Pünktlich nach dem Start der Cannabis-Legalisierung in Deutschland sorgt der Klimawandel für schönes Wetter und die Gastronomie öffnet zum Verweilen schon die ersten Außenbereiche. Ein Bierchen in der Sonne lockt die Kundschaft, eine Runde Schnaps wird auf Wunsch serviert und auch das fahrende Volk macht sich dieser Tage bereit, um mit Losbuden und Autoscootern die örtlichen Volksfeste zu bereichern.
Wie aber steht es nun eigentlich um öffentlichen Hanfkonsum zwischen Rummel und Terrasse – heißt legal beim THC ab sofort auch überall in Ordnung? Oder werden User von Haschisch und Marihuana im Zweifelsfall mit Verweis auf das Hausrecht aus der Kneipe geworfen, wie beim Anzünden von Zigaretten?
Veranstalter und Gastwirte stellen sich (noch) gegen Hanfkonsum
Wenn in Oberbayern eine Grastüte zur Maß Bier möglicherweise körperliche Gewalt durch empörte Trinker an der Theke bedeutet, wäre das weniger überraschend als etwa in Niedersachsen oder Bremen mit einer dort jeweils amtierenden, rot-grünen Landesregierung. Aus beiden Bundesländern und deren Branche für Brot und Spiele kommen aktuell eher Erklärungen, die das Konsumieren von Cannabis ablehnen. Man werde zum Beispiel beim Frühlingsfest in Hannover, so die Veranstalter, sofort einschreiten, wenn Joints kreisen und das aus Sorge, natürlich, um anwesende Kinder und Jugendliche.
Ähnlich klingen Stellungnahmen aus der Hansestadt Bremen, wo die lokale Security bei THC mit aller Härte reagieren und die Polizeigewalt aus Verbotszeiten ersetzen soll, abgeschwächt natürlich, aber dem Duktus nach keineswegs weniger fies. Zwar kotzen sich häufig gleich neben dem Kettenkarussell die Schnapsleichen aus und gerne schon mittags torkeln Betrunkene lallend am Kindergarten vorbei zur nächsten Schenke, aber das ist eben nicht nur legal, sondern wird in Deutschland sogar durch Politiker als eine Art Kulturgut gefeiert.
Cannabis ist ab sofort erlaubt, sicher, zugleich jedoch in der Öffentlichkeit mit einer Art Bannmeile zur nächsten Bildungseinrichtung von Kinderkrippe bis Schule belegt. Weil sich ein Schulhaus immer finden lässt, zur Not reicht sicher auch das Waisenheim oder die nächste Praxis vom Kinderarzt, zeigen sich schon Tage nach dem Startschuss zur Hanf-Freigabe deren besonders wenig alltagstaugliche Details in ihrer ganzen Mangelhaftigkeit. Allerdings ist nicht jeder Wirt und Veranstalter bereit mitzumachen beim Diskriminieren mündiger Bürger und zumindest für den Sommer besteht Hoffnung auf Besserung.
Kiffende Eltern auf „Familienveranstaltungen“ nicht willkommen?
Zum Cannabiskonsum fragen Presseagenturen bereits seit Monaten aktiv überall nach und erfahren, dass auf dem nächsten Schützenfest das Partygelände wie Ein- und Ausgänge für Cannabinoide häufig tabu sein sollen. Öffentliche Vergnügungen wären schließlich Veranstaltungen für die ganze Familie, meint man da auf Nachfrage, und Familien gelten scheinbar nur dann als intakt, wenn Whiskey statt Haschisch im Küchenschrank lagert. Einige Presseberichte zum Hanf auf Amüsiermeilen bewegen sich also erwartungsgemäß am Rand zur Panikmache.
Gemutmaßt wird über generell rücksichtslose Erwachsene, die Kindern ständig rauchende Joints unter die Nase halten und deren Umgang mit Cannabis sich höchstens mit dem Eifer von Eltern vergleichen ließe, deren Nachwuchs noch schnell ein Lunchpaket für die Fahrt ins Ferienlager beim Rattenfänger von Hameln geschnürt bekommt.
Es versteht sich natürlich von selbst, dass herumlungernde Horden von Leuten mit einer rauchenden Bong im Arm auf die Rechtslage hingewiesen werden müssen und gegebenenfalls auch vom Gelände fliegen. Die weiter praktizierte, totale Diskriminierung vom THC als Genussmittel jetzt halt in der Wirtschaft wäre aber schon ein starkes Stück. Zumal sicher auch kein Fan von Marihuana verständnislos ausrastet, wenn Gastwirte den etwas scharfen Cannabisgeruch mit Rücksicht auf andere Besucher im Raucherbereich lieber nicht gestatten. Nach Jahrzehnten der Unterdrückung ist man Schikane gewohnt und explizit wegen Cannabis massiv auffällige Störenfriede existieren ohnehin nur in der Fantasie von politischen Betonköpfen.
Warum eigentlich muss gleich wieder von maximaler Verbannung die Rede sein statt von Kompromissen wie einem abgetrennten Bereich für Konsumenten auf dem Rummelplatz? Das scheint genauso unverständlich wie drollige Verweise auf Schulferien. Die würden nach Auffassung einiger Befragter ohnehin jedes Jahr monatelang praktisch für ganz Deutschland den permanenten Verstoß gegen Gesetze zum Mindestabstand beim THC Konsum bedeuten, weil sich Kinder dann nicht örtlich eingegrenzt im Klassenzimmer aufhielten, sondern auf Parkbänken und Flaniermeilen. Aber ist solch freches Ignorieren von Bundesgesetzen echt so einfach oder bleibt das Hausrecht gegen Cannabis eher die Ausnahme rund um ein paar verbohrte Fanatiker?
Föderalismus als Hoffnungsschimmer für Cannabinoide
Die Verteilung der Macht auf verschiedene Ebenen dürfte bei Verordnungen zum Cannabis eine neue Rechtslage auf lange Sicht unterstützen. Gesetzestreue Bürokratie als Grundlage für Vorgaben an die Veranstaltungsbranche und Gastronomie ist positiv für die Bürgerrechte im föderalistischen Gemeinwesen. So ganz anders als persönliche Abneigungen von Beamten oder gar jene verzweifelten Versuche einiger Landesfürsten, irgendwie noch den Bundesrat gegen die überfällige Legalisierung zu mobilisieren.
In der Praxis nämlich melden sich bereits Ämter und Partymacher wie aus Osnabrück, wo man das frische Cannabisgesetz keinesfalls willkürlich auslegen will. Hier wurde von der Regierung beschlossen, dass man auch bei persönlicher Abneigung der Bearbeiter keine unfaire Verordnung durchgehen lassen möchte.
Auf der „Osnabrücker Maiwoche“ etwa sind definitiv keine Verbote geplant. Viele andere Veranstalter und lokale Ämter vermeiden dankenswerterweise Schnellschüsse, wollen sich Zeit nehmen und in den nächsten Wochen beobachten, ob die kolportierten Schauergeschichten vom potenziell randalierenden, aggressiv kiffenden Hanfliebhaber der Realität entsprechen. Auch soll es intensiven Austausch auf Tagungen der Verbände einzelner Berufsgruppen geben, die allerdings häufig von Parteien wie der CDU/CSU durchsetzt sind und deshalb vielleicht eher zu Verboten beim Feiern raten als zum Schlussstrich unter das Anti-Cannabis-Mobbing der Vergangenheit.
Ganz so extrem willkürlich wie früher Politiker und einige Behörden können Verbände und Veranstalter jedenfalls nicht agieren. Selbst wenn wegen eines Platzverweises für THC sowieso kaum jemand vor Gericht zieht, wo zum Cannabis ohnehin wohl noch eine ganze Weile im Zweifel gegen den Angeklagten entschieden wird. Unternehmer müssen Geld verdienen und im Gastgewerbe Menschen anlocken wird nur funktionieren, ohne dabei dauerhaft den moralischen Aufseher zu spielen. Ganz folgerichtig sollte sich die staatliche Gängelei in der Wirtschaft rasch auslaufen. Riesige Warntafeln mit harschen Worten gegen legales THC verunstalten in Zukunft Jahrmarkt und Tresen garantiert seltener als etwa monströse Blöcke aus Stahlbeton wegen vielleicht heranrasender Fahrzeuge voller TNT mit Terroristen am Steuer.
Das Gesetz der Nachfrage und die mal wieder sehr spezielle Situation beim Cannabis in Bayern
Beamte wie Schießbudenbesitzer, Gastwirte und Marktschreier aller Art sind gefordert und gut beraten, alle erwachsenen Besucher mit dem gleichen Respekt zu behandeln. Bald dürften nämlich gänzlich neue, weil bisher verbotene Events mit dem Fokus auf Cannabinoide im Veranstaltungskalender auftauchen. Dort werden neugierige Biertrinker aber nicht verfolgt und verwiesen, wie derzeit oft für Grasraucher geplant, und solche absurden Ungerechtigkeiten rafft eines Tages selbst der brave deutsche Michel. Dann dürfte es sogar dem gemütlichsten Barkeeper kaum gefallen, wenn heute noch drangsalierte Kunden zunehmend Kneipen ganz bewusst boykottieren. Und zwar nicht nur, weil Hanfprodukte keinen Kater verursachen, sondern schlicht, weil Rache nun mal so süß ist und man wie beim Thema Zigaretten für alle Beteiligten normalerweise eine sehr leichte, verträgliche Lösung finden könnte.
In der hintersten Ecke einer Raucherbar sollte die Infotafel zum Gras nicht landen, aber auch nicht direkt am Eingang gleich neben dem bulligen Türsteher. Auf dem Oktoberfest in München hingegen wird wohl noch mancher Spätsommer von Gängelei geprägt sein. Nur der Gekreuzigte höchstpersönlich könnte beim Gebet im Herrgottswinkel der wütenden CSU momentan klarmachen, dass weder Ministerpräsident Söder noch sein fanatischer Gesundheitsminister Holetschek für Anstich und Jodeln von „O’zapft is!“ schwer bewaffnete Polizeikräfte zum Schutz vor feiernden Cannabis-Usern brauchen.
Leider ist himmlischer Zuspruch aber auch in den schlimmsten Zeiten der Strafverfolgung ausgeblieben und bisher will es in der Union zur Zeitenwende in der Drogenpolitik so gar nicht Licht werden. Hoffentlich führen die berühmte bayrische CSU-Willkür und andere politische Aufschneidereien niemals zu Artikeln in der BILD-Zeitung über notoperierte Kiffer, denen wegen ein paar unauffälligen Zügen am Cannabis Vaporizer beim Wies’n Besuch der sturzbetrunkene Tischnachbar plötzlich sein riesiges, schwere Maß-Glas über den Schädel gezogen hat. Für Anhänger von Hanfpflanzen bleiben daher auf Partys in der deutschen Öffentlichkeit erst einmal noch Umsicht und Zurückhaltung die Mütter aller Stressvermeidung und das Rauchen von Joints ein Vergnügen im Verborgenen.