Im September 2021 findet die nächste Bundestagswahl statt. Susanne Gruber hat für ihren Hanf und Tier Podcast die einzelnen Parteien für ein Gespräch getroffen, um mit diesen über ihre drogenpolitischen Ziele für die neue Legislaturperiode zu sprechen. Hierbei ist eine spannende Interviewreihe entstanden, die dir hoffentlich bei der Entscheidung etwas Klarheit verschaffen kann.
Hinweis: Natürlich vertreten alle Parteien deutlich umfangreichere Themengebiete als ausschließlich ihre drogenpolitischen Ziele, daher empfehlen wir dir das vollständige Wahlprogramm zu lesen und dich umfangreich zu den Zielen der einzelnen Parteien zu informieren.
Die drogenpolitischen Ziele der FDP
Im März 2021 stellte die FDP Fraktion unter Dr. Wieland Schinnenburg den Antrag, „Cannabis zu Genusszwecken kontrolliert an Erwachsene abgeben – Gesundheits- und Jugendschutz stärken“ (Drs. 19/27807). Hierbei stellte diese fest, dass „die Repressionspolitik der Großen Koalition in Bezug auf Cannabis als Genussmittel in Deutschland gescheitert sei“. Herr Dr. Schinnenburg hat für den Hanf und Tier Podcast die drogenpolitischen Ziele der FDP für die neue Legislaturperiode zusammengefasst.
Susanne Hanf und Tier Podcast: Hat Ihre Partei drogenpolitische Ziele im neuen Wahlprogramm 2021 aufgenommen?
Dr. Wieland Schinnenburg: Das Wahlprogramm 2021 steht noch nicht final fest, derzeit werden Änderungen abgestimmt. In jedem Fall setzt sich die FDP weiterhin für eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene ein. (Antwort wurde bereits am 19.04.21 erteilt)
Susanne Hanf und Tier Podcast: Setzt sich Ihre Partei für eine kontrollierte Freigabe von Cannabis ein? Wenn ja, wie sehen Ihre konkreten Ziele hierbei aus? Woran scheitert Ihrer Meinung nach die bisherige Umsetzung eines „Cannabiskontrollgesetzes in Deutschland“?
Dr. Wieland Schinnenburg:Wir setzen uns für eine Abkehr von einer reinen Verbotspolitik hin zu einem offenen Dialog ein. Nur so kann die Reduzierung von Stigmatisierungen rund um das Thema Sucht erreicht werden. Keine andere psychische Erkrankung bleibt so lange unbehandelt – durchschnittlich erfolgt eine erste suchtspezifische Behandlung nach einer Abhängigkeitsdauer von über 12 Jahren. Um dieses Behandlungsdefizit zu adressieren, müssen wir den Dialog über Substanzkonsum offener gestalten.
Mit der FDP-Bundestagsfraktion setzte ich mich für eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene zu Genusszwecken über Apotheken oder speziell lizenzierte Geschäfte ein (Aktueller Antrag „Cannabis zu Genusszwecken kontrolliert an Erwachsene abgeben – Gesundheits- und Jugendschutz stärken“ (Drs. 19/27807)). Nicht einmal die goldene Brücke über Modellprojekte wollte die Koalition gehen, die die FDP-Bundestagsfraktion gebaut hatte (Drs. 19/515). Die Repressionspolitik macht nicht nur alle Cannabiskonsumenten zu Kriminellen, sie verhindert auch einen konstruktiven und verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis. Kernproblem ist der Schwarzmarkt, wo weder Jugendschutz noch Qualitätssicherung eine Rolle spielen.
Auch der Staat wird durch viele Cannabis-Kleindelikte erheblich belastet, 64 Prozent der Ermittlungsverfahren im Bereich der Rauschgiftkriminalität sind Cannabisdelikten zuzuordnen. Durch eine kontrollierte Abgabe könnten Ausgaben eingespart werden und die Kapazitäten von Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz für die Verfolgung des organisierten Verbrechens genutzt werden. Nach näherer Analyse wies der Entwurf zum Cannabiskontrollgesetz der Grünen viele Mängel auf, die eine Umsetzung in der Praxis schwierig machen: Zu hohe Besitzmenge (30 Gramm statt 15 Gramm), nur gentechnikfreies Cannabis, hoher bürokratischer Aufwand, Besteuerung nach Cannabis-Menge statt THC-Gehalt, nur spezielle Cannabis-Geschäfte etc.
Susanne Hanf und Tier Podcast: Wie steht Ihre Partei zum „Cannabis als Medizin“ Gesetz? Viele PatientInnen erleben immer noch extreme Schwierigkeiten, Cannabis als Medizin zu erhalten, es fehlt an Ärzten, die verschreiben, die Antragsverfahren sind umfangreich und überkompliziert, was gerade für chronisch kranke und auch psychisch Erkrankte oftmals eine weitere Hürde darstellt und immer wieder kommt es zu Lieferengpässen. Sehen Sie hierbei Verbesserungsbedarf? Wenn ja, wie könnte eine Verbesserung Ihrer seitens aussehen?
Dr. Wieland Schinnenburg: Die derzeitige Rechtslage bei der Verordnung von Medizinalcannabis ist unbefriedigend und trägt weder den wissenschaftlichen Erkenntnissen noch dem tatsächlichen Versorgungsbedarf ausreichend Rechnung. Häufig müssen schwerstkranke Menschen sich bei der Verordnung von Cannabis auf Wartezeiten von bis zu fünf Wochen einstellen. Auch schränkt das Genehmigungserfordernis den Arzt unnötig in seiner Therapiehoheit ein. Daher habe ich einen aktuellen Gesetzesentwurf der FDP-Bundestagsfraktion initiiert, der eine freiwillige Regressabsicherung statt verpflichtender Bürokratie vorsieht. Die Leistungsvoraussetzungen des § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V stellen bereits sicher, dass Cannabis nur in eingeschränktem Rahmen verordnet werden kann. Anders als ein vollständiger Wegfall der Genehmigung bietet die gewählte Lösung dem Arzt in schwierig gelagerten Fällen Rechtssicherheit durch ein gesetzlich geregeltes Verfahren. Auch kann sich der Arzt auf die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V berufen, wenn sich die Krankenkasse zu lang Zeit lässt.
Neben einer Neuregelung im Verordnungsverfahren benötigen wir dringend eine Erhöhung der Produktionsmenge von deutschem Medizinalcannabis. Die ausgeschriebene Menge von 2.6 Tonnen deckt nicht einmal 1/10 des von der Bundesregierung angegebenen Jahresbedarfs von 28 Tonnen Medizinalcannabis ab (Drs: 19/21739). Laut Bundesregierung ermöglicht die Vertragsgestaltung eine Erhöhung der Produktionsmenge und Lieferung von max. 150 Prozent, zunächst soll aber der erste Produktionszyklus abgewartet werden (Drs: 19/22921). Hier liegt eine fundamentale Fehlplanung vor, daher fordern wir, die Produktion auf 100 Tonnen jährlich zu erhöhen. Dafür muss der Anbau von Medizinalcannabis dringend erleichtert werden und der Staat sollte von gewerblichen Eingriffen absehen.
Susanne Hanf und Tier Podcast: Seit mehreren Jahren entwickelt sich eine junge innovative Hanfbranche, die regionale Arbeitsplätze schafft. Ob Hanfshop, CBD Shop oder Hanfbauern, viele sind aktuell noch der scheinbaren Willkür von Staatsanwälten und Lebensmittelbehörden ausgesetzt. Regelmäßige Razzien sind hierbei keine Seltenheit und sind oftmals existenzbedrohend und rufschädigend für die Gewerbetreibenden. Ist dieses Problem Ihrer Partei bekannt? Wie ist Ihr Standpunkt zur scheinbaren Willkür der Behörden in Bezug auf Razzien und Lebensmittelkontrollen? (Beispiel große Supermarktketten wie z. B. Rewe, DM, Müller vertreiben Hanfblütentees dort finde keine Razzien statt, Hanfbauern und Hanf/CBD Shops vertreiben die gleichen Lebensmittel und erhalten regelmäßig besuch von den Strafverfolgungsbehörden)
Dr. Wieland Schinnenburg: Das Problem ist bekannt. Die Vorgehensweisen und Testmethoden der Landesbehörden gegen CBD-Produkte sind zudem sehr unterschiedlich. In unserem föderalen System sind hier die Länder zuständig, der Bundesgesetzgeber hat leider nur geringe Einflussmöglichkeiten. Wir benötigen jedoch dringend Rechtssicherheit für den Verkauf und Erwerb von CBD-Produkten.
Susanne Hanf und Tier Podcast: Hanf/CBD Unternehmen sind auch bei Zahlungsanbietern mit Problemen konfrontiert. Beispielsweise friert PayPal regelmäßig Konten für 180 Tage ein oder sperrt diese gänzlich. Geld, welches sich auf den Konten befindet, wird dann für die maximal 180 Tage eingefroren. Ist Ihnen dieser Umstand bewusst und welche Möglichkeiten sehen Sie, diese Ungleichbehandlung zu beenden, um Hanfunternehmern einen gleichberechtigten Zugang zur freien Marktwirtschaft zu gewährleisten.
Facebook, Google und Co. hindern Hanfunternehmer daran, sogenannte Ads (Werbung) auf deren Plattformen zu schalten. Sobald Begriffe wie Hanf, Hanfsamen, Hanföl, CBD oder CBD Öl enthalten sind, ist es fast unmöglich, Werbung auf Facebook oder Google zu schalten. Selbst Lebensmittel wie Hanfsamenöl, Hanfmehl oder Hanfprotein werden entweder gar nicht freigeschalten oder nach kurzer Zeit wieder gestoppt. Ist Ihnen dieser Umstand bewusst und welche Möglichkeiten sehen Sie, diese Ungleichbehandlung zu beenden, um Hanfunternehmern einen gleichberechtigten Zugang zur freien Marktwirtschaft zu gewährleisten.
Dr. Wieland Schinnenburg: Diese Frage wurde von Herrn Dr. Schinnenburg nicht beantwortet. Auf Nachfragen wurde mir von seiner Mitarbeiterin erklärt, dass die Antwort auf die vorherige Frage 4 auch für diese Frage 5 gilt.