Prinzipiell ist es eine gute Sache, wenn die großen Nachrichtenprogramme sich mit Themen rund um Cannabis, z. B. Medizinal Hanf, auseinandersetzen. Es hilft dabei, die Pflanze innerhalb der Gesellschaft von Stigmata und Vorurteilen zu lösen und eine gewisse Normalität im Umgang damit zu erzeugen. Vor allem Berichte, die die medizinischen Aspekte von Cannabis beleuchten, sind hier generell sehr hilfreich.
Leider machen sich nicht immer alle Sender und Medienhäuser die Mühe, alle Fakten zu Medizinal Hanf sorgfältig zu recherchieren, manchen möchte man sogar unterstellen, mit Absicht ein verzerrtes Bild darzustellen. In einem Beitrag auf der Seite der Tagesschau ist gerade etwas derartiges geschehen, wobei dabei nicht zwingend von einem Vorsatz ausgegangen werden muss, von guter journalistischer Arbeit jedoch ebenfalls nicht.
Die Ausschreibung für den Anbau – Längerer Prozess oder unfähige Pannenaktion?
Auf der Homepage der bekannten ARD Nachrichtensendung Tagesschau wurde am 07.07. ein kurzer Artikel veröffentlicht, der unter dem Titel Cannabis – „Made in Germany“ davon berichtet, dass ab sofort in den Apotheken Deutschlands Medizinalcannabis aus nationalem Anbau verfügbar sei. Diese Aussage ist korrekt, denn tatsächlich sind mittlerweile die ersten Cannabisprodukte in den Apotheken erhältlich, die in der Bundesrepublik hergestellt wurden.
Bei einigen Details jedoch nimmt man es mit der Wahrheit nicht so genau. Die Tagesschau erklärt, dass die Apotheken bislang das medizinische Cannabis ( Medizinal Hanf) über Importe bezogen haben. Begründet sei dies dadurch, dass für den Aufbau der Cannabisagentur, ebenso auch für die Ausschreibung für den Anbau, die diese Agentur durchführte, ein längerer Prozess notwendig war. Dies ist mehr als eine Beschönigung der tatsächlichen Abläufe, denn die Ausschreibung war ein regelrechtes Pleiten, Pech und Pannen Prozedere, bei welchem sich die Regierungsorgane mehrfach blamierten. Der erste Versuch der Ausschreibung wurde per Gerichtsurteil gestoppt und auch im zweiten Versuch lief längst nicht alles glatt. Der längere Prozess, wie die Tageschau beschreibt, entsprach keineswegs der Planung, denn ursprünglich war die Verfügbarkeit von deutschem Medizinalcannabis schon für letztes Jahr vorgesehen.
Anbaumengen für Medizinalhanf bis heute nicht nach oben korrigiert
Natürlich muss man der Tageschau allein diese kleineren Ungenauigkeiten in Bezug auf die Ausschreibungsabläufe nicht vorwerfen, doch dies ist nicht die einzige Aussage, bei der Tatsachen nicht so dargestellt wurden, wie sie wirklich sind. Völlig richtig berichtet der Beitrag, dass die im Zuge der Ausschreibung erteilten Lizenzen für die Produktion von 10,4 Tonnen Cannabis über einen Zeitraum von vier Jahren gelten, was einer jährlichen Anbaumenge von 2,6 Tonnen entspricht.
Dass diese Menge schon zum Zeitpunkt der Ausschreibung für den Bedarf der deutschen Patienten völlig unzureichend gewesen ist und dass man weiterhin von Importen abhängig bleibt, wird von der Tagesschau unterschlagen mit der Behauptung es sei lediglich das Ziel gewesen zusätzlich zur Versorgung der Patienten mit Medizinal Hanf beizutragen.
Bis heute haben BfArM und Cannabisagentur allerdings nicht auf die offensichtlich zu knappe Bemessung der Anbaumenge reagiert und diese nach oben korrigiert. Auch diese Unterschlagung der Fakten könnte man dem Nachrichtenportal als kleinen Lapsus durchgehen lassen.
Falschinformation über die Übernahme der Therapiekosten
Da die Macher der Tagesschau sich wohl bewusst sind, dass sich ein größerer Teil ihres Publikums nicht mit Medizinalhanf beschäftigt haben wird, wird den Lesern in einem Absatz noch vermittelt, dass es seit 2017 in Deutschland das Cannabis als Medizin Gesetz gibt, welches den Ärzten ermöglicht ihren Patienten sowohl Blüten als auch Extrakte der Cannabispflanze über ein Betäubungsmittelrezept zu verordnen.
Auf diesen kurzen Abschnitt hin folgt der Satz, der für viele Kranke wahrhaft ein Schlag ins Gesicht sein dürfte. Die Tagesschau behauptet, dass die Krankenkassen die Kosten für eine Therapie mit medizinischem Cannabis in den meisten Fällen übernehmen würden. Dies ist alles andere als richtig, außer die Definition der „meisten Fälle“ hat sich geändert und bedeutet nun „ungefähr die Hälfte“. Wenn die Hälfte der Leser des Tagesschauartikels die Fehler in den Ausführungen bemerkt haben, haben nicht die meisten die Falschaussagen durchschaut, sondern eben nur jeder zweite.
Wie eingangs erwähnt, ist es grundsätzlich zu begrüßen, wenn die Tagesschau solche Themen wie die medizinische Nutzung von Cannabis aufgreift, doch sollte der Anspruch an Wahrheit und Vollständigkeit der Tatsachen in einem solch renommierten Nachrichtenformat wohl ein anderer sein als in diesem Bericht über Medizinalcannabis aus Deutschland. Nur wenn die Missstände, die es im Bereich Cannabis als Medizin auch öffentlich wahrgenommen werden, besteht eine reale Chance auf positive Veränderung. Dazu hat die Tagesschau hier leider keinen Beitrag geleistet.