Mit der Vorstellung der überarbeiteten Eckpunkte betreffend der Legalisierung von Cannabis am 12.04.2023 ist endlich ein bisschen Klarheit geschaffen worden. Erstens, dass das einst angepeilte Ziel eines geregelten Handels aktuell der deutschen Bundesregierung aufgrund von EU-Bestimmungen nicht umsetzbar scheint, weshalb zweitens nun nur in kleinen Schritten nach vorn gegangen werden kann. Nur der straffreie Besitz von bis zu 25 Gramm, der Anbau von bis zu drei Pflanzen sowie die Option, in selbstversorgenden Cannabis Social Clubs Mitglied werden zu dürfen, bilden die erste Phase der bitternotwendigen Veränderung in der gescheiterten Drogenpolitik.
Erst später möchte man wissenschaftlich begleitete Modellprojekte in verschiedenen Regionen durchführen, die den Verkauf von legalem Marihuana in speziellen Geschäften vorsehen. Die „Legalisierung light“ ist aus Sicht von Cannabisbefürworten dennoch immerhin eine erste leicht positiv zu wertenden Entwicklung, da zukünftig wenigstens die Konsumenten entkriminalisiert werden und sie sich dank des Eigenanbaus ein wenig vom Schwarzmarkt sowie den dort herrschenden Ungewissheiten entfernen können. Doch was für den einen Menschen einen marginalen Fortschritt darstellt, scheint in konservativen Köpfen anderer Personen einer Katastrophe gleichzukommen. So wundert es auch nicht, dass nach der Vorstellung der neuen Pläne sofort verschiedene Stimmen laut wurden, die sich vehement gegen die Umsetzung wehren wollen.
Bayern ist empört
Wie es zu erwarten war, schallt es selbstverständlich aus Bayern laut, gegen die nun vorstellten Eckpunkte der Cannabislegalisierung. Ministerpräsident Markus Söder nutzte direkt seinen beliebten Twitteraccount, um seine Meinung kundzutun. Es sei ein Irrweg, der hier eingeschlagen würde, so Söder auf dem Kurznachrichtendienst. Man würde hier keine Probleme lösen, sondern nur neue schaffen. „Hände weg von Drogen!“, fiel ihm dazu auch noch ein. Insgesamt würde die bayrische Landesregierung eine teilweise stattfindende Legalisierung von Cannabisprodukten scharf verurteilen und sich dafür einsetzen, die Freigabe in Bayern zu verhindern. Dies dürfte auch im Sinne des dortigen Gesundheitsministers Klaus Holetschek sein, der sich schon oft gegen den Umschwung in der Cannabispolitik stemmte und sich so mediales Gehör verschaffte.
Die Ampelkoalition versuche jetzt bloß krampfhaft mittels juristischer Winkelzüge Schlupflöcher für ihr „ideologisches Legalisierungsprojekt“ zu finden. Man würde dazu Gesundheitsgefahren verharmlosen, meint Holetschek. Er halte es einfach für einen „schlechten Witz“, wenn man das Argument nutze, dass die Legalisierung zu mehr Jugendschutz führen solle. Auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern teilt die Ebene mit seinen Kollegen von der CSU. Dealer könnten jetzt noch größere „Päckchen für die Jugend“ zurechtmachen, während die Polizei zu Hause bleiben könne, schrieb er sarkastisch auf Twitter.
Keine Zweifel aus Berlin
In der Hauptstadt Berlin macht man sich dagegen aufseiten der Grünen-Fraktion darüber Gedanken, inwieweit die nun ausgesprochenen Vorstellungen vor Ort Einzug halten könnten. Die Vertreter im Abgeordnetenhaus sind schließlich Befürworter der Cannabislegalisierung und wissen dazu über die Gegebenheiten in der hiesigen Schwarzmarktsituation. Deswegen fordern die Berliner Grünen, dass die Hauptstadt eine Vorreiterrolle bei dem Umbauprozess der Drogenpolitik einnehmen müsse. Es könne laut dem drogenpolitischen Sprecher der Fraktion im Hinblick auf den Regierungswechsel zu einer CDU geführten schwarz-roten Koalition nicht sein, dass Berlin vom „Vorreiter zum Schlusslicht einer progressiven Drogenpolitik“ würden, so Vasilis Franco auf Merkur.de. Wenn die neue Koalition zum „Todesstoß“ der Legalisierung ansetzen würde, sei die als fataler Rückschritt zu verstehen.
Daher brauche man ein Bekenntnis, dass Berlin das Vorhaben unterstütze und sich künftig, als Modellregion zur Verfügung stellen wolle. Auch die grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg sieht die Vorteile der anstehenden Veränderungen. Clara Herrmann sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass die Pläne endlich einen Schritt vorwärts bedeuten würden, der für eine zeitgemäße Drogenpolitik stünde. Sie würden sich auch positiv auf den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg auswirken, ist sie überzeugt. Da die von der Bundesregierung angesprochenen Vorteile der Legalisierung Bestand hätten – Jugend- und Verbraucherschutz usw. – setze sie sich dafür ein, „dass Friedrichshain-Kreuzberg eine Modellregion für den im zweiten Schritt geplanten freien Verkauf von Cannabis wird.“
Linke und DHV fordern mehr
Während es den einen also schon zu viel ist und anderen zumindest die Richtung gefällt, sind auch kritische Stimmen zu hören, denen die Planung nicht weit genug geht. So sagte Niklas Schrader, der drogenpolitische Experte der Links-Fraktion, gegenüber der DPA, dass die neuen Eckpunkte eine Enttäuschung in Bezug zu den einst geweckten Erwartungen darstellen würden. Eine lizenzierte Abgabe in entsprechenden Fachgeschäften würde vermisst, sodass davon auszugehen wäre, dass der benötigte Bedarf an Cannabis nicht allein durch die Social-Clubs oder den Eigenanbau gedeckt werden können.
Dies würde dazu führen, dass weiterhin ein florierender Handel auf dem Schwarzmarkt bestehen bliebe, was natürlich nicht im Sinne des Gesetzgebers steht. Sorgen macht sich Schrader auch über die künftige schwarz-rote Koalition, da sich die CDU stets gegen Modellprojekte zur Cannabis-Legalisierung aussprach. Es wäre fraglich, wie sich die Koalition hier einigen könne, wenn ein Partner in der Vergangenheit derartige Modellprojekte immer „verteufelt und das kritisiert“ hätte. Eine kleine Entwarnung ist jedoch den Aussagen der SPD-Abgeordneten und drogenpolitischen Expertin ihrer Fraktion Tamara Lüdke zu entnehmen, die sich hinter die möglichen Modellprojekte stellt. Berlin hätte eine Expertise auf dem Gebiet, von dem das Bundesprojekt nur profitieren könne, „um wirklich wirksame und zielgruppengerechte Strategien zu entwickeln.“
Beim Deutschen Hanfverband begrüßte man zwar auch die zeitnahe Entkriminalisierung des privaten Besitzes und Eigenanbaus in Deutschland, doch sähe man auch die Versäumnisse der Regierung. Kritisch betrachtet wird beim DHV schließlich die generelle Abkehr davon, noch in dieser Legislaturperiode eine vollständige Legalisierung samt den dazugehörigen Fachgeschäften einführen zu wollen, sowie die verpasste Chance, kein konkretes Legalisierungsgesetz in Brüssel vorgelegt und geprüft haben zu lassen. Ohne ein formelles Notifizierungsverfahren wäre es somit die Ampel-Regierung und nicht die EU gewesen, die den Plan, eine vollständige Legalisierung von Cannabis in Deutschland umzusetzen, beerdigt habe, sagte DHV-Sprecher Georg Wurth in einer diesbezüglichen Pressemitteilung.