Produzenten und Händler von Nutzhanf und nicht berauschend wirkenden Produkten aus Industriehanf hatten in der Vergangenheit schon häufiger unnötige Probleme mit der Staatsmacht. Da bei Nutzhanf bislang stets ausgeschlossen werden musste, dass ein Einsatz zu Rauschzwecken in jeglicher Form stattfinden kann – dies theoretisch mit großen Mengen und einem riesigen Aufwand jedoch möglich wäre – fanden Beamte und Staatsanwälte schon oft genügend Gründe zum Eingreifen.
Dies ging teils gar so weit, dass ganze Hanffelder von legal agierenden Landwirten beschlagnahmt wurden, was selbstverständlich neben Schlagzeilen auch zu großen finanziellen Sorgen führt. Damit sich in Zukunft derartige Geschichten nicht wiederholen können und Produzenten wie Händler auf der sicheren Seite stehen, kündigte Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, in der dritten Märzwoche an, die sogenannte „Rauschklausel“ zu streichen, die für solche Eingriffe verantwortlich war.
Abschaffung eines Wettbewerbsnachteils
Da sich Händler und Produzenten nicht darauf verlassen konnte, in Ruhe ihren legalen Geschäften nachgehen zu können, kann die Rauschklausel neben weiteren bürokratischen Hürden als Wettbewerbsnachteil für deutsche Hanfunternehmen angesehen werden. Auf dem „Parlamentarischen Abend der Cannabiswirtschaft“ sagte nun Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Özdemir, dass man die Rauschklausel streichen werde. Diese deutsche Sonderregel hat schließlich dazu beigetragen, dass selbst sehr niedrige Gehalte von THC im Industriehanf zur Strafbarkeit, Razzien und Betriebsschließungen führen konnten.
Insgesamt wäre durch die Situation die Arbeit mit Hanf und dessen Weiterverarbeitung in jedem Falle behindert worden. Unter anderem durch die intensive Arbeit des Branchenverbands der Cannabiswirtschaft wird der wenig sinnhafte Wettbewerbsnachteil hierzulande jetzt endlich abgeschafft. Dazu wären bereits erste Maßnahmen beim Bürokratieabbau getroffen worden, beispielsweise bezüglich der Vorschriften zu Blühmeldungen und Saatgutetiketten, was den Umgang mit Nutzhanf für Landwirte ein wenig erleichtert.
Özdemir mag Hanf
Während seiner Rede auf dem parlamentarischen Abend der Cannabiswirtschaft, stellte Cem Özdemir klar, wie nützlich Hanf im Allgemeinen ist. Er verwies auf die Seile von Schiffen zu Zeiten von Christopher Kolumbus und auf den Automobilhersteller Henry Ford, der ein komplettes Fahrzeug aus Hanf herstellte. Insgesamt sei Hanf eine Alternative zu Plastik und Stahl, da er so widerstandsfähig und zugleich ein nachwachsender Rohstoff ist. Daher wäre der Einsatz als klimafreundliche Option in der Baubranche und der Automobilindustrie mit Sicherheit auch wünschenswert.
Özdemir bezeichnete die Abschaffung der Rauschklausel als längst überfälligen Schritt und kündigte zudem an, dass man den Weg für den Anbau von Industriehanf auch in Innenräumen frei machen wolle. Warum es häufig noch eine Scheu gebe, sich mit dem Thema zu befassen, verglich der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft damit, „als würde man einen großen Bogen um Bäckereien oder gleich das gesamte Bäckerhandwerk machen, nur weil dort Mohnkuchen angeboten wird.“
BvCW erfreut über kommende Erleichterungen
Laut Marijn Roersch van der Hoogte, dem BvCW Vize-Präsident und Fachbereichsleiter für Industriehanf, stellen die neuen Reformen große Schritte dar, um das Potenzial von Hanf in Zukunft besser nutzen zu können. Er sagte, dass Hanf vielfältig und nachhaltig beispielsweise als „Faserverbundstoff in der Automobilindustrie, als Dämmstoff und Hanfbeton auf dem Bau oder als biologisch abbaubares Plastik“ eingesetzt werden könne. So würde Hanf dann auch einen wichtigen Beitrag bei der CO₂-Reduktion in Deutschland leisten.
BvCW-Geschäftsführer Jürgen Neumeyer sieht auch einen wichtigen „Schritt für eine Neuetablierung der deutschen Industriehanfbranche“ getätigt. Man würde dem Entwurf aus dem BMEL mit Freude entgegensehen und das parlamentarische Verfahren auch weiter konstruktiv begleiten wollen. Die „sinnlose Rauschklausel“ selbst hätte in den vergangenen Jahren zunehmend nur zu wirtschaftlichen Schäden und Insolvenzen geführt, weshalb man sich jetzt auch über die „dringend erforderliche Abschaffung“ dementsprechend sehr freuen würde.
Händler und Produzenten von alkoholfreiem Bier würden schließlich auch keinen Razzien unterzogen oder bestraft werden, weil man sich aus dem noch vorhandenen Restalkohol unter schwer nachvollziehbaren Umständen theoretisch doch einen Schnaps destillieren könnte.