Mit Burkhard Blienert hat die deutsche Bundesregierung erstmals einen Drogenbeauftragten ausgewählt, der nicht die immer gleichen Phrasen drescht und an einer gescheiterten Politik festhalten möchte. Mit sachlich richtigen Argumenten befürwortet er einen dringen benötigten Umschwung in dieser Thematik, da die bislang angewandte Verbotstaktik zu keinerlei Erfolgen führte.
Stattdessen stiegen die Zahlen beispielsweise beim Cannabiskonsum stetig und auch ein Bundesland wie Bayern, das eine äußerst strenge Herangehensweise im Hinblick auf Drogen hat, hatte zwischen 2017 und 2019 jährlich mehr Drogentote zu verzeichnen als die gesamten Niederlande. Deswegen wird die veränderte Sichtweise in der Bundesregierung und seitens des Drogenbeauftragten von vielen sich mit dem Thema beschäftigenden Menschen mehr als nur begrüßt. Es wird gehofft, dass mit der Umsetzung des „Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (CanG) endlich Verbesserungen auf allen Seiten wahrzunehmen sein werden.
Da sich der Bundestag mit dem Kabinettsentwurf am 18. Oktober beschäftigte und dies einmal mehr für mediale Aufmerksamkeit sorgte, hat auch die vom Deutschen Bundestag veröffentlichte Wochenzeitung „Das Parlament“ der Thematik etwas mehr Platz eingeräumt und sich unter anderem mit Burkhard Blienert über die triftigen Gründe der Legalisierung von Cannabis unterhalten.
In anderen Ländern klappt es auch
So wird der Drogenbeauftragte zum Beginn des Gespräches darauf angesprochen, warum eine Veränderung der Cannabispolitik hinsichtlich der Hoffnungen auf eine Verbesserung der Gesamtsituation schüre. Die passende Antwort Blienerts lautet, daraufhin, dass in anderen Ländern mit fortschrittlicheren Gesetzen damit gute Erfahrungen gemacht hätten. In Kanada griffen beispielsweise 70 Prozent der Cannabiskonsumenten auf den legalen Markt zurück, sodass der Schwarzmarkt selbstverständlich geschrumpft ist. Mit dem Eigenanbau würde man ebenfalls dafür Sorge tragen können, dass Konsumenten nicht länger auf illegal agierende Händler angewiesen wären.
Wichtig wäre es aber neben den legalen Zugängen für Nutzer auch auf „konsequenten Jugendschutz“ zu setzen, Werbung zu verhindert und entsprechende Präventionsarbeit zu leisten. Dass man den niederländischen Weg nicht mit einem geregelten Markt gleichsetzen könne, erklärt Burkhard Blienert fachgerecht. In den Niederlanden ist es bislang gängig gewesen, den Verkauf in Coffeeshops zu tolerieren, doch der Einkauf beim Großhändler und die Produktion des Pflanzenmaterials läuft derzeit noch über illegale Wege, was selbstverständlich nicht im Sinne des Erfinders sein kann.
Dort wolle man deshalb nun auch mit Pilotprojekten den Weg in Richtung vollständige Freigabe mit kontrolliert angebauten und sogenannten Staatswiet einschlagen. In Portugal habe man dagegen bereits sehr gute Erfahrungen mit der Entkriminalisierung der Konsumierenden machen können – die von Präventions- und Frühinterventionsmaßnahmen begleitet wird – was somit dann wohl auch für einen Umschwung in Deutschland spricht.
Verbot und Strafe sind falsche Mittel
Warum ein Gesetz wie das CanG überhaupt „jetzt“ benötigt werden würde, erklärt Burkhard Blienert folgendermaßen. Wolle man Präventionsarbeit leisten, wären Verbote und Strafen die falschen Mittel, weil man dann allein schon nicht frei und offen über die Thematik dank der somit stattfindenden Tabuisierung reden könne. Es sei daher auch kein Wunder, dass trotz der Verbote und der Kriminalisierung immer mehr konsumiert worden wäre, anstatt, wie damit eigentlich einst geplant, die Zahlen der Nutzer zu verringern. Es sei dazu auch wichtig, dass Menschen, die auf den Gebrauch von Cannabis nicht verzichten wollen oder können, den geringsten Risiken ausgesetzt würden, was eine kontrollierte Produktion erst überhaupt ermöglicht.
Eindeutig sei aber in jedem Falle die Botschaft, dass Kinder und Jugendliche – also Personen unter 18 Jahren – nicht an das künftig legal geltende Genuss/Rauschmittel gelangen sollen. Weil es aktuell aber selbst für 12-Jährige kein Problem darstellt, Cannabis auf dem Schwarzmarkt zu erwerben, müsste man beispielsweise über „Schulen oder Sportvereine durch Prävention und Frühintervention“ diesbezüglich eingreifen. Dass Drogen für unter 18-Jährige „extremst ungesund“ seien, müsse, ohne jegliche Frage offenzulassen, eindeutig vermittelt werden. Beratungen und Hilfen müssten aber in jedem Fall flächendeckend für Fälle von jugendlichem Missbrauch vorhanden sein.
Prävention und Jugendschutz – aber wie?
Die Frage nach der Finanzierung der benötigten Prävention verlange laut dem Drogenbeauftragten eine richtige Debatte darüber, wie man derartige Arbeit dauerhaft gewährleisten könne. Da es in Deutschland ein Drogenproblem gäbe, würden verlässliche Präventions- und Hilfestrukturen benötigt. Weitermachen, wie bisher, könne man in jedem Falle nicht mehr länger. Man müsse genau hinschauen und dürfe existierende Probleme nicht einfach ausblenden, sodass die Länder und Kommunen, aber auch der Bund in der Pflicht stünden, eine entsprechende Finanzierung zu ermöglichen.
Um die geplanten Konsumverbotszonen zu kontrollieren, wolle das Parlament ein praktikables Gesetz beschließen, das Sicherheits- und Kontrollbehörden die Möglichkeiten bietet, damit vor Ort angemessen handeln zu können. Insgesamt müsse man aber auch „die schlechten Erfahrungen mit Alkohol und Tabak im Blick haben“ und sollte eine Gesamtdebatte darüber führen, was im öffentlichen Raum überhaupt erwünscht sei. Der Ruf nach geschützten Bereichen müssten nicht nur bei Cannabis, sondern auch Alkohol und Tabak gewisse Fragen aufwerfen, doch eine Antwort habe die Gesellschaft hier bisher nicht gefunden.
Cannabis Social Clubs oder Görlitzer Park?
Dass Gefahren von Cannabis Social Clubs (CSC) ausgehen, bezweifelt Burkhard Blienert. Die Betreiber solcher Vereine müssten sich ihrer Verantwortung bewusst sein und werden sich dazu eher an die geltenden Regeln halten, als diese zu brechen zu versuchen. Es würde auch einige Anstrengungen mit sich bringen, einen CSC zu gründen, weshalb kriminelle Akteure dies wohl kaum versuchen werden. Unattraktiv dürfte es ebenfalls für Betreiber werden, da staatliche Kontrollen ein Baustein des gesamten Konzeptes ausmachten. Wichtig sei es aber, schnell die zweite Säule des Gesetzes voranzubringen, die einen Verkauf von Cannabis in Modellregionen und lizenzierten Geschäften vorsieht. Nur so würden auch Gelegenheitskiffer erreicht, die ansonsten wohl eher nicht extra in einen CSC einträten, sondern sich wie immer bei Dealern im Görlitzer Park bedienen ließen. „Erst mit der zweiten Säule steht das Haus und ist bezugsfertig“, so Blienert.
Doch wie Coffeeshops nach niederländischem Beispiel dürfe man nicht rechnen. Eher würden es Geschäfte werden, die von außen nicht erkennen lassen würden, was sie unter entsprechender Lizenz verkaufen würden. Man hätte derzeit noch viele Ideen und schließe auch den Gedanken nicht aus, Apotheken als Abgabestellen einzurichten. Auch nicht kommerzielle Gedanken würden um diese Fragen kreisen. Nur mit dem bekannten niederländischen Modell habe dies alles nichts zu tun. Die Eigenbedarfsgrenze von 25 Gramm würde ebenfalls dafür sorgen, dass selbst ein regelmäßig Konsumierender nicht länger zum Dealer müsse, erwähnt Burkhard Blienert. Es sei ein Kompromiss und eine klare Regel, was im Gegensatz zu den vielen unterschiedlichen Werten bezüglich des Eigenbedarfs in den verschiedenen Bundesländern einen Vorteil darstelle.
Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung vertraue darauf, dass die Abgeordneten ein „gutes Gesetz“ beschließen werden, dass die gesteckten Ziele der Legalisierung erreichen werde. Dazu zählten Jugendschutz, Gesundheitsschutz und die Zurückdrängung des Schwarzmarktes. Man werden in den kommenden Jahren aber auch wieder verstärkt die Präventionsarbeit bei Alkohol und Zigaretten bei Debatten in den Vordergrund rücken, nachdem in den vergangenen Jahren hier viele Maßnahmen blockiert worden waren. Die Quittung hierfür: Deutschland sei ein Hochkonsumland bei Alkohol und auch die Zahlen der Raucher stiegen wieder. Es sei daher nur gut, dass man nun „über verstärkte Leitplanken für mehr Gesundheitsschutz“ spräche.