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Sonnenaufgang über den smaragdgrünen Feldern von Kentucky und der Hanf schwingt sanft im warmen Sommerwind. „Ich liebe den Geruch von Hanf auf dem Feld“, sagt der 91-jährige Jake Graves. „Seit 70 Jahren habe ich das nicht mehr gerochen.“
Jacob Hughes Graves III ist ein in Kentucky ansässiger Landwirt in der sechsten Generation. In den 1920er- und 30er-Jahren wurde auf der Farm seiner Familie, deren Umgebung als die „Hanfhauptstadt der Welt“ bezeichnet wurde, fast nur Hanf angebaut. Damals waren (Agrar-)Wissenschaftler und Industrielle, die sich wie Thomas Edison, George Washington Carver und Henry Ford selbst „Chemurgisten“ nannten, davon überzeugt gewesen, dass Landwirte die industrielle Revolution mit dem Anbau von Fasern und Biokraftstoffen anführen könnten. Ihr Fokus lag dabei auf dem Hanf. Und tatsächlich bezeichnete die Zeitschrift „Popular Mechanics“ 1938 Hanf als das „Milliarden-Dollar-Erntegut“. Als Hanf jedoch im Marihuana-Gesetz von 1937 aufgenommen wurde, begann die Forschung wie auch die Weiterentwicklung daran langsam aber stetig abzunehmen. Als Marihuana, und Hanf generell, 1971 schließlich in das Rauschmittelgesetz aufgenommen wurde, verkam das „Milliarden-Dollar-Erntegut“ plötzlich zur illegalen Droge.
Das Verbot
Wie konnte das geschehen? Wie konnte aus einem „Milliarden-Dollar-Erntegut“, das von der Wissenschaft, den Agrarwissenschaftlern und den Industriellen gleichermaßen geschätzt wurde, völlig aus der amerikanischen Landwirtschaft und Wirtschaftsentwicklung verschwinden? Wie konnte eine Pflanze, die buchstäblich keine psychoaktiven Eigenschaften besaß, als illegal abgestempelt und ebenso verunglimpft werden wie Heroin? Über die Jahre gab es Spekulationen, dass Hanf aus Ölinteressen mit Marihuana in Verbindung gebracht wurde, um die Konkurrenz auf diese Weise auszuschalten. Fake-News nutzten abschreckende Drogenszenarien, um die immer beliebter werdende „Magische Kulturpflanze“ abzustempeln. Im Vorwort von William Hales Buch „The Farm Chemurgic“ (1932) steht geschrieben: „Der Schicksalsstern der Landwirtschaft strahlt.“ Leider sollte es anders kommen. So verging die Zeit und mit ihr die Möglichkeit von Hanf als „Milliarden-Dollar-Erntegut“, welche sich in der Geschichte der Landwirtschaft verlor.
Die Fürsprache
Jake Graves betrieb in den 1990ern gemeinsam mit seinem Sohn Andrew (Andy) diversifizierte Landwirtschaft. Obwohl Soja, Mais, Gemüse und Nutztiere zwar nachhaltig waren, wussten die beiden, dass sie ihren Tabak zukünftig durch etwas anderes ersetzen werden müssten, und fragten sich daraufhin, warum sie nicht den Hanfanbau wieder aufnehmen könnten. Zur selben Zeit trafen sich Joe Hikey und Kentucky Gouverneur Bereton Jones, um die Kentucky-Hanf-Arbeitsgruppe (Kentucky Hemp Task Force) zu gründen, anhand derer sie Hanf hinsichtlich seines wertbringenden Potenzials als Erntegut beleuchten wollten. Joes Kindheitsfreund, der Landwirtschaftswissenschaftler Dave Spalding, hatte zuvor mit Andy Graves zusammengearbeitet, dessen Familie einst zu den größten Hanfbauern in Kentucky gehörte. Auf ihrem Land wuchs noch immer wilder Hanf aus jenen Tagen. 1992 machte Dave Joe, Andy und Jake Graves miteinander bekannt, und sie begannen mit der Erforschung und Verfechtung von Hanf. Ihr Ziel war es, die Nutzpflanze als neues Saatgut für amerikanische Bauern wiedereinzuführen.
1995 tat sich Joe Hickey mit dem kanadischen Farmer und Agronom Jean Laprise, der britischen Unternehmerin Anita Roddick und dem Schauspieler und Umweltschützer Woody Harrelson zusammen, um die Kenex, Ltd. zu gründen, Kanadas erste Hanffaser und -Samen-Aufbereitungsanlage. Anita Roddick, die später The Body Shop gründete, war eine heftige Verfechterin der Vorteile von Hanf hinsichtlich seiner Verwendung in nutrazeutischen Produkten. Innerhalb der darauffolgenden fünf Jahre stellte Kenex, Ltd. von Fasermatten für Autoverbundstoffteile bis hin zu Nahrungsmittel für Menschen und Vögel her und avancierte dabei zum Testgelände für die Saatzucht und die Verarbeitung von Hanffasern und -samen.
Zeitgleich arbeiteten sich Graves, Spalding und Hickey durch die gesamte Bundes- und Staatsverfassung auf der Suche nach jeder politischen Hebelwirkung, die sie nur finden konnten. Sie wurden fündig, als vier der ehemaligen Gouverneure von Kentucky sich zu einer Pressekonferenz einfanden, um Hanf als potenziellen profitablen Ernteersatz für Tabak zu befürworten.
1996 organisierte Joe Hickey als damaliger Geschäftsführer der Hanfbauern-Vereinigung von Kentucky die Internationale Hanf Konferenz eben dort. Moderiert wurde die Konferenz von Woody Harrelson, die Teilnehmer reisten aus Australien, England, Kanada, der Ukraine und den Niederlanden an. Am darauffolgenden Tag pflanzte Woody, in Anwesenheit von CNN, vier zertifizierte französische Hanfsamen, um Kentuckys Gesetzeslage, welche Hanf per Definition zu Marihuana zählte, zu testen. Und tatsächlich wurde er für den „Anbau von Marihuana“ inhaftiert. Dieser Fall zog schließlich landesweit die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Hanfthematik. Damit nahm der nachfolgende jahrelange Rechtsstreit seinen Anfang.
Der Staat gegen den legalen Zugang
Während der folgenden Jahre war die Hoffnung groß, da es zunächst schien, als würde die Legalisierung von Hanf in Gang kommen, doch der Optimismus war nur von kurzer Dauer. Die DEA (United States Drug Enforcement Administration) machte jegliche Bemühungen, um die Kontrolle über Hanf wiederzuerlangen, zunichte. In den USA wurde Hanf in einigen Staaten als illegale Droge deklariert, Aufklärungsprogramme wurden hinterfragt und auch geschlossen. Im Jahr 1999 schließlich fangen DEA-Agenten Lieferungen von sauberem, kanadischen Hanf, das für den US-amerikanischen Nahrungsmittelmarkt gedacht war, an der US-Grenze ab und konfiszieren es.
Die Rechtsreform
Währenddessen waren sich Graves, Hickey und Spalding sicher, sie hätten die Öffentlichkeit in Kentucky ausreichend aufgeklärt und innerhalb der Landwirtschaftspolitik genug Interesse generiert, um die Legalisierung von Hanf durchzubekommen. Etwa zur selben Zeit gingen Woodys Jahre voller Gerichtsprozesse zu Ende und mit einem Rechtsbeistand wie Louie Nunn, einem ehemaligen republikanischen Gouverneur von Kentucky, wurde Woody im Jahr 2000 nicht schuldig gesprochen.
2013 waren sich Kentuckys Farmer einig, dass die gewinnbringenden Zeiten von Tabak zu Ende gehen. Hier griff die jahrelange Lobbyarbeit, die sich schließlich, gemeinsam mit der Unterstützung von Kentuckys US Senator Rand Paul, bezahlt gemacht hatte und dazu führte, dass die Senatsvorlage 50, die von Kentuckys Landwirtschaftsminister James Comer vorgeschlagen worden war, im Landesgesetz verabschiedet wurde. Das Gesetz schaffte einen festgelegten Rahmen, innerhalb dessen Landwirte in Kentucky legal Hanf anbauen konnten. Zusätzlich leiteten US Senator Mitch McConnell und Rand Paul die Erweiterung des US-Landwirtschaftsgesetzes (Sektion 7606) um die Legalisierung der Hanfproduktion in Staaten wie Kentucky ein, die über Programme zum Anbau verfügten. Dieser Gesetzesentwurf wurde 2014 von US-Präsident Barack Obama unterzeichnet.
Tiefgreifende Chancen
Nachdem der Anbau von Hanf 70 Jahre lang verboten gewesen war, gedieh er nun wieder in den Feldern, in denen Jake Graves als junger Mann gearbeitet hatte. Die jahrelange agrarwissenschaftliche Samenforschung mit internationalen Partnern, die Jahre der politischen Lobbyarbeit und Marktanalysen ermöglichten Graves, Spalding und Hickey eine Position, aus der sie die Gunst des Augenblicks für sich nutzen konnten: Mit der Mission, eine Leadership-Rolle in der Forschung, Entwicklung und Vermarktung von industriellem Hanf einzunehmen, gründeten sie die Atalo Holdings, Inc. Von dem für Edison, Carver und Ford so wichtigen Hanf, der nun wieder im Trend war, versprach man sich neben transformativen Chancen, eine neue Fruchtfolge, eine neue Ära der Innovation für amerikanische Farmer und die Renaissance Kentuckys als Hanf-Hauptstaat der Welt.
Während Kentucky, Colorado und Vermont im Jahr 2014 anfingen, kleine Forschungsgelände zu bepflanzen, richtete Atalo Holdings seinen Blick in die Zukunft und arbeitete gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium von Kentucky und seinen Partnern an der Entwicklung einer verbesserten Agronomie, geschützten Kulturformen sowie besseren Verarbeitungstechniken und Vermarktungswegen für diese einzigartige Kulturpflanze.
Atalo erwarb die ehemalige Forschungsstation Rickard für Samen in Winchester, Kentucky, eröffnete den Hanf Forschungscampus und gründete die Atalo Growers Group. Diese war von anfangs fünf Farmern auf 9 Hektar Land bis zum Jahr 2016 bereits auf 50 Farmer und 625 Hektar angewachsen und somit zum größten legalen Anbaugebiet für Hanf in den USA geworden.
Superfoods
Die Vision der Chemurgisten von Hanf als Milliarden-Erntegut konzentrierte sich auf Fasern und Kraftstoff. Das Hanfprotein war in Europa und Asien bereits seit Jahrhunderten bekannt, doch als Gesundheitsexperten im Jahr 2014 herausfanden, dass der rein pflanzliche Proteinlieferant Hanf nicht nur über alle 20 Aminosäuren, sondern auch über ein perfektes 3:1 Verhältnis von Omega-6 Linolsäuren und Omega-3 Linolsäuren verfügt, wurde das Hanfkorn als die wohl stärkste Quelle pflanzlicher Proteine wiederentdeckt. Heute wird Hanf daher auch als Superfood gehandelt.
Im Research Campus von Atalo arbeiten Wissenschaftler und Pflanzer an der Optimierung agrarwissenschaftlicher Vorgehensweisen in Sachen Pflanzen, Anbauen, Ernten und der Proteingewinnung aus Hanfkörnern. Um bessere Ernten und vorhersagbarere Proteinausbeuten aus den verarbeiteten Körnern zu erzielen, werden stetig neue Hanfsorten entwickelt. „Für Landwirte bietet das eine einmalige Gelegenheit, um im Anbau eines brandneuen Korns, welches in nicht allzu ferner Zukunft zur Hauptproteinquelle in den USA avancieren könnte, die Nase vorne zu haben“, erklärte William Hilliard, CEO von Atalo, der seine Firma an der Spitze des Hanfprotein-Marktes sieht.
Heute ist Atalo im Anbau, in der Verarbeitung und im Vertrieb von Hanf Protein Powder, Hanfsamen und Hanföl für den Großmarkt tätig, während das Unternehmen in Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium von Kentucky weiter an agrarwissenschaftlichen und marketingstrategischen Methoden forscht.
CBD – Wie Aspirin aus dem Weidenbaum
Wer hätte gewusst, dass Aspirin, eines der weltbekanntesten Schmerzmittel, aus der Rinde des Weidenbaumes gewonnen wird?
Als die Chemurgisten 1937 gezwungen waren, ihre Hanf-Forschungen einzustellen, wussten sie noch nichts von Cannabidiol (CBD), auch das Endocannabinoid-System (ECS) im menschlichen Körper war bis dato noch nicht identifiziert, geschweige denn untersucht worden.
Der nicht psychoaktive Bestandteil der Marihuana-Pflanze, Cannabidiol (CBD), zog in den letzten Jahren das Interesse von Wissenschaftlern und Ärzten auf sich. Über die Frage, welchen therapeutischen Einfluss CBD auf molekularer Ebene aber wirklich hat, herrscht noch Unklarheit unter den Wissenschaftlern.
Die Forscher im Hanf Research Campus der Atalo Holding kommen dem wachsenden Interesse an CBD als funktionellem Lebensmittel und Ausdruck nutrazeutischer Lifestyles nach. In Kooperation mit der University of Kentucky und internationalen Partnern, fokussiert sich Atalo auf die Samenforschung und die ganze Bandbreite der Full-Spectrum Extraktion der Pflanze. So möchte das Unternehmen einerseits den CBD-Ertrag erhöhen und andererseits ein niedriges THC-Level in ihren zertifizierten reinen Samen gewährleisten, sowie darüber hinaus generell die Qualität von Full-Spectrum Extraktionsprozessen verbessern.
„Die Daten rund um seine (CBD’s) Effizienz, gerade wenn es um Schmerzlinderung, traumatische Hirnverletzungen oder die Unterdrückung von Krampfanfällen und andere Indikationen geht, ließen,“ laut Mark Blumenthal vom American Botanical Council „Gutes für seine Zukunft auf dem Markt ahnen. Wäre CBD in einer anderen Pflanze entdeckt worden, wäre es wohl als Wundermittel, als magisches funktionelles Lebensmittel und Wundermedikament angesehen worden.“
Kontinuierlich wachsam bleiben
Im Januar 2015 wurde das Gesetz zum industriellen Hanfanbau im US-House und im Senat mittels der Gesetzesentwürfe H.R. 525 und S.B. 134 vorgestellt. Sollten diese durchgehen, würden jegliche bisherigen Restriktionen für den Anbau von industriellem Hanf sofort nichtig werden, ebenso wie die Kategorisierung als illegale Substanz. Um die Legalisierung von Hanf in Washington durchzuboxen, tat sich James Comer, US Repräsentant aus Kentucky, mit dem Rep. Thomas Massie zusammen. „Es ist eine landwirtschaftliche Sache. Es ist eine Sache von Arbeitsplätzen“, so Comer. „Hanf bietet eine Menge von Möglichkeiten, die Landwirtschaft anzukurbeln und Jobs zu generieren, aber es wird unterdrückt, weil es mit Marihuana assoziiert wird.“ Der US Repräsentant von Oregon, Earl Blumenauer, sagte: „Die Akzeptanz von Hanf wuchs in den letzten Jahren überall im Land an und sollte nicht mehr als Problem angesehen werden. Es ist absolut lächerlich, dass der Anbau von Hanf auf Bundesebene immer noch illegal ist.“
Obwohl dies bereits positive Zeichen sind, ist dennoch keine Entspannung in Aussicht. Glaubt man Hickey, intensivierte sich die Lobbyarbeit gegen Hanf signifikant und das nicht nur vonseiten der DEA: „Es scheint, dass die Pharmaindustrie nun Lobbyarbeit gegen den Aufstieg von Hanf und zugunsten spezifischer synthetischer Komponenten betreibt, die derzeit noch in der Entwicklungsphase sind“, so Hickey. „Das bedeutet, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Vielleicht hatten die Chemurgisten Recht und Hanf ist wirklich ein ‚Wunderkorn‘, das als Nahrungsmittel, Faser, Treibstoff und Medikament echtes Potenzial in sich birgt.“
Atalo verliert, obwohl der Fokus stark auf dem wirtschaftlichen Potenzial von CBD liegt, nicht das große Ganze aus den Augen. Die Partner haben sich der Erforschung und Entwicklung verschrieben und knüpfen da an, wo Edison, Carver und Ford aufgehört hatten. Sie engagieren sich vor allem hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung im ländlichen Raum. Sie setzen sich dafür ein, der Rotationsliste amerikanischer Bauern ein weiteres Erntegut hinzuzufügen. Und sie schützen die Interessen der Bauern durch ihre Anwaltschaft, die von permanenter Wachsamkeit geprägt ist.
Zu The Lane Report sagte Andy Graves wörtlich zitiert: „Wenn es erst einmal legalisiert ist, werden Kentuckys Landwirte, die schon von Natur aus kompetitiv sind, die weltweiten Wettbewerber im Hanfgeschäft ausstechen, besonders auch weil Kentucky das schon einmal geschafft hat.“
„Mein Urgroßvater war hier in Kentucky als Hanfbauer tätig und mein Vater arbeitete von klein auf mit industriellem Hanf als Teil des landwirtschaftlichen Betriebes“, sagt Andy Graves weiter. „Die Qualität und der Ertrag unseres Hanfs waren schon damals weltweit hoch angesehen und wir freuen uns schon darauf, wieder zu jener Produktivität zurückzukehren.“ Und für Jake Graves ist der Duft von Hanf am frühen Morgen nur noch das halbe Vergnügen: „Und jetzt lasst uns Marihuana aus dem Grünzeug machen.“
Sonnenaufgang über den smaragdgrünen Feldern von Kentucky und der Hanf schwingt sanft im warmen Sommerwind …