Die Bundesregierung steht vor einem großen Problem. Zwar haben sich alle Partner der Ampel-Parteien darauf in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt, Cannabis zu Genusszwecken erwachsener Bewohner der Bundesrepublik zu legalisieren, doch offensichtlich scheint das Vorhaben aufgrund von verschiedenen Abkommen großen Hürden gegenüberzustehen.
Erst nachdem das Eckpunktepapier von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach präsentiert wurde, wendete man sich an die zuständige Kommission bei der Europäischen Union, um eine nötig geglaubte Erlaubnis für die Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken einzuholen. Da es hier jedoch offensichtlich nicht garantiert ist, dass seitens der Verantwortlichen sowie aller EU-Mitgliedsstaaten keine Einwände aufkommen, will Karl Lauterbach nun die Legalisierungspläne durch ein Gutachten untermauern, welches die Sinnhaftigkeit der Unternehmung in den Vordergrund rückt. Erst nach einer europa- und völkerrechtlichen Prüfung in Brüssel wolle Lauterbach dann das erwartete Gesetz auf den Weg bringen.
Gründe für die Freigabe von Cannabis verständlich machen
Da die Legalisierung von Cannabis in Deutschland wohl trotz der zugesicherten Umsetzung noch immer nicht zu einhundert Prozent sicher ist, klingt es verständlich, dass sich Organisationen wie LEAP dafür stark machen, Konsumenten von Cannabis sofort zu entkriminalisieren. Selbst Karl Lauterbach, der für das Vorhaben mitverantwortlich ist, erkennt nun leider an, dass „sehr gute Argumente“ vonnöten sind, um grünes Licht seitens der EU-Kommission zu erhalten. Deswegen schlägt der Bundesgesundheitsminister jetzt vor, ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag zu geben, welches die triftigen Gründe für die geplante Cannabisfreigabe verständlich macht. In diesem Gutachten müsse erklärt werden, dass mit einer Legalisierung von Cannabis der Schwarzmarkt zurückgedrängt werden könne und zugleich der Konsum insgesamt nicht ausgedehnt würde.
Ebenfalls müsse in Vordergrund gerückt werden, dass auf diesem Weg ein besserer Kinder- und Jugendschutz geboten wäre. Karl Lauterbach zeigt sich überzeugt, dass diese Vorteile mittels eines Gutachtens verständlich vermittelt werden könnten. Er geht dabei nicht davon aus, dass die Produktion dieses Gutachtens die Umsetzung verzögern würde. Ende des ersten Quartals 2023 könnte daher der Gesetzesentwurf fertig sein und bis zur zweiten Jahreshälfte in den Bundestag kommen, wenn er zuvor eine Billigung seitens der EU erhalten sollte. Die Stellungnahme von der EU möchte der Gesundheitsminister daher einholen, damit ein aufwendig erarbeitetes Gesetz nicht aufgrund eines von der EU eingeleiteten Verletzungsverfahrens scheitere.
Skepsis und Hoffnung
Während einige Rechtsexperten es kaum für möglich halten, dass die Kommission dem „Sonderweg von Deutschland“ zustimmen werde und auch Gefahren bestehen, dass nicht alle Länder die Legalisierungspläne befürworten würden, gibt es auch Meinungen, die von Optionen reden, welche prinzipiell noch eine Umsetzung nach einer Ablehnung ermöglichen könnten. So gäben die Völkerrechtsabkommen und auch die EU-Bestimmungen weiterhin einen gewissen Raum für einen nationalen Regulierungsansatz zur Bekämpfung des illegalen Drogenmarkts, sodass „zur Vorbeugung und Behandlung der Abhängigkeit von Suchtstoffen“ vom Cannabisverbot auf nationaler Ebene abgewichen werden könnte. Niels Lutzhöft, Partner der Kanzlei Bird & Bird in Deutschland, wird auf Handelsblatt.com zitiert, dass eine „Einführung eines streng überwachten Marktes (…) als staatliche Drogenkontrollmaßnahme“ interpretiert werden könne – ebenfalls mit einem klaren Fokus auf den Jugendschutz.
Ein streng regulierter Cannabismarkt würde somit eigentlich dem primären Ziel des Abkommens dienen, da er zur Bekämpfung des illegalen Drogenhandels eingeführt würde. Dass es bei dem Legalisierungsvorhaben keinen Plan B gäbe und Lauterbach alles auf eine Karte setze, wird jedoch klar von Juristen kritisiert. Dabei wäre eine „Legalisierung light“ eine weitere Möglichkeit, die Prohibition von Cannabis zumindest etwas zu reduzieren. Die wesentlichen Ziele des Gesetzgebungsvorhabens wären laut Lützhoff schließlich „vorläufig auch innerhalb des arznei- und betäubungsmittelrechtlichen Rahmens umsetzbar.“ Man könne seiner Meinung nach etwa eine neuartige Kategorie von Cannabisprodukten in das Arzneimittelgesetz hinzufügen, welche dann „ohne ärztliche Verschreibung und gegebenenfalls außerhalb von Apotheken abgegeben werden“ dürften.
Klingt nicht nach der schlechtesten Idee, nicht wahr, Herr Lauterbach?