Viele Menschen in Deutschland sind schon glücklich, wenn sie Cannabis auf ihrem Balkon rauchen können, ohne sich Sorgen zu machen, dass der Nachbar gleich die Polizei anruft, um einen Drogenring zu melden.
Seit 2017 ist Cannabis in Deutschland für Schwerkranke auf Rezept erhältlich und in Ausnahmefällen kann man sogar erfolgreich eine Genehmigung zum Anbau beantragen. Beide Wege sind jedoch meistens mit mehr Hindernissen übersät als ein 100 Meter Hürdenlauf. Davon mal abgesehen, dass die meisten Krankenkassen Cannabis nicht finanzieren. Das könnte sich mit der neuen Ampelregierung bald ändern, denn jede hat in ihrem Wahlprogramm eine klare Meinung zur Legalisierung.
Derzeitig stimmen nach einem Trendbarometer von RTL und n-tv 30 % der Deutschen für eine vollständige Legalisierung, während 59 % der Meinung sind, es sollte lieber ein Arzneimittel bleiben und 7 % nicht an eine Legalisierung glauben. Mit der neuen Ampelkoalition zwischen FDP, SPD und Grüne stehen die Zeichen gut, dass es vielleicht zu einer Form von Legalisierung kommen könnte. Die Frage ist nur welche? Denn von Entkriminalisierung, Legalisierung und Legalisierung mit Eigenanbau gibt es viele Wege, in welche die Ampel schwenken könnte.
Entkriminalisierung
Auch bekannt als der Mittelweg zwischen Prohibition und Legalisierung: die Entkriminalisierung. Die Entkriminalisierung eliminiert im Allgemeinen Gefängnis- oder Gefängnisstrafen für den Besitz von Cannabis. Trotzdem bleiben aber einige andere Strafen bestehen. Geringfügige Cannabis-Vergehen werden eher wie ein geringfügiger Verkehrsverstoß geahndet. Das bedeutet, diejenigen, die dabei erwischt werden, einen Betrag, der leicht außerhalb der entkriminalisierten Grenze liegt, zu besitzen oder zu verkaufen, werden immer noch mit einer Geldstrafe bestraft. Diese wäre aber meistens nicht mehr als ein paar Hundert Euro. Falls es zu einem Besitz oder Verkauf von größeren Mengen Cannabis kommt, könnte es aber immer noch zu Gefängnisstrafen kommen. Das hängt von der Regierung oder dem zuständigen Bundesland ab.
In gewisser Weise leben wir aber schon in einem leichten Entkriminalisierungsmodell, denn bei einer vollständigen Prohibition dürfte Cannabis auch nicht medizinisch verabreicht werden. Vom Anbau mal ganz abgesehen. Es gibt aber auch gewisse Grauzonen und Mittelwege zwischen Entkriminalisierung und Legalisierung. Die meisten davon in Ländern, in denen viele Menschen glauben, dass Cannabis und sogar Eigenanbau schon legalisiert sei.
Ein anschauliches Beispiel sind Hollands Coffeeshops. Diese dürfen Cannabis weder anbauen noch kaufen. Trotzdem sind der Verkauf und das Rauchen von Cannabis innerhalb des Cafés immer noch erlaubt, während das Lagern vom Cannabis zu Hause trotzdem illegal bleibt. Ähnliche Regeln finden sich auch in Spanien. Ein weiteres Beispiel, von welchem man vielleicht nicht weiß, ist Jamaika. Dort ist der Konsum von Cannabis nur für medizinische oder religiöse Zwecke erlaubt. Hier kann man sehen, dass Entkriminalisierung wirklich nicht die schlimmste Wahl ist. Es ist zwar keine komplette Legalisierung und hat natürlich keine Optionen auf Eigenanbau, aber vielleicht muss man sich mit einer Entkriminalisierung keine Sorgen mehr um den Nachbarn machen.
Legalisierung
Die bekannteste Option ist die komplette Legalisierung, aber was bedeutet das genau? Die Legalisierung würde im Allgemeinen die Aufhebung aller von der Regierung verhängten Strafen für den Besitz und die Verwendung von Cannabis bedeuten. Das bedeutet zwar, dass es nun Einzelhandel, Transport und Großhandel legal wären, es bedeutet aber nicht, dass der Bürger auch selbst anbauen kann.
Die Vorteile einer Legalisierung sind ein Thema, über das schon Bücher geschrieben wurden. Kriminelle Organisationen würden geschwächt werden, das Justizsystem (Gerichte sowie Polizei) würde entlastet werden, Steuereinnahmen könnten dem Staat zugutekommen, es stünden mehr Jobs zu Verfügung und man könnte endlich Cannabis kaufen, ohne sich über die Qualität und Inhaltsstoffe Sorgen zu machen.
Wie wir wissen, gibt es aber auch bei dieser Politik eine Menge Kritiker. Einer der Hauptprobleme einer Legalisierung ohne Eigenanbau ist die sogenannte „Big-Marihuana“ Industrie. Kritiker sagen, dass diese Industrie vor allem Süchtige und Minderjährige mit ihrer Werbung fokussieren würde, da diese die gewinnbringendsten Kunden sind, wenn es um den Kauf von Cannabis geht. Kritiker sagen, dass vor allem Edibles und Nahrungsmittel, welche THC enthalten, die Chancen erhöhen, dass Minderjährige sich an Cannabis vergreifen könnten, hauptsächlich da diese ständig in Form von Süßigkeiten wie z. B. Gummibären, Schokolade oder Keksen angeboten werden. Um dieses Problem zu umgehen, könnte man Cannabis dieselben Werbeverbote auferlegen, wie es bei nikotinhaltigen Produkten schon lange der Fall ist. Wie man sieht, ist aber auch diese Form der Legalisierung nicht ganz ohne Probleme. Trotzdem bietet sie mehr Vorteile als die Entkriminalisierung.
Legalisierung mit Eigenanbau
Der offensichtlichste Unterschied zwischen Legalisierung und Legalisierung mit Eigenanbau steckt schon im Namen. Es bedeutet, dass man selbst ein paar Pflanzen auf seinem Grundstück wachsen lassen und ernten kann. Das hat mehrere Vorteile für Konsumenten. Für schwer erkrankte Menschen, welche hohe medizinische Kosten tragen müssen und auch nicht ohne Einschränkungen arbeiten können, kann Cannabis aus dem Laden vielleicht zu teuer sein. Wenn man Cannabis ohne Probleme selbst anpflanzen könnte, würden diese Probleme für viele entfallen.
Es gibt aber auch eine Menge Kritik an der Idee des Eigenanbaus. Manche Kritiker sagen, dass Eigenanbau die Steuereinnahmen durch die Pflanze senken würde. Außerdem würden Cannabis-Geschäfte auch wertvolle Kunden verlieren, wodurch das Modell gegenüber der einfachen Legalisierung an Wert verlieren würde. Ein verständliches Beispiel ist hier Colorado. Der amerikanische Staat erlaubt seinen Bürgern seit 2012 Cannabis zu konsumieren und bis zu 12 Pflanzen durch Eigenanbau zu besitzen. Im Jahr 2020 machte der Staat trotz Eigenanbau 34 Millionen Dollar nur in Steuergeldern und seit 2014 insgesamt 9.9 Billionen Dollar. Das zeigt, dass der Staat trotz Eigenanbau immer noch mehr als genug Einnahmen generiert.
Ein weiteres Argument gegen den Eigenanbau ist, dass es den Schwarzmarkt antreiben würde, da Dealer die Pflanze nun sehr viel billiger und einfacher verkaufen könnten. Ein Schwarzmarkt würde aber nicht entstehen, wenn Unternehmen Cannabis zu einem angebrachten Preis verkaufen würden. Dazu kommt auch etwas, was man „Grow n‘ Give“ nennt, womit das Züchten und Verschenken von Cannabis gemeint ist. Hierbei würden Hobby-Gärtner einfach das Cannabis an Freunde und Familie weitergeben, ohne einen Preis dafür zu verlangen. Kriminelle Organisationen würden eher verlieren als profitieren, denn wer geht zu einem Dealer um die Ecke, wenn man bei Oma einen Hackbraten und die perfekte Knolle noch dazu bekommt.
Hier entsteht aber ein weiterer Grund, warum manche Politiker dem Eigenanbau kritisch gegenüberstehen, denn Omas Knolle kann man nicht versteuern. Eigenanbau würde weder Unternehmen noch dem Staat Geld in die Taschen spülen. Hier sieht man, warum die “Big Marihuana“ Lobby ein Problem mit dem Eigenanbau hätte. Die Gewinne würden am Ende des Monats nämlich definitiv geringer ausfallen, wenn der Konsument selber anbauen könnte.
Schlusswort
Welche Form der Legalisierung nun am Ende die beste Wahl ist, kommt wahrscheinlich auf die Person an. Wo der normale Bürger gewinnt, verlieren Staat und Unternehmen genauso wie umgekehrt. Die beste Wahl liegt wohl irgendwo in der Mitte. Die Ampel könnte sich für viele Richtungen entscheiden. Bei Bündnis-90 bleibt die Ampel grün und gewährt der Legalisierung mit Eigenanbau eine problemlose Durchfahrt. Bei Gelb und Rot kommt diese Richtung jedoch mehr ins Wanken, denn beide sind sich noch unsicher, ob der Bürger unter einer Legalisierung auch hinreichend geschützt ist. Zunächst muss entschieden werden, wer an dieser Kreuzung der Legalisierung Vorfahrt hat, bevor wir wissen, welche Farbe die Ampel zeigt.
Quellen
Wahlprogramm der Grünen: cms.gruene.de
Wahlprogramm der FDP: fdp.de
Wahlprogramm der SPD: spd.de