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Die Entwicklung und Beliebtheit der Baumwollfaser hat nach dem 2. Weltkrieg begonnen, da diese fein, weich und robust zugleich war. Die Qualitäten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten erheblich gesteigert und sind heute auf einem sehr hohen Niveau. Die Nachteile dieses Siegeszuges sind hinreichend beschrieben und bekannt: Verbrauch von Wasser vom Anbau bis zur fertigen Textilie – z. B. bei einer Jeans ca. 12–15.000 Liter Wasser. Bei einer Jeans aus Bio-Baumwolle sogar das Doppelte: da man kein Herbizid / Pestizid einsetzen darf, ist die Ausbeute nur ca. 50 % bei gleichem Wasserverbrauch, daher 24–30.000 Liter Wasser!
Der Hanf war nicht als elementare Faser eingesetzt, sondern – wie beim Leinen noch heute verbreitet – als Faserbündel ca. 40 – 150 cm lang. Diese Faserbündel bestehen aus Hanffasern, die noch, so wie sie am Stängel wachsen, durch Lignine und Pektine zusammengeklebt sind. Dagegen erntet man die Baumwolle als elementare, weiche Faser, die nur von den Schalen und deren Teilchen gereinigt werden muss. Diese Jeans (Denim-Stoffe) sind unvergleichlich weicher und hautfreundlicher. So wurden die Hanffaserbündel in den 50er-Jahren durch Baumwolle ersetzt.
So gilt es, nicht die groben Hanffaserbündel nass zu verspinnen, sondern die Hanffasern als elementare Fasern zu gewinnen, um der Baumwolle überhaupt nahezukommen oder konkurrenzfähig zu werden. Ferner müssten diese elementaren Hanffasern sehr viel feiner sein als bisher bekannt für den Einsatz von Tauen, Stricken oder für andere technische Einsätze. So mussten die in der EU zugelassenen Faserhanfsorten dahin gehend untersucht werden, aus welchen Samen besonders feine Hanffasern generiert werden können.
Natürlich sind die wesentlichen Bausteine – Anbau, Röste, Erntemethode, mechanische Faseraufarbeitung/Entholzung und Vorbereitung zum Verspinnen – so zu optimieren, dass die Kosten der elementaren, weichen Hanffaser konkurrenzfähig ist. Nicht zu vergessen ist, dass beim Nutzhanf der Faseranteil zwar der höchste von allen nachwachsenden Rohstoffen ist, aber in der gesamten Hanfpflanze „nur“ 30 % beträgt und die kleinen Holzteilchen (Hanfschäben) mit ca. 60 % den mengenmäßig größten Anteil darstellen. Die weiteren Nebenprodukte sind die Kurzfasern und Stäube, die alle verwertet werden und damit das neudeutsche „Cradle to Cradle-Prinzip“ realisiert wird.
Die Bausteine zum Erfolg: der Anbau des feinen Faserhanfes
In NRW hatten zwei Landwirte die Idee, Hanf als Zwischenfrucht anstatt als Hauptfrucht anzubauen. Was bedeutet das: nur ca. 25 kg/ha bestimmter Hanfsamen werden nach der Haupternte/-frucht, die im Juni bzw. Anfang Juli geborgen wird, gesät. Das ist bei Wintergerste oder -weizen möglich. Der Hanf wird in der zweiten Hälfte Juli gedrillt und wächst so lange, bis die Vegetationsphase im Winter endet. Dann ist dieser Hanf meistens nicht mehr zum Blühen gekommen und wird mit einer Wuchshöhe von nur 150 bis 200 cm über Winter auf dem Feld belassen. Die Röste erfolgt im Stand und ist sehr schonend bei kurzem Tageslicht (Standröste). Regen, Schnee oder Frost schaden nicht, sondern sind für die gleichmäßige Röstung rund um den Stängel sogar von Vorteil. Die Blätter fallen auf den Acker und erhöhen den organischen Anteil im Boden. Viele Tiere werden angezogen, denn die Ackerflächen sind über Winter bewachsen und bieten Schutz und Nährstoffe. Diese so relativ dünn gewachsenen Hanfstängel bilden die Grundlage für eine hervorragende Faserqualität.
Dieser sogenannte Winterhanf ist daher viel feiner und geschmeidiger als der übliche Nutzhanf, der in der Regel im Frühjahr gesät und im Oktober geerntet wird. Versuche in dieser Vegetationsphase, mehr Saatgut auszubringen oder früher zu mähen, um die Stängel dünner zu ernten, waren nicht erfolgreich. Man kann spekulieren, woran das liegt, doch die Natur hat eigene Gesetze und offensichtlich fehlt etwas, da diese Hanffasern instabil sind und die guten Ausbeuten an feinen Hanffasern nicht erzielt werden können.
Ernte und Lagerung
Das Mähen erfolgt nach einigen trockenen Tagen in der zweiten Hälfte Februar bzw. bis Mitte März. Gemäht wird ab ca. 12:00 Uhr, denn mit dem Morgentau würde zu viel Feuchtigkeit im Hanfstroh verbleiben. Das Mähwerk muss mit frischen und scharfen Messern bestückt sein. Gemäht wird in ca. 10 -20 cm Höhe über dem Boden, sodass die holzigen Fasern und die Wurzeln auf oder im Acker verbleiben. Nach dem Probieren verschiedener Mähwerke stellte sich als am besten geeignet ein Trommel-Mähwerk heraus. Alle anderen wickelten oder waren nach einigen Metern festgefressen. Der im Schwad abgelegte Hanf wird direkt – am gleichen Tag – gepresst und die Ballen (Quader- oder Rundballen) trocken eingelagert. Einige Holzteilchen fallen auf den Boden und der im Acker verbleibende organische Anteil des Tiefwurzlers Hanf trägt so zur Bodenverbesserung bei.
Die Lagerung der Ballen erfolgt erfahrungsgemäß am besten, wenn auf Lücke gestapelt wird. Unterschiedlich kann der Hanflandwirt selbst stapeln oder die Ballen in ein Sammellager verbringen. Vorteilhaft ist es, wenn in einem Sammellager direkt die Gewichte und die Messungen der Ballenfeuchte dokumentiert werden. Beim Lagern fängt die Qualitätskontrolle für den Verarbeiter an.
Die weiteren Erfolgsbausteine: Die Entholzung und Aufarbeitung
Die Hanfstrohballen werden mit vollständig beladenen Lkws zum Entholzen transportiert. Die Ballen werden geöffnet, das Hanfstroh mit einer speziell entwickelten Technologie schonend mechanisch entholzt, die rohen Fasern vom Staub und Schäben getrennt, die Hanffasern weitestgehend geöffnet und gekrempelt. Diese rohen Hanfflocken sind völlig von Schäben und kurzen Fasern befreit und können nun gewaschen und degummiert – nass aufgeschlossen – werden.
Diese weitestgehend feinen elementaren Hanffasern kann man so wie sie anfallen verspinnen. Doch dabei staubt es, da die bei der Degummierung freigesetzten kurzen Hanffasern ausfallen. So kürzt man die Hanffasern auf die Stapellänge von Baumwolle ein (cottonisieren). Diese Fasern lassen sich heute mit fast allen anderen Fasern abmischen und verspinnen. Das 100%ige Hanfgarn hoffen wir schon in Kürze auch anbieten zu können.
Heute basieren etwa 90 % aller Spinnereien auf der Stapellänge von Baumwolle (Baumwollspinnverfahren). So sind wir zurzeit noch darauf angewiesen, die Einkürzung der Hanffasern zu betreiben. Die gewebten, gestrickten oder gewirkten Stoffe, Textilien können heute schon mit bis zu 60 % Hanfanteilen aus diesen Hanffasern „Made in Germany“ erworben werden.
Das EIP-Projekt „Von der ökologischen Winterzwischenfrucht zur feinen Faser“ unter Leitung der LWK NRW hat einen wesentlichen Beitrag zur Unterstützung beim Anbau und Aufarbeitungsverfahren geleistet. Das Ziel der NFC GmbH Nettle Fibre Company (NFC) war stets, feine, elementare Bastfasern aus nachwachsenden Rohstoffen für die Textilindustrie herstellen zu können. So wurden in vielen Entholzungsanlagen (u. a. auch bei der BAFA) die Verfahren getestet. Die besten Ergebnisse wurden in der ursprünglich vom ATB (Agrartechnischen Institut Potsdam-Bornim) konstruierten Anlage erzielt. Diese für technische Fasern ausgelegte mechanische Entholzungsanlage wurde so umgebaut und optimiert, dass heute alle Bastfaserpflanzen – außer Bambus – in dieser modernen Anlage kostengünstig zu feinen Naturfasern mit hohen Ausbeuten isoliert werden können.
Die geöffneten Fasern enthalten jedoch noch gewisse Anteile von Ligninen und Pektinen. Diese werden nach dem Waschen auf natürliche Weise bei einem Partnerunternehmen nass degummiert und können anschließend mit Peroxid (H2O2) gebleicht werden. Diese weichen, elementaren Fasern können teilweise so versponnen oder für Baumwollspinnereien mechanisch eingekürzt werden.
Welche Hanffasern sind am besten geeignet für Textilien?
Von allen zugelassenen Hanfsamensorten haben sich für den Winterhanfanbau in Deutschland nur zwei Sorten in den geförderten Projekten, sowie bei den kontaktierten Landwirten, als geeignet herausgestellt: die französischen Samen Fedora 17 und Santhica 27. Allerdings wurden bereits auch Hanffasern aus dem Ausland – keine französischen Samen – erfolgreich bei der NFC im Lohn aufgearbeitet. Wesentlich für die Feinheit ist die Wuchshöhe, die schonende Röste und die Kombination der mechanischen und nassen Aufarbeitung. Es sind schon feine Hanfmischgarne in Nm 50/1 aus dem Winterhanf hergestellt worden.
Die Pionierarbeiten für den Faserhanf seit 1996 waren hilfreich und haben uns animiert, die Technologien weiterzuentwickeln. Insbesondere danken wir dem Landwirt Herrn Joachim Klack und Herrn Dr. Michael Dickeduisberg (LWK NRW). Gefördert wurden wir durch die Programme der FNR (Fachagentur nachwachsende Rohstoffe) und das EIP-Agri-Projekt (Europäisches Innovations-Projekt) „Winterhanf“ von der EU und dem Land NRW.
Winterhanf wurde dieses Jahr schon in fünf Bundesländern in Deutschland angebaut. Für 2020 plant die NFC, den Winterhanfanbau auf über 1.000 ha in der EU zu erweitern.