Nachdem auf eine Kleine Anfrage der Partei Die Linke von der Bundesregierung darauf hingewiesen wurde, dass Krankenkassen eine Therapie mit Medizinalhanf zuerst genehmigen müssen, bevor die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten für die Behandlung übernimmt, gibt Frank Tempel, seines Zeichens drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, Antworten auf Fragen, die sich die Betroffenen stellen könnten. Derweil wurde der Entwurf eines Cannabiskontrollgesetzes der Grünen-Bundestagsfraktion vom März 2015 abgelehnt.
So schön das neue „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“, dass am 10. März 2017 in Kraft getreten auch ist, wirft es doch ein paar dunkle Schatten voraus, die sich in Zukunft negativ auf den Patienten auswirken könnten. Eines der zentralen Probleme ist die Kostenübernahme für eine Cannabistherapie durch die gesetzliche Krankenversicherung. Während Schmerzpatienten die Behandlung in den meisten Fällen erstattet bekommen, sieht die Welt bei psychischen Erkrankungen, also beispielsweise bei Fällen von ADHS oder Depressionen, ganz anders aus, berichtet Tempel auf seiner Website.
Anträge zur Kostenerstattung würden bei diesen Patienten häufig abgelehnt werden. Das gilt auch für Patienten, die schon vor Inkrafttreten des Gesetzes eine Sondergenehmigung einer Cannabistherapie vom „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ ausgestellt bekommen hatten. Aufgrund dessen sei es schon zu ersten Klagen von Patienten gegen die Krankenkassen gekommen, heißt es weiter. Tempel macht aber zugleich darauf aufmerksam, dass es einige Tipps und Hinweise gibt, um das Recht der Kostenerstattung doch noch in Anspruch nehmen zu können.
Recht auf eine Therapie mit Cannabis können Patienten haben, wenn „eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung“ entweder „nicht zur Verfügung steht“ oder diese „nicht zu Anwendung kommen kann“ , sowie wenn „eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linke. Der behandelnde Arzt müsse diese Kriterien bestätigen und seine Entscheidung gegenüber der Krankenkasse begründen können, schreibt die Regierung weiter. Doch was hilft, wenn sich die Kassen querstellen?
Den Arzt unterstützen
Tempel verweist darauf, dass es für Krankenkassen besonders durch das zweite Kriterium ein Leichtes ist, einen Antrag auf Übernahme der Kosten abzulehnen. Dies würde an der fehlenden Studienlage zum Cannabiswirkstoff als Medizin liegen, erklärt der stellvertretende Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages. Der 48-Jährige empfiehlt daher, „bei der Antragstellung auf die Begleiterhebung zu verweisen, an der die Patientinnen und Patienten teilnehmen müssen, wenn die Kosten für die Therapie erstattet werden sollen.“
Zudem rät er dazu, die Ärzte beim Ausfüllen des Antrages zu unterstützen, da die Krankenkassen diesen beim kleinsten Formfehler ablehnen würden. Einen Musterantrag, der den Ärzten das Leben leichter machen könnte, bietet die „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“ auf ihrer Website www.cannabis-med.org an. Um den vielleicht noch unerfahrenen Mediziner auf diesem Gebiet weiter an die Hand zu nehmen, empfiehlt der Politiker bei einem Gespräch mit dem Arzt zudem, fachlich-medizinisch fundierte Informationen an diesen weiterzugeben.
Wo finde ich einen geeigneten Arzt?
Aber schon die Suche nach einem betreuenden Arzt bereitet den Patienten Schwierigkeiten. Die Ärzte hätten wenig Lust auf das Mehr an unbezahlter Arbeit und den Aufwand, den sie dafür betreiben müssen, so Tempel. Das ist nachvollziehbar. Neben Auseinandersetzungen mit den Krankenkassen, muss der behandelnde Arzt Informationen über seinen Patienten sammeln und diese dann an das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ übermitteln. Tempel verweist bei dem Thema erneut auf die „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“, bei der nach einem Arzt aus der Region gefragt werden kann, der bereits Erfahrung bei der Verschreibung von Medizinalhanf hat.
Was tun, wenn die Kasse ablehnt?
Sollten die Anträge, die von der Krankenkasse in der Regel innerhalb von drei Wochen bearbeitet sein müssen, was sich aber bei Einschaltung des medizinischen Dienstes zur Prüfung des Antrags auf fünf Wochen hinausziehen kann, abgelehnt werden, empfiehlt Tempel zunächst, die Aufsichtsbehörde, die für die jeweilige Kasse zuständig ist, einzuschalten. Zudem kann gegen den Bescheid ein Widerspruch eingelegt werden. Einen Generator dazu findet sich ebenfalls auf der Website der „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“.
Durch einen Widerspruch könne sich der Patient zusätzlich Zeit verschaffen und sich so weitere Beratung mit ins Boot holen, informiert Tempel und schreibt dazu Folgendes: „Haben Sie nur Mut, gegen den Ablehnungsbescheid der Krankenkasse Widerspruch einzulegen. Es sind Fälle bekannt, bei denen die Krankenkassen nach dem Widerspruch und einem erneuten Antrag zur Kostenerstattung diesen bewilligt haben.“ Als letzte Option erwägt der Politiker rechtliche Schritte vor dem Sozialgericht einzuleiten. Die „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“ erwägt hier sogar eine Unterstützung des Patienten bei Gerichtsprozessen, sofern gute Erfolgsaussichten bestehen würden, erläutert Tempel weiter.
Die Grünen scheitern mit Gesetzesentwurf
Auch wenn Deutschland durch das „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ im Umgang mit Marihuana in der jüngeren Vergangenheit einen deutlichen Schritt weiter gekommen ist, gibt es natürlich nach wie vor Stellschrauben, an denen gearbeitet werden kann. Die Grünen probierten ihr Glück schon vor gut zwei Jahren im März 2015.
Damals entwarf die Bundestagsfraktion der Partei ein Cannabiskontrollgesetz und legte es dem Gesundheitsausschuss des Bundestages vor, über das am Mittwoch abgestimmt wurde. Zwar hatten die Grünen die Linksfraktion auf ihrer Seite, scheiterten mit ihrem Entwurf jedoch an den Fraktionen der Union und der SPD, die sich dagegen ausgesprochen haben.
Die Grünen machten darauf aufmerksam, dass das Cannabiskontrollgesetz eine Alternative zur hierzulande stattfindenden Verbotspolitik gewesen wäre, denn diese sei „vollständig gescheitert.“ Bei Marihuana, das in Deutschland die am weitesten verbreitete illegale Droge ist, sollten die strafrechtlichen Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes keine Anwendung mehr finden, so der Wunsch der Grünen. Stattdessen plädierten sie in ihrer Vorlage für einen kontrollierten, legalen Markt mit einer regulierten Handelskette für Cannabis.
„Das Nein von Union und SPD zu unserem Cannabiskontrollgesetz ist ein Nein zu Jugend- und Verbraucherschutz“, zitiert das „Ärzteblatt“ die Fraktionssprecherin der Grünen, Katja Dörner und den Sprecher für Drogen- und Suchtpolitik, Harald Terpe. Cannabis sei nicht harmlos, machte die Partei deutlich, gerade deswegen dürften Jugend und Verbraucherschutz nicht dem Dealer überlassen werden.