Man kann gut und gerne behaupten, dass die Ursprünge des modernen amerikanischen Hanfpapiers in Deutschland liegen. Schließlich ist sein Erfinder, George Schlichten, ein gebürtiger Deutscher.
Nachdem er aus Deutschland nach Amerika immigriert war, ließ sich G. W. Schlichten in San Diego, Kalifornien, nieder. Dort trieb er aufgrund seiner Leidenschaft für die Hanfpflanze die Entwicklung der modernen Dekortikation voran. Vor Schlichtens Decorticator erforderte die Hanfproduktion immens viel Arbeitskraft. So etwa unzählige Arbeiter, die mühsam mit Handwerkzeugen die Hanfstämme so lange bearbeiteten, bis sich die Fasern ablösten, die anschließend in der Papierverarbeitung Verwendung fanden.
Zuvor jedoch wurden die Fasern in der Mühle so lange weiterverarbeitet und schließlich so fein gemahlen, bis sie verwertbar wurden. Aufgrund der erhöhten Lohnkosten, die Hanf mit sich brachte, war der Rohstoff auf dem Markt weit weniger beliebt, als etwa Baumwolle für Textilien oder Zellstoff bei Papier. Nachdem Papier aus Zellstoff um 1840 den Markt erobert hatte, wurde es in Windeseile zur billigsten erhältlichen Option für die Papierherstellung, vor allem auch, da die Abholzung der nationalen Waldbestände natürlich keine Lohnkosten verursachte. George Schlichten waren diese Problematiken bewusst und so setzte er all seine Zeit und finanziellen Mittel daran, Lösungen gegen Einschränkungen dieser Art zu finden.
Seine Absichten machte er unter anderem in seinem Patentantrag klar, den er im Dezember 1916 stellte: „…um Mittel für derart verarbeitete Fasern bereitzustellen, die es ermöglichen, den zu verarbeitenden Rohstoff (im Speziellen Hanf- und Ramie) so günstig und ökonomisch wie möglich zu produzieren.“ Bei Ramie handelt es sich um eine weitere Faserpflanze, die ebenfalls seit Langem vom Menschen genutzt wird. Die Staudenart, die auch als Chinagras bekannt ist, gehört zur Familie der Nesseln, auch wenn sie keine brennenden Qualitäten mit sich bringt. Sie wächst, ähnlich wie Hanf, zu großen Stängeln heran. Auch das Potenzial der Nutzung von Ramie wurde lange Zeit aufgrund zu hoher Lohnkosten nicht genutzt.
Schlichten war überzeugt davon, dass sein Decorticator die Möglichkeit biete, „die Faserproduktion aus diesen Pflanzen so einfach, wie bei jeder herkömmlichen Getreideart, zu machen“. Doch ein Blick auf den Anteil der modernen amerikanischen Landwirtschaft, der sich dem Anbau von Hanf widmet, zeigt, dass, auch wenn die Zahl der Hanfbauern enorm wächst, sie im Vergleich mit anderen Rohstoffen, wie den 20 Millionen Hektar Mais, die jährlich geerntet werden, weit hinterherhinkt.
Die amerikanische Hanfproduktion wurde durch das kontroverse Marihuana-Gesetz von 1937 stark eingeschränkt und kämpft seither um ihr Comeback in den Staaten. Doch glücklicherweise ist das Wachstum der amerikanischen Hanfindustrie nicht völlig auf die nationale Produktion angewiesen. Die Option, Hanffasern international zu beziehen, macht Hanfpapier „Made in Amerika“ heute möglich.
Als weiterer wesentlicher Rohstoff-Bestandteil von Hanfpapier dienen wiederaufbereitete Abfälle. Schaut man sich das weltweit am weitesten verbreitete Hanfpapier an, könnte man rein technisch sagen, dass es zu 75 Prozent aus Abfällen besteht. Doch wenn man diese Papierabfälle mit 25 Prozent Hanffasern kombiniert, ergibt das ein qualitatives Endprodukt, fernab von Müll. Denn was man tatsächlich erhält, ist ein Premium Papierprodukt, das über weit mehr Strukturfestigkeit verfügt, als reines Recyclingpapier. Werden die Hanffasern mit Recyclingpapier vermischt, übernehmen sie eine ähnliche Funktion wie Metallstäbe im Beton: Sie sorgen für Stabilität und geben dem Material Festigkeit. Aufgrund seiner geringen Haltbarkeit eignet sich Recyclingpapier für dünneres Druckpapier, was die Zahl der Produkte, die daraus gefertigt werden können, limitiert. Der Zusatz von Hanf löst diese Beschränkungen auf.
Während diese einzigartige Zusammensetzung der Grund für ein Mehr an Festigkeit ist, sorgen die großen Materialunterschiede zwischen Hanf und konventionellen Holzfasern noch für Zurückhaltung bei den Papiermühlen und Print Shops, wenn es um das Experimentieren mit diesem Material geht. Papierfabriken weigern sich, potenzielle Schäden an ihren Maschinen zu riskieren, indem sie Geräte anders bedienen, die speziell für herkömmliche Holzfasern konzipiert wurden. Ähnlich verfügen auch Print Shops rein über Geräte, deren Gewährleistungsumfang nur die Verwendung von zertifizierten Holzfaserpapier einschließt.
Sich für die Verwendung von nachhaltigen Alternativen wie Hanf zu entscheiden, bedeutet ein großes Risiko und einen geringen Mehrwert für Unternehmen, denen zudem noch die nötige Leidenschaft sowie das Interesse an der Zukunft von Hanf per se fehlt. Weiterhin bietet Hanfpapier eine recht schwammige Qualität – die Tinte wird sehr rasch aufgenommen. Und auch wenn das auf den ersten Blick kein großes Problem darstellen sollte, würde dies für Print Shops beispielsweise bedeuten, vor jedem individuellen Printauftrag ihre Einstellungen exakt auf das Spezialpapier abzustimmen.
Doch zusätzlich zu den vielen Druckaufträgen auf herkömmlichem Papier bleibt den Shops meist keine Zeit für qualitativ hochwertige Drucke auf Hanfpapier, beziehungsweise fehlt das spezielle Equipment dafür. Dennoch gibt es eine Firma in Eugene (Oregon), die sich für die zusätzliche Investition entschieden hat: Hemp Press. „Die meisten anderen Print Shops scheuen das Risiko, dass Hanfbestandteile aus abgelöstem Papier Schäden oder Blockaden an ihren hochwertigen Geräten verursachen könnten, die von der Gewährleistung ausgeschlossen sind. Doch dank unserer spezifischen Prozessabläufe schaffen wir es, solche Begleiterscheinungen weitestgehend einzuschränken.“ Hemp Press Inhaber Matthew Glyer arbeitete die letzten fünf Jahre daran, die operativen Prozesse seiner Firma so weit zu verfeinern, um die für Hanfpapier bestmögliche Druckqualität bieten zu können.
Seine individuellen Verpackungen und Drucke lassen die Konkurrenz weit zurück, doch da Hemp Press derzeit der einzige exklusive Hanfpapier Print Shop auf dem Markt ist, scheint das nicht weiter verwunderlich. Während die Print-Industrie aufgrund der Digitalisierung starke Einbußen verzeichnete, und zahlreiche Print Shops schließen mussten, erlebte Hemp Press von Anfang an ein konstantes Wachstum, das in hohem Maße von der legalisierten Amerikanischen Cannabis-Industrie profitiert hatte. Zu den Vorzeigeprodukten von Hemp Press gehört die Visitenkarte „Crutch Card“. Formal einer herkömmlichen Business Card gleichend, sind Crutch Cards derart perforiert, dass sich daraus Hanfpapier-Filtertips formen lassen – attraktiv für Selbstdreher. Ganz im Sinne der Verbraucher werden Crutch Cards mit hauseigenen Farben, einem Gemisch aus Soya und wasserbasierter Tinte, bedruckt.
Die Planung und Produktion von handelsüblichen Hanfpapierverpackungen für umweltbewusste Premium-Marken gehört hingegen zu den am schnellsten wachsenden Segmenten im Geschäftsfeld von Hemp Press. Die Musterdesigns für Verpackungen werden zunächst im Laserschneider auf die passende Größe zugeschnitten. Hemp Press produziert Verpackungen in unterschiedlichen Formen und Größen – die Maße werden perfekt an den jeweiligen Kundenwunsch angepasst und sind variantenreich. So findet sich vom Kosmetiktiegel für Naturprodukte über Tropfflaschen für CBD-Öl bis hin zu Vaporizer-Kapseln und Boxen für Drehwaren alles im Sortiment des Verpackungsherstellers Hemp Press.
Auch wenn Hanfpapier-Verpackungen noch nicht den Mainstream-Markt erobert haben, bieten sie doch einzigartige Möglichkeiten für Unternehmen, die ebenfalls am Wachstum der Hanfindustrie teilhaben möchten. Jede Bestellung, die Matt Glyers Druckerei verlässt, sorgt schließlich dafür, dass mehr Hanfsamen für die Fasernutzung gepflanzt werden. Um etwa Papier für 500 Visitenkarten zu erhalten, bedarf es der Anpflanzung von rund 100 Hanfsamen. Jede Visitenkarte sorgt somit für eine entsprechende zusätzliche Nachfrage nach Hanfprodukten am globalen Markt, was den Umstieg auf Hanf für immer mehr und mehr Landwirte verlockend macht. Die Zukunft des Hanfpapiers hängt großteils davon ab, ob Unternehmen sich künftig dafür entscheiden, ihre Hanfprodukte auch in Hanfverpackungen zu vermarkten.