Am 6. Oktober 2023 gab es seitens der Bundesregierung eine Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, die sich mit der Führerscheinthematik und dem kommenden Gebrauch von legalem Marihuana und berauschend wirkenden Cannabisprodukten beschäftigte. Seit Jahren gilt ein Grenzwert von einem Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) pro Milliliter Blut bei getesteten Personen, obwohl diese Anwendung nur auf dem kleinsten mit Sicherheit nachweisbaren Wert beruht und rein gar nichts über die tatsächliche Fahrtauglichkeit aussagt.
So wundert es auch nicht, dass neben bereiften Konsumenten selbst der Leiter der Unfallforschung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft darauf hinweist, dass ein höherer THC-Grenzwert von drei Nanogramm pro Milliliter angemessen wäre. Erst zwischen zwei und vier Nanogramm könne von einer Beeinträchtigung gesprochen werden. Auch beim Deutschen Anwaltverein sieht man den bisherigen Grenzwert als nicht adäquat an und während des Verkehrsgerichtstages im Jahr 2022 sprach man am Ende einer Diskussion über das Thema eine Empfehlung an den Gesetzgeber aus, den THC-Grenzwert nach der Legalisierung zu erhöhen.
Nachdem nun am 16.08.23 der Entwurf des „Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (CanG) vom Bundeskabinett beschlossen wurde, stellte die Unions-Fraktion eine Kleine Anfrage an die Regierung. „Die Debatte um die Festlegung des THC-Grenzwertes dauert bereits zu lange an, um dem Sicherheitsrisiko im Straßenverkehr weiterhin nur eine so untergeordnete Rolle zuzuschreiben“, so die Fragesteller.
Ministerium will Grenzwert prüfen
Noch seien die Fragen bezüglich des Grenzwertes von THC im Straßenverkehr ungeklärt, obwohl sich das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) zur Prüfung eines geeigneten THC-Grenzwertes auf wissenschaftlicher Grundlage verpflichtete. Doch erfolge „jene Verpflichtung zur Prüfung (…) zu diesem fortgeschrittenen Zeitpunkt im Rahmen des Entwurfs des CanG aus Sicht der Fragesteller zu spät“. Zum jetzigen Zeitpunkt gäbe es noch keine wissenschaftlichen Langzeitstudien, die neue Erkenntnisse für eine Änderung des aktuell geltenden Grenzwertes zulassen würden. In der Antwort der Bundesregierung wird bestätigt, dass es keine Regelung bezüglich des Grenzwertes von THC im Straßenverkehr gäbe, weshalb auf wissenschaftlicher Grundlage maßgebliche THC-Grenzwerte ermittelt werden sollen.
Dazu wird das BMDV eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe einrichten, die sich um diese Frage kümmert. Diese Arbeitsgruppe soll aus knapp zehn Mitgliedern aus den Bereichen Recht, Medizin und Verkehr bestehen, wobei die Details erst noch im Rahmen einer Auftaktveranstaltung abgestimmt werden sollen – einschließlich der Sitzungshäufigkeit. Somit gäbe es aktuell noch keine berichtenswerten Neuigkeiten bezüglich der kommenden Handhabung von Cannabis im Straßenverkehr, doch sollen die Ergebnisse der Arbeitsgruppe im Frühjahr 2024 vorliegen und anschließend der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Eindeutig sei, dass der THC-Grenzwert im Rahmen des § 24a StVG so zu bestimmen wäre, dass die Straßenverkehrssicherheit stets ausreichend gewahrt bliebe. Doch auch hier müsse auf die Ergebnisse der Arbeitsgruppe abgewartet werden.
Neue Studien unnötig
Auf die Frage, welche wissenschaftlichen Studien sich betreffend des Themas aktuell in Arbeit befinden, um eine mögliche Grenzwertanpassung vorzunehmen, erklärt die Regierung, dass diese eigentlich nicht benötigt würden. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) befasse sich seit Jahren – auch im Auftrag des BMDV – mit dem Thema „Cannabis und Verkehrssicherheit“. Aktuell habe die BASt eine Untersuchung in Auftrag gegeben, „die den Einfluss der geplanten Neuregulierung des Umgangs mit Cannabis auf das Verhalten von Cannabiskonsumenten mit Fokus auf die Teilnahme am Straßenverkehr“ untersuche. Doch habe diese nichts mit dem THC-Grenzwert gemein. Auch hätten andere Bundesministerien keine Forschungsarbeiten diesbezüglich in Auftrag gegeben, da nach Auffassung der Bundesregierung die Studienlage zu Cannabis bereits recht umfassend sei. Daher wären keine neuen Studien notwendig, sondern es ginge vielmehr darum, die richtigen Schlüsse aus den bereits existierenden Studien zu ziehen.
Der THC-Grenzwert wäre dabei so zu bemessen, dass die Straßenverkehrssicherheit immer ausreichend gewahrt werden würde. Das Straßenverkehrsrisiko wäre dabei unabhängig davon zu bewerten, „ob Cannabis legal oder illegal konsumiert wird“, sodass das Inkrafttreten des CanG nicht unbedingt als die Voraussetzung für eine Änderung zu betrachten wäre. Anhörungen in den vergangenen Jahren im Bundestag über die THC-Straßenverkehrsthematik hätten bereits wertvolle Erkenntnisse gebracht, sodass die geplante Arbeitsgruppe unter anderem auch die Informationen aus den Anhörungen in ihre Arbeit einbeziehen könne. Die Einrichtung der interdisziplinären Arbeitsgruppe und die Diskussion über den THC-Grenzwert im Straßenverkehr würden aus Sicht der Bundesregierung jedenfalls nicht zu einer Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens des CanG führen.
Kein Grenzwert für einen Straftatbestand
Eine klare Absage gibt es von der Bundesregierung betreffend eines Grenzwertes im Straßenverkehr, der einen Straftatbestand ausmachen würde. Das Führen eines Fahrzeugs unter der Wirkung eines berauschenden Mittels stelle nach § 24a Absatz 2 StVG eine Ordnungswidrigkeit dar. In § 315c und § 316 StGB werde dagegen der Begriff der Fahrunsicherheit angewendet, der „die Gesamtleistungsfähigkeit eines Fahrzeugführers, besonders infolge Enthemmung sowie geistig-seelischer und körperlicher (psychophysischer) Leistungsausfälle“ beschreibt. Dabei geht es darum, dass die Fahrtüchtigkeit so weit herabgesetzt ist, dass man nicht mehr befähigt wäre, „das Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke – auch bei plötzlich auftretenden schwierigen Verkehrslagen – noch sicher zu steuer“.
Der Nachweis einer „rauschmittelbedingten Fahrunsicherheit“ könne jedoch nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund bestimmt werden. Nach wie vor gäbe es keine gesicherten Erfahrungswerte, die es erlaubten, auf eine „rauschmittelbedingte Fahrunsicherheit“ schließen zu können, nur weil die Blutwirkstoffkonzentrationen oberhalb eines bestimmten Grenzwertes lägen. Es würden vielmehr weitere aussagekräftige Beweisanzeichen benötigt, um „im konkreten Einzelfall“ belegen zu können, dass die Fahrtüchtigkeit des Kraftfahrzeugführers derart herabgesetzt wäre, dass dieser sein Fahrzeug nicht mehr unter Kontrolle gehabt hätte.
Dies müsse aber ein „Tatgericht anhand einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände“ beurteilen. Die von der Grenzwertkommission empfohlenen und von der Rechtsprechung festgelegten Grenzwerte betreffend Alkohol und anderen Rauschmitteln würden sich mithin nicht um ein Tatbestandsmerkmal der §§ 315c, 316 StGB handeln. Es handle sich dagegen um „eine aus einer Auswertung des naturwissenschaftlichen Erkenntnisstandes gewonnene prozessuale Beweisregel“. Auch in Bezug auf Cannabis würde diese Regelungssystematik der §§ 315c, 316 StGB „bislang und auch zukünftig eine stetige Berücksichtigung des naturwissenschaftlichen Erkenntnisstandes“ gewährleisten.
Um für die Sicherheit auf Deutschlands Straßen zu sorgen, stünden dem BDVM insgesamt jährlich 15,4 Mio. Euro zur Verfügung, die als Zuwendung gewährt werden und entsprechende Projektanträge voraussetzen. Sollte die Cannabis-Präventionsarbeit Aspekte des Straßenverkehrs betreffen, fände zudem ein fachlicher Austausch zwischen dem BMDV und dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) statt.