Der Deutsche Bundestag diskutierte gestern verschiedene Anträge von FDP, Grüne und Linke. Alle mit demselben Kernthema: eine liberalere Drogenpolitik durch die Entkriminalisierung von Cannabis.
Wie wir berichteten, legten am Donnerstag, den 22.02.2018 gleich drei Parteien ihre Initiativen für eine Entkriminalisierung von Cannabis vor. Während der Grundgedanke bei allen Anträgen derselbe ist, fordert die FDP in ihrem Antrag Cannabis-Modellprojekte für eine kontrollierte Abgabe ähnlich in den USA. Die Grünen legten einen Entwurf für ein Cannabiskontrollgesetz (CannKG) vor, das einen Ausschluss von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz sowie einen strikt kontrollierten Markt für dementsprechende Produkte fordert. Die Linke machte sich in ihrem Antrag mit dem Titel „Gesundheitsschutz statt Strafverfolgung – für einen progressiveren Umgang mit Cannabiskonsum“ für eine liberalere Drogenpolitik und die Entkriminalisierung von Cannabis stark. Die FDP eröffnete die teilweise mit abenteuerlichen Gegenargumenten geführte Diskussion.
Die Position der FDP
Den Anfang machte Dr. Wieland Schinnenburg von der FDP. Einleitend machte Schinnenburg auf die fehlgeschlagene Cannabis-Prohibition aufmerksam, die aufgrund steigender Konsumentenzahlen und dem blühenden Schwarzmarkt gescheitert sei. Konsumenten würden sich auf dem Schwarzmarkt ungeahnten Risiken aussetzen und ihre Gesundheit durch Streckmittel aufs Spiel setzen. Als weiteres Argument für die Entkriminalisierung nannte der Abgeordnete der Liberalen die Entlastung von Justiz und Polizei, die ihre Ressourcen dann für wichtigere Dinge verwenden könnten.
… mit diesen Worten forderte Schinnenburg kontrollierte Abgabestellen. Konsumenten hätten die Wahl zwischen Schwarzmarkt und Gefängnis. Die kontrollierte Abgabe fördere den Jugendschutz, verbessere die Kontrolle der Substanz und schaffe hohe Steuereinnahmen, so der ehemalige Zahnarzt weiter. Man wolle wieder den Menschen in den Mittelpunkt stellen.
Gegenseite CDU/CSU
Auf die FDP folgte die Rede von Stephan Pilsinger, Abgeordeter der CDU/CSU. Pilsinger bezeichnete die Vorstellungen, die manche von Cannabis hätten, als „rauschhafte Fantasien“. Man wolle diese mit wissenschaftlichen Fakten korrigieren, so der 31-jährige Münchner. Würde Cannabis zur Entlastung der Polizei entkriminalisiert werden, müssten alle Drogen freigegeben werden. Das Argument der FDP, die kontrollierte Abgabe leiste durch die möglichen Qualitätskontrollen einen wertvollen Beitrag zum Jugendschutz, wurde mit demselben Argument entkräftet: Im Umkehrschluss bedeute dies, dass alle Drogen entkriminalisiert werden müssen.
Die steuerlichen Einnahmen seien mit einer hohen Zahl an Konsumenten verbunden. Angesichts des Werbeverbots für Tabak sei dies grotesk. Cannabis sei alles andere als unbedenklich. Der Konsum führe zu einer vielfältigen Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten. Im weiteren Verlauf stützte sich Pilsinger auf Studien, die eine gesundheitsschädliche Wirkung von Cannabis nahelegen.
Alexander Krauß von der CDU/CSU Fraktion blickte auf seinen Besuch in Colorado zurück. Dort ist Cannabis für den Freizeitkonsum legal und kann in sogenannten Dispensaries gekauft werden. Aus seinem Besuch habe er eindeutige Erkenntnisse gewonnen. Der Drogenkonsum unter Jugendlichen sei angestiegen und diese können ganz leicht Cannabis beziehen. Von San Francisco sei Krauß besonders enttäuscht gewesen. Denn dort roch es überall nach Cannabis und Urin. Hunderte Obdachlose würden dort das Bild prägen. So weit dürfe es in Deutschland nicht kommen, konstituierte Alexander Kraus von der CDU/CSU.
Die Position der SPD
Sabine Dittmar von der SPD eröffnete ihr Plädoyer mit der Feststellung, Cannabis sei in Deutschland die am meisten konsumierte illegale Droge. In Sachen gesundheitliche Risiken und Suchtpotenzial stimmte sie ihrem Vorredner der CDU/CSU zu, verwies aber im selben Atemzug auf die Risiken von Alkohol und Nikotin. Selbst Minderjährige hätten auf dem Schwarzmarkt die Möglichkeit, Drogen zu bekommen. Das müsse dringend geändert werden, so Dittmar und erinnert dabei an die Äußerungen des Präsidenten des Bundes Deutscher Kriminalbeamter.
André Schulz hatte die restriktive Prohibitionspolitik im Hinblick auf Cannabis für gescheitert erklärt. Die SPD-Bundestagsabgeordnete sei froh darüber, dass sich der große Teil ihrer Partei für eine realitätsbezogenere Drogenpolitik einsetze. Die Sozialdemokraten fordern eine regulierte Abgabe von Cannabis in einem Modellprojekt, um die Ergebnisse evaluieren zu können. Dittmar forderte ein neues Kapitel der Drogenpolitik, in dem der Schwarzmarkt ausgetrocknet, Konsumenten entkriminalisiert und das gesundheitliche Risiko durch verbesserten Verbraucher- und Jugendschutz minimalisiert werden soll. Die Prohibition durch Strafverfolgung sei gescheitert, so Sabine Dittmar von der SPD.
Dirk Heidenblut von der SPD zeigte sich zunächst dankbar gegenüber den Antragstellern, dass man auf dem Weg in eine liberale Drogenpolitik sei und den Kollegen der CDU/CSU und AfD Nachhilfe in Sachen fortschrittlichere Politik und Suchtfragen erteilen könne. Die meisten Abgeordneten dieser Parteien würden Mythen hinterherjagen und sollten aufhören, Cannabis-Konsumenten als schlechtere Menschen zu sehen.
Gegenseite AfD
Den ersten Beitrag der AfD zu diesem Thema brachte Prof. Dr. Axel Gehrke. Laut der Meinung des AfD-Abgeordneten reichen die wissenschaftlichen Fakten bestenfalls für eine erlaubte medizinische Nutzung, seien aber kein Indikator für eine Entkriminalisierung. Ein Modellprojekt, um verlässliche Daten zu erheben, bezeichnete er als Trugschluss. Die Drogenszene bliebe bestehen und Jugendliche seien mit oder ohne Legalisierung Gefahren ausgesetzt. Die Bemühungen der Legalisierungsbefürworter nannte er hilflos, das werde anhand der Forderung deutlich, Abgabestellen dürfen sich nicht in einem bestimmten Umkreis von Schulen und Jugendzentren befinden.
Minderjährigen wäre es egal, wie weit sie für die Droge laufen müssen, denn Cannabinoide seien eine Einstiegsdroge für härtere Substanzen. Auf die Zwischenfrage, ob man demnach auch Alkohol und Nikotin verbieten müsse, sagte Gehrke: „Ganz klar, eigentlich müsste auch Alkohol und Nikotin entsprechend verboten werden.“ Es gäbe aber keinen Grund dafür, eine dritte Droge zuzulassen.
Der AfD-Abgeordneten Karsten Hilse berichtete aus seiner 30-jährigen Erfahrung als Polizeikommissar und wies darauf hin, dass bei 80 % aller Cannabisfunde auch Crystal Meth gefunden wurde. Unter Polizisten sei mittlerweile klar, dass Cannabis eine Einstiegsdroge für Crystal Meth sei.
Die Position der Linken
Zu Beginn seines Vortrags machte Niema Movassat von der Partei die Linke zunächst einmal auf den speziell von der CSU verherrlichten Bierkonsum aufmerksam. Trotz 75.000 Alkoholtote pro Jahr, fordere die CDU/CSU ein Cannabiverbot, obwohl daran noch niemand gestorben sei, so Movassat. Die ideologischen Scheuklappen, mit denen gerade Drogenpolitikbetrieben werde, bezeichnete er als absurd. Die Linke fordert, dass endlich damit Schluss sein müsse, dass Menschen wegen Cannabis bestraft werden. Im Wesentlichen nannte der Abgeordnete drei Argumente für den Antrag seiner Partei. Erwachsene hätten ein Recht darauf, sich selbst zu schaden.
So stehe es im Grundgesetz und beim Rauchen eines Joints schade man, wenn überhaupt, nur sich selbst. Der jetzige Umgang mit Cannabis entmündige den Menschen in seiner Handlungsfreiheit, so Movassat weiter. Als zweites Argument nannte der Sprecher für die Linke die jetzige Ressourcenverschwendung von Justiz und Polizei für die Verfolgung von Cannabis-Konsumenten. Auch hier wurde auf die Äußerungen von André Schulz, Präsident des BDK, verwiesen, denn Polizei und Justiz hätten Wichtigeres zu tun, als sich um die Strafverfolgung von Cannabis-Konsumenten zu kümmern.
Zu guter Letzt erinnerte Niema Movassat daran, dass die Kriminalisierung gesundheitsschädlich sei, denn so lege man die Qualität in die Hände des Schwarzmarktes. Eine Entkriminalisierung sei ein Beitrag zum Gesundheitsschutz. Nach Ansicht von Movassat leugne die CDU/CSU wissenschaftliche Fakten, die beweisen, dass Cannabis eine relativ harmlose Freizeitdroge ist. Allen voran die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler, die man endlich absetzen sollte, forderte Movassat.
Die Position der Grünen
Für die Grüne ging die Fachärztin für Psychiatie und Psychotherapie Frau Dr. Kirsten Kappert-Gonther an das Rednerpult. Der Schwarzmarkt blühe und die Drogenpolitik sei gescheitert, damit eröffnete die Medizinerin ihre Rede. Im Vordergrund stehe der Kinder- und Jugendschutz, der nur durch die Entkriminalisierung verwirklicht werden könne. Ein Lob ging auch an die SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar, die mit ihrer Rede in ihrer Partei ein klares Zeichen in die richtige Richtung setzte. Ihren Einsatz für die Entkriminalisierung begründete die Suchtmedizinerin mit 20 Jahre Erfahrung damit, dass die gesundheitlichen Schäden alle unter dem Deckmantel der Prohibition stattfänden. Diese würde bestehende Gefahren nur noch verschlimmern. Schließlich forderte Dittmar im Namen der gesamten Partei ein Ende der gesundheitsgefährdenden Prohibition, sodass man Konsumenten vernünftig schützen könne und verwies auf die guten Erfahrungen aus Colorado oder Kalifornien.
Für Lacher sorgte vor allem Kirsten Hilse von der AfD, für den der Weg zu Crystal Meth eindeutig über Cannabis führt. Stephan Pilsinger bewies eindrucksvoll, dass man auch als junger Mensch eine extrem konservative Position vertreten kann. Hoffnung machen hingegen die Aussagen der SPD, deren Stimmen bei einer Abstimmung die theoretische Mehrheit bringen könnten. Die Äußerungen des Berliner SPD-Fraktionschefs Raed Saleh, der sich vor einigen Tagen für einen liberaleren Umgang mit Cannabis ausgesprochen hat, lassen zumindest die Vermutung zu, dass ein großer Teil der Sozialdemokraten hinter einer liberaleren Cannabispolitik steht.