Nach langer Ungewissheit ist es bald Realität, dass Cannabiskonsumenten in Deutschland endlich ihre Freiheit zurückerlangen und sich nicht weiter vor unnötiger Strafverfolgung fürchten müssen. Am 1. April wird das CanG dank der gesetzten Unterschrift der in Vertretung für den Bundespräsidenten arbeitenden Manuela Schwesig in Kraft treten und ein Paradigmenwechsel in der hiesigen Drogenpolitik wird vollzogen.
Weiterhin werden die Kritiker und Prohibitionisten nicht müde, vor dem nötigen und sinnvollen Schritt zu warnen und ihre Befürchtungen lauthals kund zu tun. So forderten Kräfte aus den konservativen Parteien den Bundespräsidenten sogar im Vorfeld noch auf, dem beschlossenen Gesetz die nötige Unterschrift zu verweigern. Etwas, was in der Geschichte der Bundesrepublik bislang tatsächlich nur in den seltensten Fällen geschah und hier schon als ein Rütteln an allen demokratischen Werten verstanden werden könnte.
Insbesondere im Freistaat Bayern wehrt man sich aktuell auch noch weiterhin, die Entscheidung der Politik zu akzeptieren und kündigte an, Verstöße gegen das derzeit noch geltende Recht bis zur letzten Sekunde zu ahnden. Ebenfalls in Baden-Württemberg will man die Teillegalisierung von Cannabis nicht als einen vernünftigen Schritt in die Zukunft sehen, sondern befürchtet Auswirkungen, die Ärger schüren könnten, aber deren Beschreibungen bei genauer Betrachtungsweise weder Hand noch Fuß besitzen. Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl geht nämlich davon aus, dass mit der Einrichtung von Cannabisanbauvereinigungen ein „Drogentourismus“ aus dem angrenzenden Frankreich in Gang gesetzt werde. Seiner Meinung nach dürfte es daher in den Grenzregionen unbedingt deutlich weniger solcher sogenannten Cannabis Social Clubs als anderswo geben.
Spielautomaten als fadenscheiniges Argument
Warum man im Innenministerium von einer Flut von Cannabistouristen aus Frankreich warnt, liegt in den Erfahrungen begründet, die mit dem öffentlich zugänglichen Glücksspiel in Automatenform gemacht wurden. Restriktivere gesetzliche Regelungen in Frankreich hätten dafür gesorgt, dass es eine „erhebliche Dichte“ von solchen Geräten in der Grenzstadt Kehl gäbe. Laut Süddeutscher Zeitung habe das Ministerium Strobels große Sorgen davor, dass mit der unterschiedlichen Handhabung eines Sachverhalts in angrenzenden Ländern, stets unmittelbare Auswirkungen auf die Kommunen in Grenznähe zu erwarten wären. Die Auswirkungen in den Kommunen in Grenznähe seien unmittelbar spürbar, wenn im Schengenraum innerhalb einer Staatsgrenze gleiche Sachverhalte unterschiedlich geregelt wären.
So würden auch die Glücksspielautomaten in Kehl von vielen französischen Grenzgängern genutzt. Deswegen rechnet man damit, dass auch die Teillegalisierung einen vergleichbaren Effekt auf die entsprechenden Regionen in Baden-Württemberg haben werde. Dies sei naheliegend, wird das Ministerium zitiert. Thomas Strobl fordert daher die Polizei auf, künftig mehr Einsatz zu zeigen, damit „die negativen Folgen der Entscheidung der Ampel“ vor Ort angemessen abgemildert werden können. Eine Ausdehnung des Schwarzmarkts werde man nicht „tatenlos tolerieren“, so der CDU-Politiker gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Um den Ein- und Ausfuhrschmuggel von Cannabis fachgerecht unterbinden zu können, müsse die Bundespolizei an der Grenze zu Frankreich in Zukunft stärker kontrollieren, so sein Ministerium. Cannabisanbauvereinigungen dürfe es in diesen Grenzregionen daher zudem nur in wesentlich begrenzter Anzahl geben.
Der Oberbürgermeister von Kehl weiß es besser
In der direkt an der deutsch-französischen Grenze liegen Stadt Kehl, die von dem Innenminister als Beispiel genannt wurde, sieht man die Entwicklung hingegen wesentlich entspannter. Der Oberbürgermeister Wolfram Britz, ein parteiloser Kommunalpolitiker, sieht die kommende Teillegalisierung nach eigenen Worten „gelassen“. Die Hauptsorgen seien vom Tisch, da es ja schließlich keine lizenzierten Geschäfte geben werde und der Verkauf wie die Weitergabe von Cannabis weiterhin verboten blieben. Er erwarte daher keinen Cannabistourismus aus Frankreich, denn wer sich hierzulande mit dem natürlichen Rauschmittel eindecken wolle, würde immer noch – wie schon in den letzten Dekaden – über den Schwarzmarkt darauf zurückgreifen müssen.
Vor einem Jahr hatte er selbst zwar noch mit einer hohen Anzahl von Cannabis-Vereinen in der deutsch-französischen Grenzregion gerechnet, doch sei bis heute keine einzige Genehmigungsanfrage für einen solchen Anbauverein in Kehl eingegangen. Auch wenn es in Zukunft einige davon in der Stadt geben sollte, wäre dies kein Grund sich vor einem Ansturm von Cannabis suchenden Franzosen fürchten zu müssen. Denn nach aktuellem Stand der Dinge sollten nur Menschen in den Klubs eine Mitgliedschaft erhalten, die auch einen Wohnsitz in Deutschland nachweisen können, so der Oberbürgermeister Britz.
Eine Geschichte von Äpfeln und Birnen
Der von Innenminister Thomas Strobl genutzte Vergleich mit dem Sturm auf die Glücksspielautomaten hinkt daher sehr. Auch wenn man davon berichten kann, dass viele Franzosen über die Grenze kommen, um sich an den Automaten zu beschäftigen oder hier günstiger Zigaretten erwerben zu wollen, sieht die Situation bezüglich Cannabis deutlich anders aus. Es macht doch einen gewaltigen Unterschied aus, ob der Zugang zu den Geräten oder Tabakwaren mit einem einfachen Gang durch eine Türe ermöglicht wird oder ob Mitgliedschaften mit Ausweiskontrollen vonnöten sind, um an das gewünschte Produkt zu gelangen.
Dazu dürften andere Reiseziele von Cannabistouristen bevorzugt werden, da beispielsweise im ebenfalls an Frankreich angrenzenden Spanien der Eintritt in Cannabis Social Clubs bereits seit vielen Jahren auch für Besucher aus anderen Ländern recht unkompliziert vonstattengeht. In diesen Clubs darf dann ja sogar eine genüssliche Zeit verbracht werden, während man die erstandenen Cannabisprodukte vor Ort konsumieren kann. Eine Reise aus Frankreich über Belgien nach Holland ist ebenso nicht mit sehr viel Aufwand verbunden, das mit großer Sicherheit einen wesentlich besseren Ruf bei Cannabistouristen hat als das sich nun erst diesbezüglich entwickelnde Deutschland.
Ein großer Vorteil der stattfindenden Teillegalisierung hierzulande ist somit neben der Entkriminalisierung von circa 4,5 Millionen Bundesbürgern auch, dass die vielen genutzten Argumente der Prohibitionisten schon in kurzer Zeit ihre Gehaltlosigkeit beweisen werden. Wer in den kommenden Jahren weiterhin noch mit alten Parolen oder dem Schüren von Ängsten gegen die Freigabe von Cannabis zu wettern versucht, könnte damit insgesamt schnell seine Glaubwürdigkeit verlieren. Punkt.