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Menschen sind auf beängstigende Weise süchtig nach Plastik – und das wird zudem stetig schlimmer. In den USA werden nur 14 % des Plastiks gesammelt und nur 5 % aktuell wieder verarbeitet, daher fallen 95 % des Plastikabfalls in das Einwegsystem und enden dementsprechend auf der Deponie – oder noch schlimmer – im Ozean. Wie die Ellen MacArthur Foundation festhielt, wird bis zum Jahr 2050 mehr Plastik in den Weltmeeren schwimmen als Fische, sollte sich nicht bald etwas ändern.
Das ist natürlich eine katastrophale Situation, die dringend nach leistbaren und skalierbaren Lösungen verlangt. Versuche, die Verwendung von Plastik zu reduzieren und Recyclingprogramme zu verstärken, werden der Situation nur bis zu einem gewissen Grad Herr werden. Was wir dringend benötigen, ist ein Redesign des Systems und eine grundsätzliche Verlagerung hinsichtlich der verwendeten Rohmaterialien in der gesamten Plastikproduktion.
Wie sich herausstellte, hat Hanf glücklicherweise das Zeug dazu, diesem Ruf nach Veränderung nachzukommen. Hanföl, Lignin, Hanffasern und Schäben sind nicht nur unglaublich versatil, sondern können zudem außergewöhnlich günstig wie profitabel produziert werden. Diese eindrucksvollen Rohmaterialien aus Hanf können genutzt werden, um Tausende verschiedene Produkte zu erzeugen, etwa Biokunststoff, Biopolymer oder Biokomposit. Nachdem Hanf in den USA seit mehr als 78 Jahren nicht mehr kommerziell angebaut wurde, lassen aktuelle Trends hin zur Legalisierung des Anbaus von Nutzhanf neue wirtschaftliche Möglichkeiten für diese vielseitige Pflanze entstehen. Damit Hanf aber schließlich so positiv auf die Umweltbelastung einwirken kann, wie es ihm zuzutrauen ist, braucht es jedoch immer noch die volle Legalisierung auf Bundesebene, ebenso wie staatliche Subventionen und Investitionen, um das neue Wachstum auch anzukurbeln.
Hanffaserkunststoffe werden künftig schon Bruchteile von Kunststoffen auf Erdölbasis ersetzen, obwohl es Anzeichen gibt, die für einen kompletten Umstieg der großen Unternehmen sprechen, da Hanffaserkunststoffe nicht nur stärker, sondern auch um einiges leichter und darüber hinaus schadstofffrei sind. Autohersteller wie BMW und Mercedes-Benz nutzen hanfbasierte Biokunststoffe derzeit für die Isolierung von Türverkleidungen und des Innenraums. Im neuen BMW i3 wurde Hanf zur Leistungssteigerung eingesetzt, einerseits um Gewicht zu sparen und andererseits, um ästhetischen Designansprüchen gerecht zu werden. Designer Benoit Jacob ist überzeugt, die Verwendung von natürlichen Materialien wie Hanf verpasse dem Inneren des i3 ein Ambiente wie in „einem kleinen Loft auf Rädern“. Dankenswerterweise gehören diese beiden Autohersteller nicht zu den einzigen Unternehmen, die auf hanfbasierte Biomaterialien setzen. Neben ihnen gibt es eine Vielzahl von aufregenden Start-ups, welche die Gelegenheit ergreifen, einerseits Umweltschutz zu betreiben und zeitgleich Profite damit zu schlagen.
Dieser Artikel wird einen Einblick in die gegenwärtige Unternehmenslandschaft bezüglich Hanffaser-Biokunststoffen und Biomaterialien in Nordamerika liefern.
Ein junges Unternehmen namens c2renew mit Sitz in Fargo, North Dakota entwickelt leistungsorientierte Biokomposit-Materialien, die eine grüne Alternative bei stabilen Preisen bieten. Aufgrund ihrer großen Kompetenz in Sachen Biomaterialien füllen sie eine Nische im Bereich der industriellen Verbundwerkstoffe, was einzigartig ist, wenn man bedenkt, welchen Platz das Unternehmen in der Lieferkette einnimmt. Nachdem sie begonnen hatten, für große Firmen wie John Deere, Bobcat, Appareo und Toshiba Biokomposit-Kunststoffteile nach Maß zu produzieren, mussten sie anfänglich feststellen, dass diese großen Unternehmen im Grunde nur auf ihre Kostenwettbewerbsfähigkeit Wert legten; doch jetzt, wo auch sie sich dem Wandel anvertrauen und dem Thema Nachhaltigkeit mehr Aufmerksamkeit schenken, gewinnt der ökologische Mehrwert ebenso an Bedeutung für sie.
Die Wertschätzung von Nachhaltigkeit ist etwas, das innovative und verantwortungsbewusste kleinere Unternehmen und Start-ups nicht nur leben, sondern das ihnen darüber hinaus auch zum Durchbruch verhilft. Earthkind zum Beispiel, eine aufstrebende Marke, die alle möglichen Arten von natürlichen Lufterfrischern und Insektenabwehrmitteln verkaufen, wandte sich Hilfe suchend an c2renew, um ein leistungsstarkes und attraktives Produkt aus Biokompositkunststoff zu produzieren. Ein weiteres Beispiel für ein Start-up, das mit c2renew arbeitet, ist eine Firma namens 3DFUEL, die Filamente für 3D-Drucker herstellt. Zusammen kreierten sie drei verschiedene Filamenttypen aus Biokunststoff: „Entwinded“ aus Hanf, „Wound up“ aus Kaffeeabfällen und „Buzzed“ aus Brauereiabfällen.
Ein Unternehmen mit Sitz in Texas und Namen Greenspring Technologies verwendet eben dieses „Entwined“ Filament aus Hanf-Biokunststoff, um Firmenstifte und andere Spielereien, wie Gitarrenplättchen, herzustellen. Eigentümer Mark Linday sagt, dass sie bereits zum Formenbau der Hanf-Kunststoff-Stifte übergegangen seien und weiters, dass einer ihrer Stifte erst kürzlich zur Unterzeichnung des neuen Hanfgesetzes in Pennsylvania verwendet wurde.
Der Mitbegründer und CTO von c2renew, Dr. Chad Ulven, ist außerordentlicher Professor an der North Dakota State University und arbeitet als Forscher im Center for Sustainable Materials Science – einem Forschungsansatz an der NDSU, der bereits seit fünf Jahren von der National Science Foundation gefördert wird. Das strategische Hauptziel ist, einen transformativen Ansatz zur Entwicklung von nachhaltigen Materialien zu entwickeln und einzuführen, der sich von landwirtschaftlichen Materialien ableitet, um petrochemische Polymerwerkstoffe im Alltagsgebrauch zu ersetzen. Dabei handelt es sich um eine große Gruppe von Wissenschaftlerin, die aus der Landtechnik, der Chemie, dem Maschinenbau und aus anderen Gebieten kommen.
Die Materialforschung und die Normierung der Produktion sind wichtige erste Schritte in der Revolution zur Biokunststoffherstellung. Es ist klar, dass es die jüngere Generation von Unternehmern sein wird, die diese Produkte auf den Markt bringen werden, wie die frischgebackenen Absolventen der Leeds School of Business an der Universität von Colorado und Gründer von Sana Packaging, James Eichner und Ron Basak-Smith. Vor weniger als einem Jahr haben die Jungunternehmer ihre Firma für Verpackungen aus Hanfkunststoff als ein Hochschulprojekt während ihrer Studienzeit gestartet. Doch schon bald wurden sie in das Canopy Boulder Accelerator Program aufgenommen. Seit die beiden im Mai 2017 erfolgreich gleichzeitig die Uni und das Accelerator Program abgeschlossen hatten, sind sie Vollzeit damit beschäftigt, ihr Unternehmen voranzutreiben. Sana Packaging setzt den Fokus auf die Produktion attraktiver, umweltverträglicher und sicherer Verpackungslösungen für den medizinischen Cannabismarkt und für den Freizeitverbrauch von Cannabis. In dieser Marktnische gehören die beiden mit Abstand zu den Marktführern. Sie sind überzeugt, dass ihnen diese Position dazu verhelfen wird, zukünftig auch in andere Märkte zu reinvestieren und zu expandieren.
Sunstrand, eine weitere technisch fortgeschrittene Firma für Biomaterialien, leistet beeindruckende Arbeit in Louisville, Kentucky. Sunstrand ist der Premiumanbieter von Biomaterialien für technische Anwendungen in den USA. CEO Trey Riddle und sein Team beanspruchen für sich, den Industrieprozess für die Entfernung der Rinde perfektioniert zu haben, beziehungsweise die beste Dekortikationsausrüstung zur Trennung von Hanfschäben und Fasern zu stellen. Sie führen darüber hinaus noch weitere Prozesse durch, um den materialbedingten Herstellerspezifikationen gerecht zu werden. Sunstrand beliefert vorgelagerte Hersteller im Bereich der Produktgestaltung.
Sunstrands Produkte und Abläufe sind darauf abgestimmt, konstant hochwertige Materialien zu liefern, die mit den unterschiedlichsten Anwendungen kompatibel sind. Ihr Fokus liegt darauf, Rohstoffe für Plastik-, Polymerwerkstoff- und Nonwoven-Fertigungsindustrien in Massenproduktion herzustellen. Indem sie ihre Materialien lokal zukaufen und innovative Verarbeitungstechnologien kreieren, ermöglichen sie den Produzenten, leistungsstarke, attraktive und nachhaltige Produkte auf den Markt zu bringen. Vor Sunstrand wurde nicht für möglich gehalten, traditionelle Materialien irgendwann ersetzen zu können.
Derzeit arbeitet Sunstrand an einem Pilotprojekt: einer Verarbeitungsmaschine, die 3.000 Tonnen jährlich fasst. Geplant ist jedoch, zukünftig Aufbereitungsanlagen für 22.000 Tonnen jährlich im industriellen Maßstab zu bauen.
Das in den USA technologisch vielleicht fortgeschrittenste Unternehmen für die Verarbeitung von Biokunststoff ist PureVision Technology, Inc. Ein 24-jähriges Technologieunternehmen für Bioraffinerien, das mit exklusiven, globalen Veredelungstechnologien und Marktrechten für die Produktion hanfbasierter Rohmaterialen und Produkte die Tochtergesellschaft PureHemp gegründet hat. PureHemp hat seine Erfindung eines kontinuierlichen Gegenstromreaktors, der „CCR“-Technologie, bereits in einem Pilotprojekt getestet, das äußerst erfreuliche Ergebnisse lieferte. Geplant ist, noch dieses Jahr einen CCR mit vier Tonnen im überschaubaren kommerziellen Rahmen zu produzieren, um schließlich Ende 2018 oder Anfang 2019 mit dem Bau eines CCRs für 40 Tonnen täglich zu starten. Der Einsatz der CCR-Technologie von PureHemp wird dem aufstrebenden Wirtschaftszweig einen erheblichen Wertgewinn verschaffen, da durch sie die Gesamtheit der Hanfpflanze für die Produktion hanfbasierter Produkte verwendet werden kann. Mithilfe der PureHemp CCR-Technologie können zusätzlich zu den traditionellen, auch neuartigen Hanfprodukten hergestellt werden, speziell Zellstoff, Lignin, Zucker und Extrakte.
Hanf kann zukünftig sogar für die Herstellung von Materialien verwendet werden, die über Plastik, Polymer- und Verbundwerkstoffe hinausgehen. Wissenschaftler in NYC und auch anderswo setzten Hanf bereits erfolgreich in der Herstellung von Alternativen für Kohlenstoff-Nanoröhren aus Graphen ein, die sie HempPhene nennen. Je nachdem wie HempPhene produziert wird, besitzt es die Eigenschaft, 100 Mal stärker und 1.000 Mal leichter als Stahl zu sein. Doch das Faszinierendste daran ist, dass HempPhene für einen Bruchteil der Kosten, die für die händische Herstellung von Graphen benötigt werden, produziert werden kann, da die Pflanze die meiste Arbeit für uns übernimmt. Es ist gut möglich, dass wir schon bald auf zukunftsweisende Infrastruktur treffen, die auf HempPhene basiert: Brücken, Hochhäuser und vieles mehr könnten dann aus Hanf bestehen.
Zusammenfassend macht es Spaß, sich eine Zukunft vorzustellen, in der Plastik nichts Schlechtes mehr ist. Doch wenn wir in so einer Realität leben möchten, müssen wir als Konsumenten die Aufnahme und Verbreitung von hanfbasiertem Biokunststoff nicht nur verlangen, sondern auch erwarten und supporten. Es gibt die Möglichkeit, die Wege der Industrie zu verlagern und die Wirtschaft sogar dafür zu nutzen, die Umwelt zu schützen, anstatt sie zu zerstören.
Von Thatcher Michelsen, Gründer von EatMoreHemp und Hemp3D