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Mein Name ist Nikolaus Eisserer und ich bin Seiler in Amstetten, in Niederösterreich. In unserer Seilerei, in der ich aufgewachsen bin, gab es schon immer Hanfseile. Auch in den 60er und 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts war das so und ist noch immer so. Das ist nie infrage gestellt worden, weil Hanfseile ganz normal sind. Denk an ein Seil– es ist aus Hanf. Wahrscheinlich wurden Seile deshalb immer aus Hanf erzeugt, weil diese Faser hervorragend geeignet ist. Außerdem kommt sie in großen Mengen vor.
Ganz in unserer Nähe war bis vor gar nicht langer Zeit die Firma HITIAG, in Golling bei Pöchlarn an der Donau. Ein riesiges Werk. Dort wurden aus Hanf, kommend aus großen Teilen der Donaumonarchie, des Habsburgischen Reiches, Garne erzeugt, welche wir zu Seilen verarbeiteten. Im Namen Hitiag, steht das H am Anfang für Hanf, das erste I steht, für Jute und dann Textil Industrie AG. Die hatten viele große Maschinen und Schiffe konnten den Rohstoff anliefern.
Trotz der hervorragenden Ausstattung mit geeigneten Maschinen, so erzählten Sie, stand und fiel alles mit den Damen und Herren, die den ankommenden Rohstoff, die großen Hanfballen, mit Gefühl und Erfahrung den richtigen Bestimmungen zuführten. Jeder Standort und jede Witterung beeinflussen die Hanfpflanze ganz natürlich und liefern deshalb unterschiedliche Ergebnisse.
Diese erfahrenen Spezialisten sahen, rochen, fühlten und spürten, welche Lieferung, für welche Verarbeitung am besten geeignet war, welche Artikel daraus erzeugt werden konnten. Auf diese Weise bekamen Sie beste Ergebnisse. Die Qualität von Hitiag Garnen, Schnüren und Spagaten ist heute noch legendär. Das geht alles, man muss es nur tun.
In letzter Zeit, sagen wir in den letzten 30 Jahren, wurde der Hanf immer mehr mit Flachs vermischt, weil Hanf schwer zu bekommen war. Der Qualität tut das keinen Abbruch, weil Flachs ergibt ebenso eine hervorragende, einheimische, nachwachsende Faser von höchster Qualität, was Tests beweisen. Tatsächlich ist die Qualität der Flachsfaser und der Hanffaser vergleichbar, wie wir alle wissen.
Aktuell wird viel Hanf angebaut. Allein der Bauer, mit dem ich zusammenarbeite, hatte 2018, über Vereinbarungen, die er mit anderen Bauern schloss, Zugriff auf 500 ha Hanf, deren Samen er benötigte. 1 ha sind ca. 2,5 Tonnen Stroh, von denen ich erst 6 oder 7 kg in Garn verarbeitet habe.
Auf dem Stroh sind die Fasern
Nun gibt es natürlich Überlegungen, wie wir möglichst alle Teile unserer Pflanze nutzen können. An diesen Punkt fehlt die Hitiag, die aus diesem Reststoff wertvolle Garne produzieren konnte, die reißenden Absatz fanden. Damals wurden noch faire Preise gerne gezahlt, sodass man sicher sein konnte, dass es seinem Produzenten gut geht und er gerne weitermacht. Solch schönes Garn möchten wir heute wieder. Das kann man weben, stricken, häkeln, zu Jersey wirken und zusammen seilen.
Stefan, mein Bauer, ist so sparsam, dass er auf alle Spritzmittel verzichtet. Da wäre ihm leid ums Geld, sagte er. Wenn man bedenkt, dass man Hanf mechanisch weichmacht, bekommt man „am Ende des Tages“, eine komplett unbelastete Faser. Wir gewinnen Sie einstweilen noch händisch, es ist zauberhaft.
Ein Textilprofessor sagte mir mal, unsere Produktion hätte was von einem Kaffeekränzchen, und damit hat er die Sache eigentlich ganz gut getroffen. Ja, es ist schon gemütlich und beschaulich, diese Faser zu gewinnen und zu verwandeln. Wir nutzen abgeerntete Hanfstängel aus offiziell kontrolliertem Anbau.
Zuerst schälen wir die Stängel. Die so gewonnenen Faserbänder quetschen wir mit einer schweren Walze weich. Mit der Schwinge lockern wir die Faserbänder, die dann mit der Hechel gekämmt und zu Haar werden. Die Karde erzeugt daraus Vlies, das wir zum Spinnen auf dem Spinnrad brauchen. Das verzwirnte Garn kann dann einer weiteren Verarbeitung zugeführt werden. Unsere gesamte Erzeugungsstraße benötigt keinen Strom, weil wir alles per Hand und Fuß bedienen. Unsere Utopie ist Textilverarbeitung aus hier wachsenden Fasern. Wir können es schon. Aber damit ist jetzt Schluss!
Wir wollen eine Spinnmaschine, die gleichmäßigeres Garn erzeugen kann, als wir es mit der Hand fertigbringen. Stell Dir gewebten Hanfstoff vor. Die Webereien wollen ein gleichmäßiges Garn und brauchen große Längen, idealerweise ganz fein. Mit einer passenden Spinnmaschine würde man das mit der Zeit hinbekommen. Seilgarn, das nebenan wächst, ganz feine Garne für Bekleidung vor dem Haus. Wäre doch nett, was aus dem eigenen Garten zu tragen, man sieht es heranwachsen, verwandelt es in Garn und Stoff, dann brauchst nur eine gute Schneiderin. Ich selbst möchte aber bei der Seilerei bleiben.
Ein gedrehtes Hanfseil trägt und zeigt die Energie, aus der es zusammengefügt ist. Die einzelnen Litzen werden in eine Richtung gedreht, ganz gleichmäßig, das kann die Maschine. Dadurch entsteht aus der Kraft der Drehung, Spannung in den einzelnen Litzen. Diese Spannung würde sich am liebsten in Harmonie auflösen. Und das ist genau das, was sie beim Verseilen tut.
Wir entlassen die Spannung beim Verseilen, indem wir die Lehre, (ein Holzklotz mit Nuten, runde Vertiefungen, 3 oder 4, d. h. 3-litzig oder 4-litzig) bewegen. Durch die fortwährende Drehung schiebt sich die Lehre Richtung Seilmaschine und hinter der Lehre entsteht das Seil durch Entspannung. Die einzelnen Litzen öffnen sich, solange, bis die neu entstandene Drehung des Seiles dagegen anhält. So bleibt das neu gedrehte Seil in völliger Harmonie zurück. Durch die eingespeicherte Energie hält es für immer (bis das Material zerfällt) zusammen. Gleichzeitig entsteht ein Körper mehr oder weniger nur aus Energie und das sieht man, fühlt man, spürt man.
Wenn man dann bedenkt, wie der Hanf wächst, er ist einjährig, somit haben wir jedes Jahr zur Erntezeit wieder neue, fertige Stängel mit vielen Fasern drumherum. An ihnen kann man auch ein wenig den vorigen Sommer ablesen. Und unsere Stängel sind nur ein Teil der Pflanze. Bei unseren Bauern wird das Hauptaugenmerk auf die Samen gelegt. Manche wollen wieder nur die Blüten … Auch die holzigen, bereits geschälten Stecken finden ihre Nutzung.
Es gibt also, wie wir alle wissen, sehr viele Anwendungsbereiche und die ganze Pflanze kann tatsächlich verwendet werden. Wird sie auch, denn auch Einackern ist positiv zu bewerten. Das tut dem Boden und der Erde gut. Einstweilen, wir haben ja noch keine Spinnerei, die Garne erzeugen könnte, beziehe ich meine Materialien vom Weltmarkt, was es halt gibt, aus Hamburg oder anderswo, es ist sehr schönes, geschmeidiges Garn. Ich lasse mir auch schon fertige Seile kommen, die sind dann auch geprüft, was für meine Kundschaft sehr wichtig ist. Jeder will und muss wissen, wie viel das Seil aushält, mit dem er hantiert.
Meine Kollegen mit großen Anlagen können wirklich schöne Seile erzeugen. Die werden auch gerne von uns verarbeitet und bringen schöne Ergebnisse. Natürlich fällt einem beim Thema Seil als Erstes ein Transportseil, z. B. zum Aufziehen von Lasten, oder ein Segelschiff ein, wo Seile unverzichtbar sind. Zum Beispiel als Festmacherseil im Hafen oder zum Bewegen der Segel. Es gibt eine Vielzahl an Seilen, die dort verwendet werden. Es gibt aber noch viele andere Bereiche. Jetzt vor Ostern ist das Thema „Urlaub im Garten“ ganz aktuell. Da denken wir an Schaukeln, Strickleitern, Turnringe, Kletterseile und Hängematten, alles für Schaukelgestelle oder Baumhäuser.
Ein Thema ist auch Absturzsicherung, ob bei Treppen oder Hochbetten, auch Raumteiler oder Regale sind gefragt. Mit unserer Erfahrung sind wir in der Lage auch ausgefallene Wünsche zu befriedigen. Schon oft haben wir mit unseren Kunden gemeinsam neue Lösungen gefunden. Seile lassen sich beliebig verbinden, sind geschmeidig, äußerst widerstandsfähig und extrem belastbar. Es gibt eine große Zahl an Techniken, wie man ein Seil bearbeiten (konfektionieren) kann. Für manche Anwendungen sind Verarbeitungstechniken vorgegeben (Augspleiß). Man kann die Techniken aber auch variieren und den Verwendungszweck anpassen. Aus Lust an der Gestaltung, mit den Ideen unserer Auftraggeber und unseren Handfertigkeiten, finden wir immer wieder neue Lösungen und setzen diese professionell in die Tat um.
Unsere Utopie ist aber, Hanfseile, die hier bei uns gewachsen sind, zu erzeugen und anzubieten. Hanf, Flachs und Brennesel sind unsere einheimischen Faserpflanzen. Hanf ist in großen Mengen schon da. Altmodisch würde man sagen, es gehört sich einfach, ihn zu nutzen, – so in Richtung moralische Pflicht und so. Es ist eine vorhandene Ressource, die genutzt werden sollte!
Wie manche schon sehen, ist unsere Situation in Sachen Textilien nicht gerade rosig. Fast niemand weiß, woher das Kleidungsstück stammt, das man/frau gerade trägt. Man hört von gnadenloser Ausbeutung. Ich glaube nicht, dass Bekleidungserzeugung ein Geschäft wird, das schnell große Gewinne abwirft, aber wir sollten es trotzdem ins Auge fassen. Ich glaube, es wäre eine lohnende Tätigkeit.
Wir wollen Seile, die sich als starke Verbindungsmittel in unseren natürlichen Kreislauf einfügen und Bekleidung, die nebenan natürlich wächst. Wo wir die Art der Faser, die wir tragen, kennen, weil sie eine Verwandte von uns ist. Die komplette, händische Fertigungsstraße für Garn aus Hanfstroh, vom Schälen bis zum Spinnrad steht betriebsbereit zur Verfügung. Wir sind schon am Werken, wie einmal erwähnt – Es hat etwas von einem Kaffeekränzchen …