Der Gehalt des Wirkstoffes Cannabidiol innerhalb von Hanfprodukten ist ein Thema, welches in unterschiedlichen Facetten diskutiert wird. Zum einen wären festgelegte Grenzwerte eine Option, um zu bestimmen, welche CBD-Produkte der Novel Food Verordnung zugeordnet werden und welche nicht.
Unter Verbrauchern hingegen geht es bei der Nennung einer Prozentangabe um die vermeintliche Potenz eines Extraktes oder eines CBD-Öls. Es wird damit folglich eher versucht, die Wirksamkeit eines Nahrungsergänzungsmittels darzustellen. Ganz so einfach ist das allerdings nicht, denn die Hanfpflanze enthält neben Cannabidiol noch viele andere Cannabinoide, die für den gesundheitlichen Nutzen oder die Wirkung relevant sein können. Vor allem auch die berauschende Wirksubstanz Tetrahydrocannabinol (THC) ist Gegenstand vieler Debatten. Das liegt insbesondere daran, dass THC auch der Grund dafür ist, dass die Cannabispflanze als Droge betrachtet wird.
Die THC-Werte von Nutzhanfprodukten sind enorm niedrig
Mit den THC-Konzentrationen in Hanfprodukten beschäftigt sich die European Industrial Hemp Association (EIHA) schon seit Jahren und hat des Öfteren bereits das unabhängige Nova-Institut zu diesem Thema beauftragt. Das Institut betreibt Forschung und Beratung mit dem Schwerpunkt ökologischer Kreislaufwirtschaft. Bei Themen wie Umweltschutz und CO₂-Bilanz hat sich der Nutzhanf (Cannabis sativa L.) bereits einen sehr guten Ruf erarbeitet, daher ist die Pflanze auch für das Nova-Institut immer wieder von Bedeutung. Im Oktober 2014 hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA) einige Fragen bezüglich der Cannabinoid-Konzentrationen in Hanfpflanzen und Hanfprodukten an das Nova-Institut in Köln gestellt.
Einem wissenschaftlichen Gutachten entsprechend betrug der durchschnittliche THC-Gehalt von Hanfpflanzen, die in der EU industriell für die Viehzucht angebaut wurden, rund 0,075 Prozent. Zwar enthalten eigentlich alle Teile der Pflanze THC, doch ist die Konzentration in den Blüten zehnmal so hoch wie in den Blättern und etwa hundertmal so hoch wie in den Stielen. Das Nova-Institut hält ebenfalls fest, dass das im Hanf enthaltene THC zum größten Teil in Form der Säure vorkommt, also THCa. Dieses Detail ist insofern bedeutend, da THCa kaum eine psychoaktive Wirkung entfalten kann, solange das Säure-Molekül anhängig ist.
Erst nach der Decarboxylierung liegt die Substanz in berauschender Form vor, davor liegt das Mengenverhältnis zwischen 1:9 und 1:20 zuungunsten des wirkungsvollen und bioverfügbaren THC. Bei der Viehzucht werden Hanfsamen, Stängel, Blätter und Blüten gefüttert. Man kann also dafür die ganze Pflanze verwenden. Hanfsamen sind eigentlich für alle Tiere brauchbar, egal ob Fische, Vögel oder Hunde. Der THC-Gehalt bewegt sich auch bei Futtermitteln, die Blätter und Blüten enthalten, im Spurenbereich.
EIHA empfiehlt Überarbeitung der Richtwerte für THC in Lebensmitteln
Im September 2017 verfasste die European Industrial Hemp Association (EIHA) ein Positionspapier über sinnvolle Richtwerte für THC in Lebensmitteln und über die tägliche Höchstmenge. In Zusammenarbeit mit vielen internationalen Experten hatte man herausgefunden, dass der Empfehlungswert der EFSA und die Richtwerte des Bundesamtes für Risikobewertung (BfR) unnötig niedrig und wissenschaftlich anfechtbar sind. Die tatsächlich sinnvollen Richtwerte entsprechen demnach eher den Vorschriften, die in Ländern wie der Schweiz, in Kanada, den USA oder Australien gültig sind. Innerhalb der EU gibt es überhaupt keine einheitlichen THC-Richtwerte bei Hanf-Lebensmitteln, was ein weiterer Grund dafür ist, dass die EIHA sich dem Thema gewidmet hatte.
Im internationalen Vergleich entsteht der europäischen Nutzhanfindustrie durch die strengen Richtlinien ein Nachteil; Investitionen und Wachstum der Branche werden gehemmt. Durch verbesserte Rahmenbedingungen mit praktikablen, wissenschaftlich fundierten THC-Grenzwerten kann der Wettbewerbsnachteil ausgeglichen werden. Im Rahmen des Positionspapiers fordert die EIHA die Europäische Kommission auf, in einer Arbeitsgruppe harmonisierte Richtwerte für THC bei hanfhaltigen Lebensmitteln zu entwickeln. Dies würde sowohl der Industrie zu mehr Wachstum verhelfen als auch dem Verbraucherschutz gerecht werden.
Deutsche Richtwerte für THC in Lebensmitteln sind zu streng und wissenschaftlich überholt
1999 hat man in Deutschland Richtwerte für THC in Lebensmitteln als unverbindliche Empfehlung eingeführt. An diesen hat sich die Industrie in Europa orientiert, obwohl sie schon seit je her als sehr konservativ gelten. Durch die Forschung der letzten Jahrzehnte können solch niedrige Grenzwerte als unnötig streng und wissenschaftlich nicht begründbar betrachtet werden. Die EIHA hatte 2015 das Nova-Institut beauftragt, sinnvolle Richtwerte für THC vorzuschlagen, die dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Forschung entsprechen.
Die Experten des nova-Instituts schlagen ebenfalls die Überarbeitung der Grenzwerte für THC vor und führten die Begründung und die dazugehörigen Studien in einer Publikation namens „Grenz- und Richtwerte für THC (Tetrahydrocannabinol) in hanfhaltigen Lebensmitteln“ aus. Die EIHA hatte das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) bereits gebeten, sich der Thematik erneut anzunehmen. Eine Neubewertung durch das BfR blieb allerdings aus. Stattdessen hatte man noch im November 2018 auf 40 Seiten erklärt, warum die gut zwanzig Jahre alten THC-Richtwerte Geltung behalten sollten.
Bei welchen Mengen THC ist eine Wirkung feststellbar?
Um THC-Richtwerte zu ermitteln, die dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft entsprechen, hatte man zunächst einen Parameter bestimmt, der auf Erkenntnissen aus Studien basiert. Die niedrigste Menge, bei der ein unerwünschter Effekt durch eine Substanz, in diesem Fall THC, ausgelöst wird, wird als LOAEL (Lowest Observed Adverse Effect Level) bezeichnet und die höchste, bei der noch keine unerwünschte Wirkung eintritt, als NOAEL (No Observed Adverse Effect Level). Einen dieser zwei Parameter gilt es zu bestimmen und durch einen weiteren Sicherheitsfaktor zu teilen, um einen THC-Grenzwert für die tägliche Höchstmenge zu ermitteln, die einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu unerwünschten Nebenwirkungen garantiert.
Weder EFSA noch das BfR hatten sich die Mühe gemacht, den NOAEL für THC experimentell zu ermitteln und daher, ausgehend vom LOAEL, einen sehr hohen Unsicherheitsfaktor für die Substanz angesetzt, weswegen die maximale Aufnahmeempfehlung der EFSA (1 µg THC pro Kilogramm Körpergewicht) und die Richtwerte des BfR für die verzehrfertigen Lebensmittel (basierend auf 1-2 µg THC pro Kilogramm Körpergewicht) so streng sind. Die EIHA hat auf der Grundlage der Studien von Chesher, Petro & Ellenberger, Beal, Strasser und Zaijcek eine Tageshöchstmenge von 490 µg THC pro Person (70 kg) vorgeschlagen, was in etwa 7 µg THC pro Kilogramm Körpergewicht entspricht.
Die Handhabung der THC-Richtwerte ist selbst für die Behörden problematisch
Die Aussagekraft der THC-Richtwerte für Höchstgehalte in Lebensmitteln in Deutschland ist wenig überzeugend, weil sie fehlerhaft umgesetzt bzw. durchgesetzt werden. Nach den ursprünglichen Vorgaben des BfR vom 16.03.2000 bezieht sich der Richtwert auf ein verzehrfertiges Produkt. Die Behörden wenden diesen allerdings oft fälschlicherweise auf die Hanfzutaten an. Würde man die Gesamtheit der Zutaten berücksichtigen, so wäre die THC-Konzentration beispielsweise im verzehrfertigen Müsli oder im Salat viel niedriger. Diese falsche Praxis hat in der Vergangenheit schon wirtschaftlichen Schaden verursacht, wenn etwa Rücknahmen von Produkten veranlasst worden sind.
Die EIHA empfiehlt daher, dass Richtwerte für verschiedene Gruppen von Zutaten und für verzehrfertige Produkte konkret, aber wissenschaftlich korrekt, also neu kalkuliert, festgelegt werden. Ebenfalls sollte berücksichtigt werden, welche Anteile die THC-Säure THCa und welchen das THC selbst an der Gesamtkonzentration im Produkt haben, da THCa keine psychoaktive Wirkung hat. Hier muss differenziert werden, da THCa erst durch Erhitzen zu wirksamem THC wird. Bei der Zubereitung von kalten Speisen kann man THCa bezüglich einer psychoaktiven Wirkung folglich vernachlässigen.
Was ist die akute Referenzdosis
Der Begriff Akute Referenzdosis (ARfD) ist eigentlich von der Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln geprägt und beschreibt die Menge eines solchen Mittels, welches innerhalb von 24 Stunden mit der Nahrung vom Körper aufgenommen werden kann, ohne ein nennenswertes Gesundheitsrisiko darzustellen. Die EFSA leitete in einem wissenschaftlichen Gutachten von 2015 für THC eine ARfD von 1 µg pro Kilogramm Körpergewicht ab. Mit diesem Richtwert ist die EIHA nicht einverstanden. Der Verband sieht die Ergebnisse einiger anderer Studien in dieser Ableitung nicht berücksichtigt und empfiehlt eine erneute Prüfung.
In einer Präsentation hat die EIHA die Ermittlung der Referenzdosis ausführlich erläutert und mit einer Expertengruppe die Stärken und Schwächen unterschiedlicher Ansätze aufgezeigt, die die Behörden in unterschiedlichen Ländern zur Ermittlung der ARfD herangezogen haben. In der Stellungnahme mit dem Titel „Grenz- und Richtwerte für THC (Tetrahydrocannabinol) in hanfhaltigen Lebensmitteln“ hatten die Experten bereits die für die Ermittlung von sinnvollen THC-Richtwerten notwendigen Empfehlungen angeführt.