Um auf bestimmte Themen aufmerksam zu machen oder auch um die Haltung oder die Vorgehensweise einer Regierung in bestimmten Belangen zu hinterfragen, gibt es im Deutschen Bundestag das Instrument der sogenannten Kleinen Anfrage. Oft sind es Mitglieder einer Fraktion, die zwar im Parlament vertreten ist, sich aber nicht in regierender Rolle befindet, die Kleine Anfragen formulieren.
Zu Cannabis und Drogenpolitik hat die Bundesregierung im Lauf der Zeit schon etliche solche Anfragen beantworten müssen, vielleicht ein deutliches Zeichen für einen offensichtlich falschen Kurs. Die jüngste Kleine Anfrage mit cannabisbezogenen Inhalten wurde gerade erst von einigen Abgeordneten der FDP verfasst. Die Antworten der Bundesregierung zeichneten ein Bild des Unvermögens und auch des mangelnden Interesses an einer zeitgemäßen Cannabis- und Drogenpolitik. Eigentlich ein Thema, das in Deutschland immerhin einige Millionen Menschen betrifft.
Die Verfasser der Kleinen Anfrage sind unter anderem der Sprecher für Drogen- und Suchtpolitik der FDP-Fraktion Dr. Wieland Schinnenburg, sowie die Bundestagsabgeordneten Michael Theurer und Renata Alt, welche die Bundesregierung zu den Entwicklungen auf dem deutschen Drogenmarkt befragen wollten. Kurz nach Beantwortung hatte Dr. Wieland Schinnenburg mit einer Stellungnahme reagiert und bezeichnete die Einlassungen der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage als entlarvend.
Schon in der Beantwortung der ersten Fragen wird klar, wie wenig sich die Bundesregierung eigentlich mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Es konnten keine aktuellen Prävalenzzahlen zum Cannabiskonsum genannt werden, lediglich einige Daten aus 2018. Nur in Bayern gibt es Erhebungen zu europäischen Vergleichsstudien, im Rest von Deutschland nicht.
Die Bundesregierung ist sich ihrer Antworten bewusst, dass sowohl der Cannabiskonsum bei (bayrischen) Schülern im europäischen Vergleich hoch ist, sechs Prozent über dem Durchschnitt, und sie weiß auch, dass der Konsum allgemein in der Corona-Pandemie stark angestiegen ist. Dies nimmt sie jedoch nicht zum Anlass, die gegenwärtige Verbotspolitik zu hinterfragen.
Auch bei Fragen zu Cannabissicherstellung (siehe Tabelle 1) kann die Regierung keine belastbaren Zahlen nennen, ebenso wenig zum Aufkommen von synthetischen Cannabinoiden in Cannabisprodukten (siehe Foto 1). Geläufig ist hingegen aber wieder, dass in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt 20 Menschen in Deutschland an synthetischen Cannabinoiden gestorben sind. Cannabis ohne Mischkonsum hingegen kann dagegen kaum als Grund für Vorfälle genannt werden, die Menschen in die Notaufnahme bringt.
Jahr | Haschisch in kg | Marihuana in kg | Cannabispflanzen |
2009 | 2220 | 4298 | 127718 |
2010 | 2144 | 4875 | 101549 |
2011 | 1747 | 3957 | 133650 |
2012 | 2386 | 4942 | 97829 |
2013 | 1770 | 4827 | 107766 |
2014 | 1755 | 8515 | 132257 |
2015 | 1599 | 3852 | 154621 |
2016 | 1874 | 5955 | 98013 |
2017 | 1295 | 7731 | 101598 |
Im laufenden Jahr hat die Bundesrepublik bereits aus 17 Ländern medizinisches Cannabis importiert, trotzdem ist derzeit keine Ausweitung des eigenen nationalen Anbaus im Gespräch.
Das abschließende Statement von Dr. Schinnenburg zur Kleinen Anfrage und der Beantwortung durch die Bundesregierung nimmt ein wenig die Hoffnung vorweg, dass wir es schon bald mit einer anderen Regierungskonstellation zu tun haben werden, die dazu bereit ist, eine Drogenpolitik zu machen, die nah an den Menschen und ihrer Lebenswirklichkeit ist:
„Wieder einmal zeigt sich die starre Haltung der Bundesregierung zum Thema Drogenpolitik und Cannabis. Aktuelle belastbare Daten können weder zum aktuellen Konsumverhalten noch zur Sicherstellung von Cannabis genannt werden. Trotz der vielfältigen Medienberichte zu synthetischen Cannabinoiden und zwanzig Todesfällen zwischen 2019 und 2020 wird das Thema kaum verfolgt. Es bleibt zu hoffen, dass die neue Bundesregierung diese Repressionspolitik beendet, den Weg für eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene ebnet sowie die inländische Produktion von Cannabis fördert.“
Dr. Wieland Schinnenburg