Nutzhanf lässt sich – wie viele andere Pflanzen auch – zu Bioplastik verarbeiten. Kann Cannabis also auch das Plastikproblem lösen? Über die Vor- und Nachteile von Bioplastik und die Zukunft hanfbasierter Verpackungen.
Vielen sollte inzwischen klar sein, dass wir kein Plastik mehr verschwenden dürfen. Pro Jahr werden etwa 400 Millionen Tonnen Plastik produziert, zehn Millionen Tonnen landen schätzungsweise pro Jahr in Flüssen, Seen und Meeren. Riesige Müllteppiche treiben im Ozean, Millionen wilde Tiere ersticken an den ewig haltbaren Wegwerfprodukten. Mikroplastiken sind überall in der Umwelt – auch in unseren Körpern. Wissenschaftler finden inzwischen Kunststoff-Partikel in allen unseren Organen.
Gleichzeitig ist Plastik natürlich nicht ohne Grund so beliebt. Es ist robust, kann Festes, Flüssiges und Gasförmiges zuverlässig konservieren, wiegt dabei kaum etwas und macht Produzenten in großen Mengen kaum finanzielle Kosten. Plastikverpackungen sichern unseren Wohlstand und die Ernährungsgrundlagen in vielen Ländern. Laut des Deutschen Instituts für Normung (DIN) führen fehlende Verpackung und Infrastruktur in manchen Ländern zu Verlusten von bis zu 30 Prozent bei den Landwirtschaftserzeugnissen.
Es muss also Alternativen geben. Ein Lösungsansatz ist die vermehrte Verwendung von Bioplastiken oder Biokunststoffen. Diese Materialien haben sehr ähnliche Eigenschaften wie Plastik, stammen aber aus pflanzlichen Quellen wie Mais, Kartoffeln, Kokos, Holz – oder eben Hanf. Die Idee dahinter ist, dass der Kohlenstoff für alle Verpackungsmaterialien und Produkte nicht mehr aus fossilen Quellen kommt, sondern aus Rohstoffen, die nachwachsen und somit nachhaltig sind. Dazu sollen sie nach Gebrauch nicht mehr die Umwelt belasten. Pflanzliche Stoffe gelangen ja wieder zurück in den natürlichen Kreislauf, während aus Erdöl gewonnene Produkte Tiere, Böden und Gewässer vergiften und unter der Erde gespeichertes Kohlendioxid in die Umgebung abgeben.
Hanf als Kunststoffersatz
Nutzhanf hat ein sehr schnelles Wachstum und ist extrem vielfältig einsetzbar. Aus ihren Fasern werden zahlreiche Produkte gefertigt: Seile, Textilien, Baustoffe, Papier, Lebensmittel. Diese Anwendungsbreite verdankt der Hanf dem großen Zellulose-Anteil (65-70 Prozent im Vergleich zu 40-50 Prozent Zellulose in Hölzern). Dieser Zellstoff wird hauptsächlich in der Papierverarbeitung verwendet, aber auch viele Kunststoffe können daraus gewonnen werden, darunter Zellophan, Zellwolle und Zelluloid.
Hanfbasierte Materialien haben das Potenzial, erdölbasierte Kunststoffe an vielen Stellen zu ersetzen. Wie andere pflanzliche Materialien ist Hanf biologisch abbaubar und kompostierbar. Er hat auch im Vergleich mit anderen Pflanzen, die für Biokunststoffe genutzt werden, die Nase vorn. So benötigt Hanf im Vergleich zu Mais nur die halbe Wachstumszeit, ein Drittel an Wasser und trägt dazu bei, den Ackerboden zu regenerieren.
Hanfbasierte Kunststoffe in der Anwendung
Branchen wie die Automobilindustrie setzen für bestimmte Kunststoffteile wie Formpressstücke oder Kofferraumauskleidungen oft auf Hanf. Schon Henry Ford hat für die industrielle Herstellung seiner ersten Automobile Hanffasern in den Karosserien verwendet. 1941 stellte er sogar ein Modell vor, dass mit hanfbasierten Kunststoffen gebaut werden sollte und sagte Biokunststoffen eine große Zukunft voraus. Die Cannabis-Prohibition und der ungebremste Erdölverbrauch ließen diese Träume dann allerdings erlöschen.
Produktdesigner interessieren sich ebenfalls für die besonderen Eigenschaften der Cannabispflanzen. So zeigen Kompositmaterialien aus Hanffasern ausgezeichnete Eigenschaften, was Festigkeit und Dämmfähigkeit angeht. Heute gibt es zahlreiche Hersteller, die Kunststoffe aus Hanf herstellen.
The Hemp Plastic Company bietet zum Beispiel hundert Prozent hanfbasiertes PLA Granulat an. PLA (Polylactid) aus nachwachsenden Rohstoffen ist einer der populärsten Biokunststoffe. Sie versetzen auch Kunststoffe wie Propylen oder High-Density-Polyethylen (HDPE), etwa für resistente Plastikflaschen und -behälter mit bis zu 25 Prozent mit Hanffasern. Das spart zumindest ein Viertel an fossilen Brennstoffen und schädlichen Emissionen.
Biokunststoffe – kein Allheilmittel gegen Plastikflut
Bioplastiken sind vielerorts auf dem Vormarsch, aber ob sie jemals das klassische Plastik vollständig ersetzen werden, ist fraglich. Zunächst ist der Preis von Bioplastik derzeit noch zu teuer, um im großen Stil mit Erdöl-Kunststoffen konkurrieren zu können. Die Hoffnung ist, dass mit vermehrter Adaption von Großkonzernen auch die Preise sinken. Allerdings wird der globale Bedarf an Kunststoffen, wenn er auf einem ähnlich gewaltigem Level wie heute bleibt, nie vollständig durch pflanzenbasierte Alternativen gedeckt werden können. Die Pflanzen müssten dafür im größtmöglichen Stil auf Feldern angebaut werden, was mehr Monokulturen und Pestizideinsatz bedeuten dürfte und dazu noch in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion stünde. Dies aber ist ein Thema, welches noch weitergehend mit Zahlen und Fakten untersucht werden muss!
Ein anderes Problem ist die Abbaubarkeit beziehungsweise das Recycling. Biokunststoffe werben damit, dass sie biologisch abbaubar und sogar kompostierbar sind. Das ist aber irreführend. Viele Verbraucher glauben, sie könnten ihre Produkte aus Biokunststoffen wie Mülltüten, Blumentöpfe oder Ähnliches einfach in die braune Tonne oder sogar den heimischen Kompost geben. Es dauert aber wesentlich länger, bis eine Bioplastiktüte sich in ihre Bestandteile zersetzt hat, als gewöhnlicher Bioabfall. Für den ausreichenden Abbau der robusten Pflanzenplastiken sind oft mehrere Monate in industriellen Kompostieranlagen unter bestimmten Temperaturen notwendig. Deshalb sehen die Kompostierer solche Materialien nur sehr ungern zwischen den pflanzlichen Abfällen und sortieren sie aus.
Ähnliches gilt für Verpackungs-Recycling-Anlagen. Diese sind auf die Standard-Kunststoffe ausgelegt und können mit Biokunststoffen nichts anfangen. Die Materialien, die aus guten Intentionen produziert und gekauft werden, landen also in der Regel in der Müllverbrennungsanlage. Und die Gefahr, dass Tiere und Pflanzen auch durch Bioplastik-Müll in der Natur Schaden nehmen, ist erwiesen: Eine Studie der Universität Plymouth hat 2019 gezeigt, dass eine Plastiktüte aus abbaubarem Bio-Kunststoff auch nach drei Jahren im Ozean noch fast unversehrt war.
Die Zukunft von Hanf-Bioplastik
Diese Herausforderungen sollen natürlich keinen Anlass geben, neue Entwicklungen in Sachen Bioplastik fallenzulassen. Im Gegenteil, es braucht gerade bei der Nutzung von Materialien aus Nutzhanf viel mehr Forschung und Entwicklung. Wissenschaftliche Erkenntnisse auf diesem Feld wurden aufgrund der Prohibition und der strengen Regulationen viel zu lange aufgehalten.
Wichtig ist es aber zu wissen, dass Biokunststoffe die althergebrachten Plastik-Materialien zurzeit noch nicht 1:1 ersetzen können. Sinnvoll wäre es auch vielmehr zu ermitteln, welche möglicherweise hervorstechenden Eigenschaften hanfbasierte Materialien, etwa als Verpackung, haben. So können manche Biofolien bei bestimmten Lebensmitteln längere Haltbarkeiten erreichen, als herkömmliches Plastik. Einige Branchen werden sicher mehr von Hanf-Plastik profitieren können, als andere.
Ob als Baustoff, in der Textilverarbeitung oder als nachwachsendes Material für Kunststoffe: Hanf hat eine große Zukunft vor sich und kann viel dazu beitragen, umweltfreundlichere Alternativen zu bisherigen Produkten zu liefern. Aber wenn uns Umweltschutz und Klimafreundlichkeit wirklich etwas bedeutet, sollte klar sein, dass es ohne Verzicht nicht gehen wird. Deshalb lautet auch mit hanfbasierten Biokunststoffen immer noch: