Im November 2016 wurde bekannt, dass tausende Personen teilweise jahrzehntelang rechtswidrig in der sogenannten „Falldatei Rauschgift“ (FDR) gespeichert wurden. Obwohl die Datei ausschließlich für Vorfälle mit erheblicher Bedeutung vorgesehen ist, kam durch die Prüfung unabhängiger Datenschützer aus Bund und Ländern heraus, dass im großen Stil Personen aufgrund von Bagatelldelikten im Bereich der geringen Menge gespeichert wurden. Im Jahr 2015 enthielt die Datei 680.000 Eintragungen.
Was ist die „Falldatei Rauschgift“?
Die FDR ist eine bundesweite Verbunddatei, in der Landes- und Bundespolizeien personenbezogene Daten zu Verstößen im Betäubungsmittelrecht einspeisen. Was bedeutet das für Betroffene? Wenn etwa das Zollkriminalamt an der deutsch-niederländischen Grenze einen Verstoß registriert, dann weiß bei zukünftigen Kontrollen auch die bayrische Polizei, oder jede andere Landespolizei, dass die beteiligte Person schon einmal aufgrund von Betäubungsmitteln aufgefallen ist.
Die gespeicherten Personen werden also auch zukünftig als kriminell stigmatisiert. Problematisch ist es, wenn von den gespeicherten Personen überhaupt keine Gefahr ausgeht. In einem Bericht für den Innenausschuss musste ich lesen, dass im großen Stil Verstöße im Bereich der geringen Menge gespeichert sind. Teilweise enthält die FDR Eintragungen über Minderjährige oder über Personen, die sich selbst angezeigt haben. Niemand kann ernsthaft behaupten, dass es sich hierbei um Vorfälle mit erheblicher Bedeutung für die öffentliche Sicherheit handelt. Außerdem enthält die Datei Eintragungen, bei denen Verfahren bereits eingestellt oder die Beschuldigten freigesprochen wurden.
Bundesregierung schiebt den Ländern den schwarzen Peter zu
Insbesondere Bayern und Nordrhein-Westfalen treten mit ihrer massenhaften Speicherung hervor. Allerdings ist das Spiel der Bundesregierung, den schwarzen Peter wegzuschieben, leicht zu durchschauen: Auch wenn die FDR seit 1980 besteht, wurden etwa die Eintragungen des Zollkriminalamts, einer Bundesbehörde, erst im Jahr 2015 zum ersten Mal datenschutzrechtlich überprüft. Dabei handelte es sich um eben jene Überprüfung, welche die massenhaften Verstöße aufgedeckt hat.
Drogentrends aufspüren mit polizeilichen Mitteln
Letztlich sind es politische Entscheidungen, welche die Rechtsverstöße begünstigt haben: So las ich im Bericht der Datenschützer die Einschätzung des Bundeskriminalamts, „dass die gespeicherten Daten, die jeweils lediglich ein niedriges Niveau sichergestellter Betäubungsmittel wiedergeben, für die polizeiliche Arbeit des Amtes von untergeordneter Bedeutung sind. Nützlich seien diese Daten allerdings dafür, einen allgemeinen, strategischen Überblick über die Entwicklung der Rauschgiftkriminalität zu erhalten.“ So könne durch die Einspeisung von Erstkonsumierenden und Bagatelldelikten nachvollzogen werden, welche Entwicklungen und Trends auf dem Drogenmarkt stattfinden. Genau diesen Zweck bestätigt auch die Bundesregierung und verzichtet darauf, zumindest Mindestmengen zu benennen, ab wann von einer Einspeisung in die Datei abgesehen werden soll.
Dass aber die Bundesregierung lieber mit polizeilichen Methoden Daten über den Drogenmarkt sammelt, als dies – wie sonst eigentlich üblich – der Wissenschaft zu überlassen, kann für rechtswidrig gespeicherte Personen folgenschwere Konsequenzen haben: Viele Berufswege im Bereich Erziehung, Polizei oder Verwaltung können den Gespeicherten verschlossen bleiben. „Die Möglichkeit des negativen Ausgangs einer Zuverlässigkeitsüberprüfung aufgrund eines Arbeitsfehlers“, so die Bundesregierung auf eine Anfrage von mir, „kann im Einzelfall nicht gänzlich ausgeschlossen werden.“ Trotzdem will die Bundesregierung die nachweislich rechtswidrig gespeicherten Personen nicht informieren, schließlich bestehe „keine Informationspflicht“.
Nachspiel im Parlament
Die Richtigkeit einer Regulierung von Drogen durch einen legalen Zugang brauchen wir an dieser Stelle nicht zu diskutieren. Daran halten meine Fraktion DIE LINKE und ich fest. Weil der Weg zur Legalisierung aufgrund der bestehenden Mehrheitsverhältnisse momentan verbaut ist, werden wir als Sofortmaßnahme zumindest zur Abstimmung stellen, Eigenbedarf Konsumierende zu entkriminalisiert. Hierzu möchte ich die Regelung zur geringen Menge nach § 31a dahin gehend bundeseinheitlich ändern, dass von einer Strafverfolgung von bis zu 15 Gramm Cannabis und zehn Tagesdosen anderer Substanzen abgesehen werden soll. Das würde bedeuten, dass bei Handel und Besitz zum Eigenbedarf keine Anzeigen mehr durch die Polizei aufgrund von Betäubungsmittelverstößen aufgenommen werden. Positiver Nebeneffekt: Ohne Anzeige ist sicher, dass die Konsumierenden auch nicht in der Falldatei Rauschgift landen.
Beitragsfoto: © Frank Tempel – Die Linke