Wie wir bereits vor einigen Tagen berichteten, hat sich die SPD-Fraktion des Bundestages endlich auf einen neuen Kurs in der deutschen Cannabispolitik verständigt. In einem Positionspapier und einer Pressemitteilung haben sich die Sozialdemokraten für das Ende der Verbotspolitik ausgesprochen. Eine konsequente Legalisierung von Cannabis lehnen sie jedoch ab.
Zunächst einmal wird die Herabstufung von kleineren Besitzdelikten von der Straftat zur Ordnungswidrigkeit in Betracht gezogen. Ferner sollen die Bundesländer künftig in der Verantwortung stehen, über die Genehmigung von kommunalen Modellprojekten zu entscheiden. In der Pressemitteilung wurde zu den vorangegangenen Punkten noch die Arbeit an realitätsnahen Grenzwerten von THC in der Handhabung mit dem Fahrerlaubnisrecht in Aussicht gestellt. Wie die Reaktionen des Koalitionspartners, der Union, zeigen, birgt der Fraktionsbeschluss ein gewisses Streitpotential.
Daniela Ludwig orientiert sich abermals nicht an der Realität
Schon kurz nach Veröffentlichung des SPD-Positionspapiers zur Entkriminalisierung der Konsumenten meldete sich die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig zu Wort. Sie kritisierte, dass der Fraktionsbeschluss keine Lösungen für die Suchtproblematik anbiete, außerdem sei weniger Cannabiskonsum in der Bevölkerung das erklärte Ziel der Koalitionsverhandlungen gewesen. Dass diese Aussage Zeugnis darüber ablegt, dass Ludwig sich keineswegs mit der Lebenswirklichkeit der Konsumenten und auch nicht mit den realen Auswirkungen der bisherigen Verbotspolitik auseinandersetzt, war ihr offensichtlich nicht bewusst. Das könnte sich jedoch mittlerweile geändert haben, denn ihr Statement sollte nicht unkommentiert bleiben.
Heidenblut findet deutliche Worte gegen Ludwigs Kritik
Der drogenpolitische Sprecher der Sozialdemokraten im Bundestag, Dirk Heidenblut, beantwortete Ludwigs Reaktion sehr schnell. Man solle besser lesen und verstehen, nicht nur ins Blaue kommentieren, mit diesen klaren Worten konterte er Ludwigs Kritik, dass das Positionspapier der Fraktion keine Lösungen anbiete, um den Cannabiskonsum zu senken. Im Fraktionsbeschluss sei nirgends davon die Rede, mit der Entkriminalisierung den Konsum in Deutschland reduzieren zu wollen.
Er trage lediglich der Tatsache Rechnung, dass trotz der Cannabisprohibition der Konsum stetig ansteige, und das Verbot präventive Maßnahmen verhindere. Nach Daniela Ludwigs Amtsantritt, bei dem sie den Menschen noch Hoffnung auf einen Neuanfang in der Drogenpolitik abseits von ideologisch festgefahrenen Standpunkten machte, folgte, so Heidenblut, nur eine olympische Rolle rückwärts.
Wie ernst ist es den Sozialdemokraten mit dem neuen Weg in der Cannabispolitik?
Nun, mit der neu festgelegten Position der SPD-Fraktion, hat die Legalisierung von Cannabis eine rechnerische Mehrheit im Bundestag. Jetzt gilt es der SPD klarzumachen, dass das Thema jetzt zügig auf die Tagesordnung der Debatten gehört. Und vor allem, dass man diese Position der Vernunft auch gegen den Koalitionspartner durchsetzen möchte. Dann könnten Entscheidungen über die Anträge der Oppositionsparteien hinsichtlich der künftigen Cannabispolitik, sowie auch über die Cannabispetition des Deutschen Hanfverbandes DHV, durchaus positiv ausfallen. So nah war Deutschland der Legalisierung noch nie.
Die Unionsparteien sind angesichts des Thüringer Wahldebakels und dem damit verbundenen politischen Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer angeschlagen. Ob man zu diesem Zeitpunkt gemeinsam mit der AfD der letzte Cannabisgegner im Bundestag sein möchte, ist fraglich. Der CDU/CSU droht ohnehin schon ein Absturz in der Wählergunst, ähnlich dem, was den Sozialdemokraten bei den vergangenen Wahlen widerfahren ist. Die SPD hingegen könnte bei glaubhaftem Einsatz für ihre neue cannabispolitische Position ein neues Wählerpotenzial erschließen. Mit ein paar Millionen Cannabiskonsumenten zuzüglich Sympathisanten könnte man mit Sicherheit ein paar Prozentpunkte gut machen.