interview hat der Gründer von ADREXpharma, Mario Eimuth, retrospektiv auf vier Jahre Cannabis als Medizin in Deutschland zurückgeblickt und die Augen auch in die mögliche Zukunft des Umgangs mit medizinischem Cannabis gerichtet. Seine Darstellungen decken sich sehr mit meinen Erfahrungen als Patient und mit den Informationen, die ich im Laufe der Zeit im Rahmen von Recherchen von Berufs wegen sammeln konnte.
Das Verständnis über die Cannabispflanze hat sich verändert
Zwar ist Cannabis als Medizin in Deutschland noch lange nicht in dem Maße etabliert wie viele andere Arzneimittel, doch der Umgang mit den Blüten und anderen Hanf-basierten Medikamenten hat sich entwickelt, sowohl die Auswahl der Produkte als auch die Haltung der Gesellschaft betreffend. Die Öffentlichkeit nimmt die Pflanze als wirksame Medizin wahr und nicht nur als Droge. ADREXpharma beispielsweise bringt neben den rezeptpflichtigen Cannabisarzneien auch ein medizinisches Hautpflege-Sortiment in die Apotheken und zeigt damit als derzeit einziges deutsches Pharmaunternehmen, wie vielseitig Cannabis in der Gesundheitsanwendung sein kann.
Der Medizinalhanf-Markt wächst
Dass Cannabis in vielen Fällen helfen und oft auch herkömmliche chemische Präparate ersetzen kann, spricht sich herum. Im ersten Jahr nach Einführung des „Cannabis als Medizin Gesetzes“ wurden in den Apotheken etwa 27.000 Verordnungen eingelöst, ein Jahr später, 2018, waren es schon 95.000 Rezepte. Im letzten Jahr wurden sage und schreibe 300.000 Rezepte eingelöst. Bis heute erhalten etwa 120.000 Patienten Cannabis auf Rezept, Tendenz steigend. Die Zahlen beziehen sich wohlgemerkt nur auf Verordnungen, die von den Krankenkassen getragen wurden.
Der Erfolg des Medizinalhanfes ist also enorm, obwohl noch viele Menschen darüber klagen, dass sie Probleme damit haben, überhaupt ein Rezept zu erhalten. Was sich enorm verbessert hat, ist die Versorgungssicherheit. Anfänglich war kaum Medizinalhanf in den Apotheken verfügbar, mittlerweile ist die Sortenvielfalt groß und Engpässe in der Versorgung werden deutlich seltener. Während 2018 noch 3.000 Kilogramm Cannabis nach Deutschland importiert wurden, waren es allein im letzten Quartal 2020 alleine 3,246 Kilogramm.
Wie fortschrittlich ist der Umgang mit Cannabis in Deutschland?
Die meisten Konsumenten von Cannabis als Genussmittel würden Deutschland einen sehr konservativen und restriktiven Umgang mit der Pflanze bescheinigen. Wenn man aber allein sich auf die rechtliche Ausgestaltung der Therapie mit Cannabis als Medizin bezieht, dann gehört die Bundesrepublik definitiv zu den Vorreitern. Andere Nationen, vor allem in Europa, nehmen das deutsche Modell als Vorlage für ihre Konzepte. Wenn wir aber Vergleiche mit Kanada anstellen, dann hinkt Deutschland sichtlich hinterher. Um hier aufzuschließen, bedarf es noch ganz massiv an Aufklärung und Fortbildungen für Ärzte.
Die Haltung der Pharmabranche gegenüber Medizinalhanf
Das Verhältnis der etablierten Pharmaunternehmen zu Cannabis ist nicht einfach. Man weiß aus den USA, dass der medizinische Einsatz der Pflanze zu einem Rückgang des Absatzes einiger herkömmlicher Arzneien führen kann. Nicht umsonst gilt Cannabis als wichtiges Hilfsmittel bei der Bekämpfung der sogenannten Opioid-Krise, das Problem des stark anwachsenden Gebrauchs und Missbrauchs von opioidhaltigen Medikamenten in der Bevölkerung.
Dadurch ist Cannabis für so manch einen Hersteller solcher Opioid-Präparate eine unwillkommene Konkurrenz. Leider ist die medizinische Cannabisforschung durch die Jahrzehnte der Verbote nicht besonders fortgeschritten, sodass es für Akteure der Pharmaindustrie einfach ist, Vorbehalte gegenüber Medizinalhanf zu äußern und damit Meinungen zu beeinflussen. Wirkungen und positiven Eigenschaften von Cannabis werden auch heute noch von vielen Ärzten, Apothekern und auch Patienten angezweifelt.
Ohne globale Beziehungen wäre Medizinalhanf in Deutschland noch nicht real
Inwiefern ausländische Vorbilder für das deutsche Modell des medizinischen Einsatzes von Cannabis verantwortlich sind, ist sicher schwer zu sagen. Länder wie Israel, Kanada oder US-Bundesstaaten wie Colorado und Kalifornien sind uns seit je her voraus, aber trotzdem gilt auch Deutschland noch als Nation der Medizinalhanf Pioniere. Dies bezieht sich aber ausschließlich auf das Gesetz in seinen Ausführungen. Die Umsetzung ist immer noch mit Problemen behaftet, und ohne ausländische Importe wäre in den vergangenen vier Jahren keine Versorgung möglich gewesen.
In den ersten Jahren waren ausschließlich kanadische oder niederländische Produkte erhältlich. Doch langsam entwickeln sich globale Handelsbeziehungen und Importe aus weiteren Ländern werden realisiert. ADREXpharma hat eine internationale Partnerschaft in Israel begründet und importiert nun medizinisches Cannabis von Panaxia, dem größten israelitischen Hersteller nach Deutschland. Der Vorteil bei einem Hersteller wie Panaxia sind die 25 Jahre Erfahrung mit medizinischem Cannabis mit entsprechendem Forschungsstand, die Israel vorzuweisen hat.
Wie wird sich die medizinische Nutzung von Cannabis entwickeln?
Entsprechend den Informationen, die der Bericht von Mario Eimuth liefert, laufen aktuell 640 Studien auf der Welt, die sich mit dem medizinischen Einsatz von medizinisch genutzten Cannabinoiden auseinandersetzen. Das spricht dafür, dass es in den kommenden Monaten und Jahren eine Fülle an neuen Erkenntnissen geben wird, die den Einsatz von Cannabis-Medikamenten weiterentwickeln werden. Auch die Erfahrung in der Praxis wird natürlich mit der Zeit zu mehr Expertise führen und die Zahl an Ärzten, die Cannabis verordnen, wird zunehmen. Eimuth geht davon aus, dass in drei bis vier Jahren etwa 0,8 Prozent der Bevölkerung medizinisches Cannabis erhalten werden, dies wären ungefähr 650.000 Patienten.
Die Wahrscheinlichkeit für eine Legalisierung als Genussmittel steigt
Mit wachsender Akzeptanz in der Bevölkerung steigen auch die Chancen dafür, dass die Nutzung von Cannabis als Genussmittel in Deutschland aus der Illegalität geholt wird. Auch die kommende Bundestagswahl könnte hier einige Weichen stellen. Jüngst hat die SPD sich endlich auf Bundesebene dazu bekannt, eine progressivere Cannabispolitik anzustreben. Sollte für die Unionsparteien der Abwärtstrend in den Umfragen bis zum Herbst anhalten, gäbe es Optionen für Regierungskonstellationen, bei denen die Befürworter einer Legalisierung in der Mehrheit sein könnten.
Wenn der nicht-medizinische Konsum von Cannabis und auch die Branche rund um Cannabis reguliert werden, wird dies auf mehreren Ebenen für positive Entwicklungen in der Gesellschaft führen, ökologisch, ökonomisch und im Sinne der Volksgesundheit. Nicht zuletzt wird der Staat selbst von mehr Steuereinnahmen, weniger Kriminalität und vielen neuen Arbeitsplätzen profitieren. Ein Gedanke, dem vielleicht auch angesichts des wirtschaftlichen Schadens der Corona Pandemie eine wachsende Rolle zukommen könnte. Allein der deutsche Markt für medizinisches Cannabis soll im Jahr 2028 etwa 7,7 Milliarden Euro wert sein, in Europa sollen es 55 Milliarden sein. Ein legaler Handel von Cannabis als Genussmittel könnte diese Zahlen vervielfachen.