Unter den Tagesordnungspunkten der gestrigen Zusammenkunft im Deutschen Bundestag fand sich nun endlich auch wieder die Debatte über gesetzliche Lockerungen im Umgang mit Cannabis. Im Mittelpunkt stand hier der einzige eingebrachte konkrete Gesetzentwurf der Grünen, das Cannabiskontrollgesetz. Aber auch andere Anträge der Opposition mit Bezug zu Cannabis wurden thematisiert. Obwohl kein wirklicher Durchbruch erzielt werden konnte, wurde deutlich, dass es kaum noch Befürworter des derzeit geltenden Verbots gibt.
Wahrscheinlich haben viele Cannabiskonsumenten und andere Hanffreunde die Debatte nicht verfolgt. Wenn doch, dann waren sie wohl kaum in Erwartung einer Sensation, sondern wollten lediglich wissen, mit welchen Argumenten die Redner der verschiedenen Fraktionen ihre jeweiligen Entscheidungen über die Anträge begründeten. Am Ende konnte das Parlament sich, wie zu erwarten war, nicht auf irgendeinen Fortschritt konkret verständigen. Trotzdem hatten sich die meisten Redner für Änderungen ausgesprochen und die bestehende Cannabispolitik kritisiert. Im Folgenden wollen wir uns die Haltungen und Argumente der einzelnen Fraktionen etwas näher anschauen.
AfD
Für eine Legalisierung ist die AfD natürlich nicht zu haben. Für jeden Freund von Cannabis ist diese Partei definitiv unwählbar. Als Redner hatte man Detlev Spangenberg ans Pult geschickt. Auf Anhieb war erkennbar, dass er sich selbst mit dem Thema überhaupt nicht beschäftigt hat. Er leierte roboterhaft seine ihm wohl vorgeschriebene Rede von den Blättern ab. Es war eine Sammlung von überholten Argumenten der Gefahreneinschätzung im Bezug auf den Cannabiskonsum, die Spangenberg vortrug. So zum Beispiel schrieb er dem Cannabiskonsum die Auswirkung einer Verminderung der Intelligenz beim Konsumenten zu. Zustimmung bekam er nur aus den Reihen der eigenen Partei. Nicht einmal die CDU mochte ihm applaudieren, obwohl sie einen ähnlichen Kurs befürworten.
CDU / CSU
Dass mit der Union keine Fortschritte in der Cannabispolitik möglich sind, ist wahrscheinlich jedem klar. Um dies wieder deutlich zu machen, hatte man ein Aufgebot von vier Rednern in die Debatte geschickt. Dies konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Regierungsfraktion die Argumente ausgehen für ihre Cannabispolitik. Stephan Pilsinger, Gero Storjohann, Alexander Krauß und Christoph Ploß waren sichtlich bemüht, die gescheiterte Prohibition schlüssig zu verteidigen. Storjohann hatte den Kern der Debatte geschickt umschifft, indem er sich der Führerscheinthematik widmete und hier auf die zuständigen Stellen verwies.
Pilsinger, eigentlich als leidenschaftlicher Diskussionsgegner der Legalisierung bekannt, hatte einen vorbereiteten Text mit veralteten Argumenten vorgelesen. Ins Zeug legten sich lediglich Krauß und Ploß. Aber beide glänzten lediglich durch Falschaussagen, wie zum Beispiel der Einstiegsdrogen-Argumentation. Keinem von ihnen gelang es, schlüssig darzulegen, warum man erwachsenen Menschen das Recht absprechen sollte, sich ihren Rausch selbst zu wählen. In den eher schwachen Vorträgen hatte die Union sich auch als progressiver Initiator des Cannabis als Medizin Gesetzes darzustellen versucht und diesen Bereich als den einzig legitimen Umgang mit Cannabis benannt. Beifall gab es dafür aber nicht.
SPD
Die Marschroute der Sozialdemokraten ist in vielerlei Hinsicht für den Außenstehenden schwer zu verstehen. Nach ihrem Absturz bei den letzten Bundestagswahlen ist die SPD eigentlich in einer Phase der Suche nach Identität und einer treuen und vor allem wachsenden Wählerschaft. Allerdings legen die Sozialdemokraten sich selbst dabei riesige Steine in den Weg und treffen eine schlechte Entscheidung nach der anderen. Die neue Parteispitze hatte sich noch vor geraumer Zeit für eine progressive Cannabispolitik ausgesprochen, auch die Fraktion in Berlin hatte ein entsprechendes Positionspapier verfasst.
Co-Parteichef Walter-Borjans hatt allerdings mittlerweile zurückgerudert und das Thema Cannabis als weniger wichtig und Reformen als nicht dringend notwendig abgetan. Auch in der Debatte hatte man klargestellt, dass man der Koalition verpflichtet ist und eine Legalisierung ablehnen würde. Das ist mehr als bedauerlich, denn hörte man im Bundestag den Redebeiträgen von Martina Stamm-Fibich, Uli Grötsch und Dirk Heidenblut aufmerksam zu, so wurde sehr deutlich, dass die SPD längst verstanden hat. Alle sprachen sich für eine progressive Cannabispolitik aus. Auch hatten alle drei in ihrer Argumentation wichtige Aspekte wie den Jugendschutz, Gesundheitsschutz oder auch die fehlende Evidenz für die Wirksamkeit des Verbots realisiert. Trotzdem zeigt man sich nicht bereit, das Interesse der Bürger über den Koalitionsfrieden zu stellen.
Bündnis 90/Die Grünen
Die Grünen hatten das Cannabiskontrollgesetz schon 2015 als Entwurf in den Bundestag eingebracht. Die damalige Ablehnung wurde im Plenum unter anderem damit begründet, dass die vorgeschlagene Menge für den Eigenbedarf von 30 Gramm zu hoch sei, außerdem hatte die Regierung auch den berücksichtigten Eigenanbau kritisiert. Dennoch hatten die Grünen den Entwurf in diesen Punkten nicht geändert. Im Bundestag zeigte nun Kirsten Kappert-Gonther als Rednerin Einsatz für die Legalisierung von Cannabis. Selbstverständlich hatte sie viele Gründe aufzählen können, die für die geforderten Reformen sprechen.
Viele dieser Argumente sind den meisten Menschen mittlerweile bekannt. Es stellt sich die Frage, ob aus strategischen Gesichtspunkten heraus Änderungen am Gesetzentwurf hätten sinnvoll sein können, um diesen mehrheitsfähig zu machen. Da in Anbetracht der Regierungskonstellation die Wahrscheinlichkeit dafür mehr als gering ist, war es nur logisch, mit dem Cannabiskontrollgesetz auf einer klaren Linie zu bleiben.
FDP
Der Fokus der Liberalen innerhalb der Cannabisdebatte liegt, wie im Bundestag klar zu erkennen wahr, auf den wirtschaftlichen Aspekten. Andrew Ullmann und Wieland Schinnenburg hatten diese Argumentation im Bundestag für die FDP vertreten. Das Augenmerk lag hierbei darauf, die Ressourcenverschwendung zu erwähnen, die das Verbot von Cannabis verursacht. Ullmann, der selbst aus Kalifornien stammt, hatte dargestellt, wie gut dort in dem US-Bundesstaat der regulierte Umgang mit der Pflanze funktioniert. Wieland Schinnenburg hatte zudem den FDP-Antrag betont, der eine Ausweitung des nationalen Cannabisanbaus für den Export fordert.
Die Linke
Mit seiner Aussage, dass es keine Argumente für die Verbotspolitik gibt, hat Niema Movassat den Nagel auf den Kopf getroffen. Dass die Drogenbeauftragte sich mit Plattitüden wie „Cannabis ist kein Brokkoli“ aus der Diskussion stiehlt, ist dafür ein klares Anzeichen. Tatsächlich resultiert aus dem Verbot von Cannabis gar eine Gefährdung der Bevölkerung, insbesondere auch der Jugend. In seiner Argumentation für die Reformierung der Cannabispolitik berief er sich auch auf den Artikel 2 im deutschen Grundgesetz, demzufolge der eigenverantwortliche Bürger das Recht auf Selbstbestimmung innehat.
Die Stimmen derer, die sich vehement für die Prohibition einsetzen, werden leiser. Für Reformen hier und jetzt reicht das leider nicht aus, das hat die Debatte nun wieder deutlich gemacht. Die kontrollierte Abgabe, wie sie die Grünen fordern, ist also erst einmal vom Tisch. In naher Zukunft könnte lediglich der aktuelle THC-Grenzwert im Blut, der ausschlaggebend für die Fahrtauglichkeit nach dem Gesetz ist, vom Verkehrsausschuss neu bewertet werden. Erst im kommenden Jahr, nach den Bundestagswahlen 2021, werden die Karten neu gemischt und das Thema kann erneut auf die Agenda des Parlaments gesetzt werden.