Dass Hanf ein vielseitig zu nutzender Rohstoff ist, der zur Herstellung der unterschiedlichsten Produkte genutzt werden kann, dürfte mittlerweile bekannt sein. Vom Nahrungsmittel bis hin zur Baustoffproduktion bietet die einmalige Pflanze viele Vorteile, sodass es verständlich wirkt, wenn sie von einigen Menschen als Wundergewächs bezeichnet wird.
Gerade auch die Eigenschaften, die beispielsweise in der Baubranche durch Hanf gewonnen werden können, lassen immer wieder staunen, warum nicht schon viel länger und viel öfter auf das nachwachsende Material gesetzt wird. Dabei geht es nicht nur die nachhaltigen und langlebigen Eigenschaften von Hanf, sondern auch die von Bewohnern der Hanfhäuser direkt spürbaren positiven Effekte, die der Einsatz von Hanf beim Häuserbau mit sich bringt. Dies kann man in beispielsweise in wärmeren Gefilden wie Südafrika erfahren, wo das weltweit höchste Hanf-Gebäude errichtet worden ist und dort auf jegliche Form herkömmlicher Heizungs- und Kühlsysteme verzichten kann.
Oder auch in den Niederlanden, wo gleich ein ganzes Viertel aus Hanfhäusern entsteht und damit zeitgleich zum umweltfreundlichsten Wohngebiet der Niederlande wird. Nun hat man auch im nordischen Inselstaat Island ein Haus aus Hanfkalk fertiggestellt, welches dort das Erste seiner Art ist. Und auch hier können die am Bau beteiligten Personen nur davon schwärmen, wie toll sich das Material für ein gemütliches Zuhause eignet.
Seit 2020 geplant
Im Herbst 2020 kamen Anna Karlsdóttir und Jan Dobrowolski nach einem Umzug von London nach Island auf die Idee, auf dem Inselstaat ein besonderes Gebäude zu errichten. Die beiden bei Lúdika Architects arbeitenden Initiatoren fanden zuvor heraus, dass der Import und der Anbau von Industriehanf im selben Jahr legalisiert worden war, weshalb sie für die Baubranche, für die Landwirtschaft und andere Innovationen eine große Chance erkannten. Sie orientierten sich an japanischen Teehäusern, wollten regionale Materialien nutzen und legten auf natürliche, ökologisch freundliche Bautechniken Wert. So wurde daraufhin im südisländischen Grímsnes das Projekt gestartet, welches das erste aus Hanfkalk bestehende Gebäude Islands werden sollte.
Mithilfe von Stipendien vom Design Fund, dem Fonds für technologische Entwicklung und Klima, Rannís, dem Askur Fonds, dem Unternehmerfonds der Íslandsbanki und Svanni, einem Fond für Frauen, konnte das Unternehmen gestartet werden, berichtet icelandreviews.com. Um den fachgerechten Aufbau des nur 15 Quadratmeter großen Prototypen des Gebäudes zu bewerkstelligen, halfen dann auch deutsche Wandergesellen, die sich auf Island auf der Walz befanden. Fähige Handwerker, die sich auch Gedanken über die Baubranche in Europa machten und das Projekt bereicherten, sagt der sich erinnernde Jan Dobrowolski über diese Zusammenarbeit.
Die greifbaren Vorteile von Hanfbeton
Wie auch in Südafrika gestaltet sich die Produktion des benötigten Hanfbetons relativ einfach und macht auch nach dem Einsatz als Baustoff keine Schwierigkeiten. Hanfschäben, Kalk und Wasser sind die Grundelemente, aus denen das Material hergestellt wird und was es toxinfrei und isoliert macht. Schimmel hat bei diesem Material keine Chance und dazu besitzt es eine praktische Feuerresistenz. Ebenfalls weisen Gebäude aus Hanfkalk eine gute Geräuschdämmung auf, sodass auch hier ein Vorteil erkennbar ist. Ganz besonders erfreulich klingt jedoch auch der Nachhaltigkeitsfaktor nach dem Einsatz im Bau, wenn das Material nicht mehr benötigt wird und entsorgt werden soll.
Hanfkalk kann dann nämlich einfach zermahlen und als Dünger auf Feldern genutzt werden – toll! Schon beim Wachstum bietet der Hanf aber einige Vorteile, die andere Baumaterialien definitiv nicht besitzen. So schätzt Anna Karlsdóttir, dass die weltweit agierende Bauindustrie für ungefähr 40 Prozent des globalen CO₂-Ausstoßes verantwortlich sein könnte. Hanf hingegen gilt als CO₂-negatives Baumaterial, da er schon während des Wachstums neun bis 15 Tonnen CO₂ pro angebautem Hektar speichert und als einer der besten CO₂-zu-Biomasse-Konverter gilt. Selbst bei der Trocknungsphase fängt Hanf noch CO₂ aus der Atmosphäre ein. Es heißt, dass Hanf diesbezüglich insgesamt doppelt so leistungsfähig ist wie ein Baum.
Das gesündeste Haus Islands
Die beiden Initiatoren von Islands erstem Hanfkalkhaus haben volles Vertrauen in ihre Konstruktion aus dem nachwachsenden Rohstoff. Es wäre eine Lösung mit Potenzial, so Dobrowolski. Zu seinen Visionen zählten eine umweltfreundlichere Bauindustrie und insgesamt gesündere Häuser für die Bewohner, wobei Hanfhäuser als die gesündesten Gebäude angesehen werden, die man aktuell bauen könne. Er erklärt, dass die Mauern aus natürlichen Materialien bestünden, die atmen könnten und in Innenräumen eine gute Temperatur und einen guten Feuchtigkeitsgrad halten würden. Um aber herauszufinden, wie das genutzte Material tatsächlich den isländischen Wetterbedingungen widersteht, würden im nächsten Jahr noch verschiedene Messinstrumente in das Haus integriert.
Interessant dürfte auch noch der Einsatz von Seetang für die Herstellung von Fensterscheiben klingen, der von Anna Karlsdóttir mit Hanf verglichen wird. Seetang hätte ein ähnlich schnelles Wachstum und würde ebenfalls eine gehörige Menge CO₂ aus der Atmosphäre absorbieren. Da er auch in ausreichender Menge an den Küsten Islands vorhanden wäre, freue man sich auch darüber, ihn in das erste Hanfkalkhaus des Inselstaates integriert zu haben. Das kleine eckige Teehaus aus Hanf und Seetang ist damit in allen Belangen eine ziemlich runde Sache geworden.
Quellen und weiterführende Links
ludika.is/projects/biobuilding
Fotocredit: https://www.ludika.is/projects/biobuilding