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Ein Hoffnungsschimmer aus Goslar
Vom 24. bis 26. Januar 2018 fand in Goslar wieder der Deutsche Verkehrsgerichtstag statt. Fast 2.000 Teilnehmer diskutierten in acht Arbeitskreisen aktuelle Fragen des Verkehrsrechts. Unter anderem fand sich auch ein Arbeitskreis, der den für uns relevanten Bereich Cannabiskonsum und Fahreignung behandelte. Immerhin 80 % der Empfehlungen aus Goslar werden vom deutschen Gesetzgeber übernommen, daher ist der Verkehrsgerichtstag für jeden im Verkehr tätigen Anwalt und den interessierten Fahrerlaubnisbesitzer relevant.
Rekapitulieren wir kurz, wie die derzeitige Praxis der Führerscheinbehörden und Verwaltungsgerichte hinsichtlich des Cannabiskonsums und der Fahrerlaubnis aussieht.
Auf Grundlage der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) unterscheiden die Behörden und Gerichte im Wesentlichen zwischen drei Arten des Cannabiskonsums:
Der Probierkonsument: Diese seltene Spezies belässt es beim einmaligen Konsum von Cannabis und wird dabei unglücklicherweise auch noch erwischt.
Der Gelegenheitskonsument: Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er kein Probierkonsument ist, aber auch kein regelmäßiger Konsument.
Der regelmäßige Konsument: Er zeichnet sich dadurch aus, dass er beinahe täglich Cannabis konsumiert. Regelmäßiger Konsum soll auch ohne konkreten Bezug zum Straßenverkehr die Fahreignung schlechterdings ausschließen.
Diese Klassifizierung wird von den Führerscheinbehörden und Verwaltungsgerichten herangezogen, um im Straßenverkehr im Zusammenhang mit Cannabis auffällig gewordenen Bürgern gegebenenfalls den Führerschein zu entziehen.
Wie wird man „auffällig“? Im Rahmen von allgemeinen Verkehrskontrollen zieht die Polizei alles an Informationen heran, was die bei der Polizei und sonstigen Behörden angesammelten Dateien über den Angehaltenen bereithalten. Manche dieser Dateien dürften zwar gar keine Verwendung mehr finden, weil sie wegen Zeitablaufes zu löschen gewesen wären. Wurde das versäumt, werden die Informationen aber in der Regel auch genutzt: Wurde man vor zehn Jahren mit kleinen Mengen Cannabis erwischt, das Ermittlungsverfahren aber eingestellt, reicht dies den Beamten häufig für den berühmten Anfangsverdacht.
Der geneigte Bürger sollte sich daher über seine Daten informieren, um zumindest die Informationshoheit zurückzugewinnen. Er sollte sich mit seinem Auskunftsanspruch über den Bestand an vorhandenen Informationen an die Polizeibehörden wenden. Für eine Auskunft braucht man keinen Anwalt-Musterformulare für ein Auskunftsersuchen sind zum Beispiel auf der Webseite des Berliner Datenschutzbeauftragten zu finden. In Zeiten von Datenmissbrauch durch Facebook und möglicherweise sogar manipulierten Wahlen dürfte eine gewisse Sensibilität hinsichtlich der eigenen Daten selbst in staatlicher Hand vorhanden und ein entsprechendes Bemühen, um ihr Zurückerlangen, jedem Bürger anzuraten sein.
Oftmals erfolgt bei der Verkehrskontrolle ein Bluttest. Die Behörden können sich durch Heranziehung des bei der Blutuntersuchung ebenfalls ermittelten Carbonsäurewertes vor weiteren Ermittlungen drücken und unter Umständen die Fahrerlaubnis ohne weitere Aufklärung entziehen.
Hier gelten folgende Grenzwerte:
Liegt der THC Carbonsäurewert über 75,0 ng/ml, wird von der Mehrzahl der deutschen Verwaltungsgerichte von gelegentlichem Cannabiskonsum ausgegangen.
Ab einem THC-Carbonsäurewert von 150,0 ng/ml spricht man sogar von regelmäßigem Cannabiskonsum. In beiden Fällen entzieht die Fahrerlaubnisbehörde ohne weiteren Aufklärungszwang die Fahrerlaubnis.
Dies tut sie, obwohl der wissenschaftliche Aussagewert der zugrunde liegenden Studien zweifelhaft ist. Aber bei diesen Kontrollen sollte sich jeder Bürger ruhig und besonnen verhalten: An Urintests und sonstigen Turnübungen muss niemand mitwirken und kann insbesondere von seinem Grundrecht zu schweigen, Gebrauch machen. Ohne weitere Auffälligkeiten ist dann der Erhalt der Fahrerlaubnis auch trotz Cannabiskonsums möglich: Selbst wenn bei der Blutuntersuchung die Schwelle von 1ng/ml Blutserum THC überschritten wird, kann die Fahrerlaubnisbehörde, nachdem sie durch die Polizei informiert wurde, die Fahrerlaubnis nicht ohne Weiteres entziehen.
Hat man bei der Verkehrskontrolle geschwiegen und ist der Carbonsäurewert unauffällig, ordnet die Behörde an, dass der Betroffene ein ärztliches Gutachten auf eigene Kosten beizubringen hat. Mit diesem ärztlichen Gutachten, welches in der Regel aus zwei Urinproben und einem Gespräch besteht, soll in Erfahrung gebracht werden, ob dem Verkehrsverstoß ein gelegentlicher Cannabiskonsum oder Probierkonsum zugrunde gelegen hat. Wirkt der Betroffene hier nicht mit oder lassen sich seine Erklärungen mit den medizinischen Befunden nicht in Einklang bringen, hat dies den Verlust der Fahrerlaubnis zur Folge. Soweit die bisher gängige und deprimierende Praxis in Deutschland. Nun könnte Bewegung in die festgefahrene Cannabis diskriminierende Rechtsanwendung kommen.
Der gewichtigste Grund hierfür dürfte das im Jahr 2017 in Kraft getretene Gesetz „Cannabis als Medizin“ gewesen sein. Die gesetzliche Neuverordnung von Cannabis als Medizin und nicht mehr ausschließlich als Droge, dürfte zu einem Umdenkprozess geführt haben.
Ein zweiter gewichtiger Grund dürfte die Empfehlung der Grenzwertkommission im September 2015 gewesen sein, die Grenze für den Beleg von zeitnahem Konsum für die Annahme fehlenden Trennungsvermögens von Cannabis auf 3,0 ng/ml THC im Blutserum anzuheben. Die Grenzkommission ist eine fachübergreifende Expertengruppe aus Medizinern und Chemikern, welche die Bundesregierung berät. Erstmalig in ihrer Geschichte folgten jedoch die Verwaltungsgerichte der Empfehlung der Expertenkommission mit zweifelhafter Begründung bisher (noch?) nicht.
Auch in der Rechtsprechung der zuständigen Gerichte mehrten sich in letzter Zeit die Stimmen, die die gängige Praxis der Behandlung von Cannabiskonsumenten als unverhältnismäßig ansahen. So trat der Verwaltungsgerichtshof München der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen. Die vorgenannten Entwicklungen gipfelten nun in den Empfehlungen des Verkehrsgerichtstages in Goslar. Endlich Licht am Horizont.
Die wichtigsten Empfehlungen lauten:
Der erstmalig im Straßenverkehr auffällig gewordene, gelegentliche Cannabiskonsument soll nicht ohne Weiteres als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen werden.
In Zukunft soll nicht bereits ab 1,0 ng/ml THC im Blutserum fehlendes Trennungsvermögen unterstellt werden. Dies soll erst ab einem Wert von 3,0 ng/ml THC im Blutserum der Fall sein.
Sollten diese Empfehlungen umgesetzt werden, dürfen die positiven Auswirkungen nicht unterschätzt werden. Endlich wäre es Cannabiskonsumenten möglich, verantwortungsvoll Cannabis zu konsumieren und dennoch den Ansprüchen des Straßenverkehrs Genüge zu tun: Beim Einlegen einer achtstündigen Pause zwischen Cannabiskonsum und dem Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr, dürfte ein Überschreiten der 3,0 ng/ml THC-Schwelle ausgeschlossen sein. Ferner hätte ein einmaliges Versagen bezüglich Cannabis und Straßenverkehr nicht mehr zwangsläufig den Entzug der Fahrerlaubnis zu Folge. Dies stellte einen Schritt zur lange Zeit geforderten Gleichstellung von Alkohol und Cannabis im Straßenverkehr dar. Grund zur Hoffnung bestehen also! Jetzt ist der Gesetzgeber in Berlin gefragt.